Terra Mater-Chef Köhler: „Corona und die vielen Konflikte lenken von sehr wesentlichen Themen ab"

Es ist ein millionenschweres Geschäft auf Kosten der Tiere: Orcas belustigen Menschen in Meeres-Unterhaltungsparks
87 Belugas, 11 Orcas und ein Schicksal, das schlimm ist: In einer abgelegenen Bucht bei Srednyaya (nahe Wladiwostok) fristen diese Tiere in winzigen Gehegen ein elendes Dasein, um an Meeresthemenparks in China geliefert zu werden. Ein millionenschweres Geschäft.
Als die russische Journalistin Aljona Stepanowa das 2018 in ihrem Artikel „Black & White Gold“ aufdeckt, wird das „Walgefängnis“ weltweit bekannt und zum internationalen Brennpunkt für Naturschutzaktivisten. Deren gefährliches wie mühsames Anarbeiten gegen mafiöse Strukturen und staatliche Ignoranz hat die Wiener Produktionsfirma Terra Mater dokumentiert. „Wale hinter Gitter“, mehrfach preisgekrönt und zunächst fürs Kino produziert, ist heute als gekürzte Fernsehfassung bei ServusTV (20.15 Uhr) zu sehen.
Und hier gibt schließlich Russlands Präsident Wladimir Putin unter dem Druck der Öffentlichkeit und vieler Prominenter die Order: „Lasst sie frei.“ Also alles gut?
Fragwürdiges Know-how
„In China wird seit einiger Zeit an fast 200 Aquarien gebaut und alle wollen Orcas haben“, relativiert Walter Köhler, Gründer der zu Red Bull gehörenden Terra Mater, sofort. „Dort ist der Zugang noch fast naiv und viele glauben die alte Mär, dass die Wale die Kunststücke lustig finden.“ Er habe aber die Hoffnung, dass sich das auch durch solche Dokus ändert.
Die Arbeit an der Geschichte über das Geschäft mit den Orcas begann in der Vor-Covid-Zeit und galt zunächst Seaworld. Das Blackstone-Unternehmen betreibt Meeresthemenparks vor allem in den USA, aber auch in Europa. Dort lässt man zwar das Orca-Programm auslaufen. „Sie haben aber ihr fragwürdiges Know-how in alle Welt exportiert“, sagt Köhler.
Auf das „Walgefängnis“ aufmerksam wurde man dann durch Appian Way, der Produktionsfirma von US-Schauspieler Leonardo DiCaprio, das immer wieder Partner von Terra Mater ist. Auch nach dem Start der Angriff Russlands auf die Ukraine blieb jedenfalls Terra Mater an der Sache dran. Köhler: „Hätte ich aber 2019 geahnt, was auf uns alles zukommt, ich glaube nicht, dass wir da eingestiegen wären. Aber dann waren wir dabei und sagten uns: Da müssen wir jetzt durch.“ Am Ende begleitet man sogar offiziell eine der Auswilderungsaktionen in Russland. Es bleibt die Situation aber undurchsichtig.

Walter Köhler machte zunächst die Marke „Universum" des ORF groß und entwickelte Terra Mater Studios, 2011 gegründet, zu einem Big Player im Naturfilm-Bereich
Weltweit relevant
Terra Mater steht seit dem 2016 mit DiCaprios Firma co-produzierten, für den Oscar nominierten Elfenbein-Thriller „The Ivory Game“ sowie „Sea of Shadows“ vor allem auch für Natur-Dokumentationen, die politisch global relevant sind. „Es wird aber immer schwieriger, solche Produktionen umzusetzen und auch ins Kino zu bringen. Corona sowie die vielen Konflikte und der Krieg in unserer Nachbarschaft haben die Welt verändert und lenken von sehr wesentlichen Themen ab“, bedauert Köhler.
Und er sieht ein weiteres Problem auf dieses Metier zukommen: Künstliche Intelligenz. „Wir leben nur mehr einen Atemzug entfernt von einer Zeit, in der man mit freiem Auge Wahrheit und Fiktion nicht mehr unterscheiden wird können“, meint der Produzent. Das werde großen Folgen für eine Gesellschaft haben, die dann von Misstrauen regiert wird. „Damit zurande zu kommen, das wird für uns Menschen die Herausforderung.“
Garantie auf Authentizität
Denn schon jetzt werden Menschen mit KI-Manipulationen von (bewegten) Bildern – ob aus Gaza oder von armen Tieren – im Internet abgezockt. Darauf reagiert man bei Terra Mater, weltweit einer der größten Produzenten im Naturfilm-Sektor. Köhler: „Ich arbeite deshalb derzeit an einem Garantie-Label. Durch die Rückmeldungen auf unserem großen YouTube-Channel wissen wird, dass das Vertrauen in die Authentizität immer wichtiger für die Menschen wird.“ Die Trade Mark von Terra Mater sei: „Wir zeigen Euch die reale Natur, Tiere aus Fleisch und Blut, die wir tatsächlich gedreht haben.“
Und das immer öfter auf den immer wichtiger werdenden digitalen Ausspielwegen. Im September/Oktober wird auf YouTube die Löwen-Saga „The Bastard King“, nach den Kinos in Frankreich und Österreich, auch weltweit seine Premiere feiern.
Und eine weitere Premiere steht ins Haus, bei der ebenfalls nichts für Gemütlichkeit spricht – im Gegenteil. In den USA laufen derzeit die Vorbereitungen für die Festival-Saison einer nächsten DiCaprio-Produktion, mit Terra Mater als Executive Producer: Es geht um „Nine Little Indians“, die ein von der katholischen Kirche verursachtes schreckliches Schicksal in den USA erlebt haben.
Kommentare