Er spielte Cops und Landbuben, einfache Gemüter und komplexe Kriminelle, Helden und Bösewichte und sogar den Pinguin in „Batman“. Colin Farrell, 48, hat eine der interessantesten Karrieren als Schauspieler, mit einer Bandbreite an Rollen, von der viele seiner Kollegen nur träumen können.
In der TV-Serie „John Sugar“ (Apple TV+) spielt er die Titelfigur, John Sugar, einen Privatdetektiv, der die Entführung der Tochter eines Hollywoodmoguls aufklären soll.
KURIER: Diese Serie ist ein Liebesbrief an das klassische Film Noir-Genre der 1940er und 1950er Kinofilme. Waren Sie immer schon ein Fan dieses Genres?
Colin Farrell: Mein Wissen war nicht besonders groß. Das ist ein Genre, das nie ganz oben auf meiner Liste stand. Nicht, dass ich eine Liste habe. Es gibt Leute, die dieses Genre leidenschaftlich lieben, John Sugar ist so einer. Ich nicht.
Wie war Ihre Reaktion auf das Pilotdrehbuch für die Serie?
Als ich es las, und wie ich es auf dem Papier gespürt habe, wurde mir schnell klar, dass es völlig neu und anders an das Thema herangeht; normalerweise ist die zentrale Figur in der Film Noir-Welt ein Privatdetektiv, dessen moralischer Kompass durch die Hässlichkeit seiner Umwelt schwer erschüttert wurde. Diese Charaktere sind meistens abgestumpft und oft zynisch. Aber John Sugar hat einen ausgeprägten Feinsinn und einen sehr tiefen moralischen Kompass. Diese Noir-Welt durch seine Augen, durch seinen Optimismus zu sehen, ist eine einzigartige Herangehensweise und der Grund, warum ich das unbedingt machen wollte.
Das – und eine neue Art mit toxischer Maskulinität umzugehen?
Ja, denn wir lernen John Sugar zur gleichen Zeit kennen wie er alles über den Fall lernt, den er lösen soll. Der Fall ist doppelbödig, aber er ist es nicht. Er ist ein Gentleman in dieser Welt der Toxizität. Ich glaube, es war Raymond Chandler, der gesagt hat: „Ein Mann muss die harten Straßen begehen, ohne selbst hart zu werden.“ Oder so ähnlich. Sein Punkt war: In einer gefährlichen Welt der Täuschung muss man ein leuchtendes Vorbild sein.
John Sugar windet sich aus Konfrontationen mit Konversationstalent heraus, er kämpft lieber mit seinem Intellekt als sich physisch mit einem Gegner einzulassen. Wie war das bei Ihnen, als Sie jünger waren?
Meine Schulzeit war manchmal tough. Ich habe immer versucht, mich aus haarigen Situationen herauszureden. Ich war ein Klugscheißer. Ich habe immer vorgespielt, dass mich etwas viel weniger tangiert, als es das tatsächlich tat.
Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mehrmals Polizisten und Kriminalbeamte gespielt. Gibt es Eigenheiten, die ein Privatdetektiv hat? Einen gewissen Gang, eine Art zu sprechen?
In diesem Fall macht der Anzug den Mann. Und das Auto – ein babyblauer Chevrolet Corvette. Ich spürte sofort, dass er einen sehr aufrechten Gang hat. Eine Connection zu seiner Umwelt, zu den Vögeln und Bäumen und eine Emphatik für Menschen, ganz gleich, was deren Status ist. Er ist weltoffen, ganz und gar nicht abgestumpft oder abgebrüht in der Welt, in der die Geschichte spielt. Er hat diese gewisse Eleganz. Die Ästhetik der Serie ist auch eine ziemlich gute Repräsentation seiner inneren Welt.
Sie haben das Auto angesprochen. Sie leben in Los Angeles und verbringen sicher viel Zeit im Auto. Haben Sie durch die Serie eine neue Perspektive bekommen, was das betrifft?
Einige meiner Lieblingserinnerungen an den Dreh – meine liebsten Zeiten im Büro, könnte man sagen – waren die, die ich mit César Charlone, dem Kameramann, verbracht habe. Nach unseren Szenen in Downtown L.A. sind wir oft ins Auto gesprungen und ziellos herumgefahren. Das war supercool. Ich hinter dem Steuer, er im Beifahrersitz mit der Kamera. Natürlich gibt es bei einer Serie wie dieser eine Struktur. Aber innerhalb dieser Struktur filmte er mein Gesicht, meine Hände am Steuer, und den Mond durchs Fenster. Dann zurück zur Straße. Das war eine sehr freie Art. Ich muss zugeben, dass ich nicht viel von Autos verstehe, aber dieses Auto zu fahren hat unglaublich viel Spaß gemacht. Das Ding war eine Schönheit.
Serie
„John Sugar“ ist eine nostalgische Hommage an die Film-Noir-Klassiker der 40er- und 50er-Jahre. Colin Farrell (47), der im vorigen Jahr für seine Rolle als unbedarfter Farmer in der Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ für einen Oscar nominiert war, zieht in der Apple-TV-Serie die Zuschauer als cooler, undurchsichtiger Ermittler in den Bann.
Der Privatdetektiv, ein selbsterklärter Filmnarr, trifft in Los Angeles den legendären Hollywoodproduzenten Jonathan Siegel (James Cromwell), dessen Enkelin Olivia unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Und Sugar selbst hat, das wird rasch klar, selbst einige Geheimnisse – genauso wie der Siegel-Clan, der sich bald mehr um die Ermittlungen Sugars sorgt als um die Entführte
Jonathan Siegel, gespielt von James Cromwell, ist der Studiomogul, der Sugar engagiert, weil seine Tochter entführt wurde. Hatten Sie je mit einem Studioboss wie ihm zu tun?
In den 20 Jahren meiner Karriere in Hollywood habe ich viele Studiobosse kennengelernt. Der, der diesem Typus am nächsten kam, obwohl er kein Studiomogul war, ist Robert Towne (Drehbuchautor, Regisseur, „Chinatown“, „Mission: Impossible II“). Er ist alte Schule, die Zigarre hängt ihm aus dem Mund und er verwendet vermutlich noch immer eine Schreibmaschine.
Die Aufgabe des Schauspielers ist die Beobachtung. Aber je berühmter sie werden, desto schwieriger ist das. Haben Sie die Fähigkeit verloren, sich einfach in die Menge zu mischen und Menschen zu beobachten?
Das Für überwiegt hier das Wider, aber natürlich hat Anonymität etwas Schönes, das dir abhandenkommt, wenn der Ruhm sich vergrößert. Vielleicht kann ich nicht immer Beobachter sein, aber ich gehe immer noch spazieren. Es ist ja nicht so, dass mich überall jeder erkennt. Ich bin ja nicht Justin Bieber. Ich habe viele Momente des ungestörten Alleinseins. Ich kann immer noch die Leute und die meine Umgebung beobachten.
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