Karl Markovics: Kein Platz für Routine
Ein eingeschneites Ferienhotel. Eine Leiche in einem von innen verschlossenen, Raum. Und ein Gast, der sich als Ermittler entpuppt: Karl Markovics sorgt als Kommissar Horak in dem von ihm inszenierten, ungewöhnlichen ORF-Landkrimi „Das letzte Problem“ für Spannung. Dafür – und für die Rolle eines österreichischen Journalisten in der ARD/Sky-Hochglanz-Produktion „Babylon Berlin“ – wurde er heuer für die ROMY als beliebtester Schauspieler Serie/Reihe nominiert.
Spätestens seit „Die Fälscher“, 2008 mit dem Oscar geehrt, ist Markovics international ein Begriff. In Österreich galt er lange davor schon als herausragender Bühnen-, Film- und Fernseh-Schauspieler – und Publikumsliebling. Trotzdem kehrte er auch Erfolgsprojekten den Rücken, um nicht in Routine zu erstarren.
KURIER: Als Schauspieler kann man Sie auf der Bühne erleben und in Kino- und Fernseh-Filmen sehen. Sie schreiben auch Drehbücher und führen zudem Regie. Warum die vielen verschiedenen Zugänge?
Karl Markovics: Ich möchte nicht, dass sich meine Abenteuerlust abnützt – und das würde sie tun, wenn ich immer nur die gleichen Dinge tue. Viel lieber versuche ich Neues. Und so hat es sich im Laufe der Jahre ergeben, dass sich mein Spektrum vergrößert. Zum Beispiel mache ich auch immer mehr Konzertlesungen. Ich finde es wunderbar, wenn man mit großartigen Musikern auf der Bühne steht – wie zuletzt zum 20. Todestag von Friedrich Gulda und H. C. Artmann im Muth-Konzertsaal.
Reizt Sie deshalb Filmregie, weil dieses künstlerische Medium auch stark von der musikalischen Untermalung und Unterstützung von Emotionen lebt?
Die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag hat gesagt, dass Richard Wagner, wenn er heute lebte, Filme machen würde. Sie ist sogar so weit gegangen, den Film als das Gesamtkunstwerk zu bezeichnen, nach dem Wagner immer gestrebt hat. Und das stimmt mit Sicherheit. Film ist schon jene Kunst, die einer Form von Schöpfung am nächsten kommt. Vom Urknall – also dem weißen Blatt eines noch nicht geschriebenen Drehbuchs – bis zu einer Welt als Vorstellung, die zur Gänze aus der Fantasie eines Menschen kommt. Das trifft ganz besonders auf Science-Fiction und Fantasy-Filme zu.
Ähnlich sah das auch Daniel Kehlmann, der das Drehbuch zu „Das letzte Problem“ schrieb, jüngst einem KURIER-Interview. Als Regisseur haben Sie aus dem ORF-Landkrimi einen TV-Film geschaffen, der die Grenzen der Realität in mehrfacher Hinsicht durchbricht.
Das war es, worauf ich sofort angesprungen bin. Weil ich beim Lesen sofort die tolle Atmosphäre gespürt habe, die dieses Drehbuch vermitteln konnte und die sich aus einem gekonnten Sammelsurium aus literarischen Anspielungen und Reverenzen ergibt. Es war von Anfang an klar, das das keine Zitate sind, die Krimifans bloß zur lustvollen Wiedererkennung geboten werden, sondern dass diese zu einem ganz neuen, eigenständigen Kunst-Stück zusammengefügt sind.
Zur Hauptrolle musste Sie der ORF erst überreden, weil ein Krimi, in dem Sie spielen, dem Publikum natürlich besser zu „verkaufen“ ist als wenn „nur“ die Regie ist.
Wenn das eingefädelt war, dann war das sehr schlau eingefädelt. Niemand hat mich gedrängt – wahrscheinlich hat es deshalb funktioniert. Mir wurde das Buch als Regie angeboten. Wenn man eine Geschichte inszenieren soll, dann taucht man beim Lesen viel tiefer in sie ein. Natürlich kam auch in mir die Frage auf: Wer soll Kommissar Horak spielen? Zu dem Zeitpunkt war er mir schon so ans Herz gewachsen, dass ich mit der „ganz neuen Idee“ zum ORF kam: „Wie fändet ihr denn – hüstel, hüstel -, wenn ich ...“. Die haben beim ORF wahrscheinlich nur darauf gewartet (lacht).
Als Mitbegründer und Präsident der Österreichischen Filmakademie, die seit 10 Jahren Kinofilme ehrt, welchen Stellenwert hat da ein TV-Preis wie die ROMY?
Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass man dumm wäre, etwas in Konkurrenz zu sehen, was beides seine Bedeutung hat. Wenn ich die Möglichkeiten habe, auf einer Bühne zu stehen, vor oder hinter einer Kamera zu agieren, Schauspieler oder Regisseur zu sein – warum soll ich mich da für eine dieser Aufgaben entscheiden? Es muss nicht entweder oder sein. Das gilt auch für Film und Fernsehen und für die Preise, die man dafür bekommen kann. Außerdem sind Anerkennungen wie die ROMY ein Elixier, das wir Schauspieler brauchen. Wir brauchen das Publikum.
Trotz internationaler Angebote nach Oscar und Emmy-Nominierung („Franz Fuchs – ein Patriot“) kehren Sie immer wieder nach Österreich zurück. Ist Hollywood und eine Karriere dort nicht interessant?
Dass ich dieser Verlockung nie erlegen bin, hat viel mit meiner Familie zu tun. Und ich bin ein sesshafter Mensch. Ich lebe wahnsinnig gerne in Österreich. Europa ist mein Zuhause. Auf der anderen Seite ist es die künstlerische Vielfalt, die sich hier bietet. In Hollywood könnte ich vielleicht als Schauspieler Erfolg haben, aber man würde mich kaum Regie führen lassen. Ich habe nie den Drang verspürt, international berühmt zu werden. Es kommen immer wieder Angebote, die ich gerne annehme, aber ich bin danach immer wieder froh, hierher zurückzukommen.
Interview: Gabriele Flossmann
Kommentare