Aufdecker gerieten ins Visier
Dashiell Lipscomb war Wirecard-Manager in Dubai. Er berichtet in der Doku über „Jans Mann fürs Grobe“ Oliver B., der ihn aus der Firma gedrängt habe, weil er nicht ins System gepasst habe.
Matthew Earl outet sich als Urheber des Zatarra-Reports, der bereits 2016 Geldwäsche-Vorwürfe publik machte. Er erzählt von Beschattern, die plötzlich vor der Tür standen.
Auch der deutsche Blogger jigajig stieß früh auf Ungereimtheiten. Aber schon bald habe er gut gemeinte Ratschläge bekommen: "Wir wollen dich nicht irgendwann tot aus der Isar fischen."
Und immer wieder das gleiche Bild: Nicht Wirecard wurde von den Aufsichtsbehörden ins Visier genommen, sondern die Aufdecker.
In dem Film, der auch Einsteigern einen guten Überblick verschafft, meldet sich erstmals jener Whistleblower zu Wort, der die wichtigsten Hinweise lieferte. Pav Gill war als Wirecard-Firmenanwalt in Singapur tätig und entdeckte gefälschte Rechnungen, für ihn "eine Bombe". Obwohl er nur seinen Job machte, wurde er gefeuert.
"Gerecht ist schlecht"
Gill beschreibt dies am Beginn der Doku mit einem Satz aus Shakespeares "Macbeth": "Fair is Foul, and Foul is Fair – also: Gerecht ist schlecht, und schlecht ist gerecht." Für ihn bringt das die Wirecard-Affäre und das System aus Lügen "auf den Punkt".
Man habe ihn "auf eine Reise nach Jakarta schicken" wollen, "für die es keinen geschäftlichen Anlass gab", berichtet Gill in der Doku. Dann habe er von zwei Kontakten in München den Rat bekommen: "Fahr nicht, das ist eine Reise ohne Rückfahrschein."
Mutter ergriff Initiative
Es war Gills Mutter Evelyn, die – weil sie um das Leben ihres Sohnes fürchtete – beschloss, alles anonym öffentlich zu machen. Sie wandte sich vertraulich an Investigativjournalistin Clare Brown, diese vermittelte sie an die Financial Times, wo Dan McCrum schon über Wirecard berichtet hatte. McCrum veröffentlichte schließlich die entscheidende Story, die den Absturz der Wirecard-Aktie auslöste.
Für ihn sei das alles „eine große Erleichterung“, sagte Gill gestern im Pressegespräch, an einer Stelle fast unter Tränen. "Jeder von uns fragt sich wohl, ob er seinen Eltern genug dankt", sagte er. Das Engagement seiner Mutter sei "so ein Beispiel".
In Sicherheit fühle er sich noch nicht, meinte der Whistleblower. Schließlich seien noch mehrere mutmaßlich Beteiligte auf freiem Fuß. "Es müssen mehr daran beteiligt gewesen sein" sagte er unter Hinweis auf das Ausmaß des Skandals.
Gill kündigte an, den deutschen Ermittlungsbehörden und der deutschen Finanzaufsicht für Befragungen zur Verfügung zu stehen. Er glaubt, dass derart massive Betrugsaktivitäten einem Konzernchef nicht unbekannt bleiben können, es sei "dessen Rolle, zu wissen, woher die Gewinne kommen". Braun selbst, der in Untersuchungshaft sitzt, streitet jedes Wissen darüber ab. Marsaleks Aufenthalt ist weiterhin nicht bekannt.
"Menschen Mut machen"
Produzentin Gabriela Sperl kündigte am Donnerstag eine fiktionale Dramaserie zum Thema an. Über das Handeln von Pav und Evelyn Gill sagte sie: „Wir brauchen solche Beispiele, die den Menschen Mut machen. Sie zeigen, dass es sich immer noch lohnt, die Wahrheit ans Licht zu bringen.“
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