Stiftungsrat will „Sparring-Partner“ der ORF-Führung sein

Einmal geht's noch: Wrabetz absolviert am Donnerstag seine letzte Stiftungsratssitzung nach 15 Jahren als ORF-Chef
Letzte Sitzung des obersten ORF-Gremiums unter Alexander Wrabetz. Bestellung eines neuen GIS-Chefs auf der Tagesordnung.

Am Donnerstag treffen sich die 35 ORF-Stiftungsräte zu einer letzten Sitzung unter Generaldirektor Alexander Wrabetz, der nach 15 Jahren an der Unternehmensspitze zum Jahreswechsel das Zepter an Nachfolger Roland Weißmann übergibt. Sentimentalitäten wird man nach der hart geführten Wahl des neuen ORF-Chefs im Sommer nicht unbedingt erwarten; dass das Treffen virtuell stattfindet, tut sein Übriges dazu. Für Wrabetz, der zeitgleich bei der EBU weilt, jedenfalls wichtig ist seine Entlastung als Geschäftsführer. 

Eine seiner letzten Aktivitäten als ORF-Chef betreffen die Kür des neuen GIS-Geschäftsführers sowie Umbesetzungen bei ORF-Aufsichsratsmandaten. Dies geschieht bereits in Absprache mit Weißmann. Wrabetz wird bei der GIS Alexander Hirschbeck als Nachfolger von Harald Kräuter vorschlagen, der mit Jahreswechsel ORF-Technikdirektor wird. Hirschbeck arbeitet seit vielen Jahren für das Tochterunternehmen des ORF. Derzeit ist er Leiter des externen Kundendiensts - eine ORF-Personalentscheidung also, die einmal auf einer fachlichen Basis passiert. 

Change-Prozess

Den Stiftungsrat, der übrigens seine vorletzte Sitzung vor der gesetzlich vorgesehenen Neuaufstellung im Frühjahr absolviert, beschäftigt wieder die ORF-Zukunft und wie diese strategisch begleitet werden könnte. Der Handlungsbedarf ist erkannt, das wie sei noch offen, erklärte Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen Freundeskreises, im Gespräch mit der APA. Denkbar sei etwa eine Arbeitsgruppe, nicht jedoch ein Ausschuss.

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-Freundeskreises, nannte etwa die Beseitigung prekärer Arbeitsverhältnisse und den bestmöglichen Einsatz von Trainees als wichtige Anliegen. Barbara Nepp, Leiterin des FPÖ-Freundeskreises, zeigte sich ebenfalls offen für das Vorhaben, um etwa für die Gleichstellung von Frauen auf allen Ebenen zu sorgen. Lothar Lockl, der für die den Grünen nahestehenden Stiftungsräte spricht, ist ebenfalls bereit, den „Change-Prozess“ auf Stiftungsratsebene als „Sparring-Partner“ zu begleiten, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sicherzustellen. „Da muss mit einer schlechten Tradition gebrochen werden“, so Lockl. Zusätzlich müsse der ORF attraktiver werden und neue Jobbilder entwickeln, um hochqualifiziertes Personal zu bekommen.

Argusaugen

Gegen hochqualifiziertes Personal hat auch Lederer keine Einwände. Mit „Argusaugen“ achte er aber derzeit darauf, dass keine rein parteipolitischen Besetzungen vollzogen werden. Gegen diese würde er mit „aller Kraft und Vehemenz“ auftreten. Besonders heikel sei in naher Zukunft die Besetzung der TV-Hauptabteilungsleitung Magazine und Servicesendungen, so Lederer. Nepp hofft, das eine Frau zum Zug kommt.

Wie schon 2010 beworben hat sich ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, die von der ÖVP mit Nachdruck unterstützt wurde, was einen Aufstand vom damaligen Info-Direktor Elmar Oberhauser provozierte. Auch diesmal, so heißt's, sähe es die ÖVP gern, käme sie zum Zug - anders als bei der ORF-Chef-Wahl, da wurde sie vor allem von der FPÖ unterstützt. Als weitere Bewerber kolportiert werden u. a. auch TV-Chronikchefin Claudia Lahnsteiner, Katinka Nowotny ("Eco"), "Report"-Chef Wolfgang Wagner sowie Julia Ortner vom "Report".

Erneut auf der Tagesordnung steht die Besiedelung des neuen multimedialen Newsrooms am Küniglberg als auch die Digitalisierung. Um sich im digitalen Raum voll entfalten zu können, bedarf es jedoch einer ORF-Gesetzesnovelle. Diese sei „hochwichtig“, so Zach. Ob sie demnächst auch kommt, wollte Zach nicht kommentieren.

Stillstand

Pessimistisch zeigten sich jedenfalls Lederer und Lockl. „Ich bin skeptisch, ob das nach 20 Jahren medienpolitischem Stillstand bald gelingt. Aber es wäre eine Notwendigkeit und große Chance für den gesamten Medienstandort Österreich“, meinte Lockl. Er hofft auf mehr Kooperation zwischen ORF und privaten Medienunternehmen. „Ich fürchte, dass wir in Österreich einen Kleinkrieg geführt haben, und das hat uns in eine Sackgasse geführt.“ Die Politik sei nicht mutig genug gewesen, moderne Rahmenbedingungen zu schaffen, obwohl der mächtigste Konkurrent - internationale Plattformen - nicht am Verhandlungstisch sitze.
Lederer befürchtet in Hinblick auf die Gesetzesnovelle einen „ausgehungerten ORF“ als „Rache der Türkisen“. „Ich kann Weißmann nur raten, seine Kontakte zu nützen, um die Digitalnovelle voranzubringen“, so der SPÖ-„Freundeskreisleiter“. Noch ist allerdings Wrabetz an der Spitze des ORF. Dessen 15-jährige Ära will Lederer „ins richtige Licht“ rücken. „Unter ihm wurden sehr viele Meilensteine erreicht. Das soll nicht sang- und klanglos vorbeiziehen.“

Ausgewogenheit

Nepp hofft mit Antritt des neuen Generaldirektors auf „Veränderung und ausgewogenere Berichterstattung“. So sei die Expertenwahl derzeit „fragwürdig“. Auch über die Corona-Demonstrationen werde „sehr einseitig“ berichtet. Die Wogen seien aber erst mit der „Licht ins Dunkel“-Gala im ORF hochgegangen. „Jetzt konnte sich auch der letzte derzeit eingesperrte Österreicher ein Bild von dieser Regierung und leider auch dem ORF machen“, so die Leiterin des FPÖ-„Freundeskreises“.

Im Rahmen der Stiftungsratssitzung am Donnerstag werden laut Tagesordnung auch die Gehaltsverhandlungen mit dem Zentralbetriebsrat und Jahressendeschemata thematisiert und nicht zuletzt die Pläne über den Ausbau des barrierefreien Angebots für hör- und sehbeeinträchtigte Menschen vorgestellt. Der Aktionsplan stieß vergangene Woche im Publikumsrat auf erhebliche Skepsis. Zu langsam erhöhe sich der barrierefreie Programmanteil und zu zaghaft würden Stakeholder eingebunden, so der Befund einiger Publikumsräte.
 

 

Kommentare