ORF: Wrabetz-Tempo "in krisenhaften Zeiten zu langsam“

SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer.
SPÖ-Stiftungsrat Lederer über die Social-Media-Misere, Sparprogramme und Engpässe durch Pensionierungen der Babyboomer.

KURIER: Vor dem Sommer gab es eine große Aufregung um die Social Media Guidelines. Die werden abgeändert. Was wäre Ihre Vorstellung?

Heinz Lederer: Ich persönlich habe das nach den letzten Wortmeldungen – etwa von Harald Vilimsky oder Hansjörg Jenewein – schon eher so empfunden, dass das das Schwert oder die Peitsche sein soll, die hier ins operative Geschäft eingreifen soll. Das kann es nicht sein. Und dagegen wird es härtesten Widerstand von meiner Seite geben. Operativ ist operativ, und der Aufsichtsrat hat seine Funktionen.

Sie verwehren sich dagegen, dass der Stiftungsrat lästigen Redakteuren das Twittern und Facebooken verbietet?

Ich glaube, es muss eine Guideline geben, wo sich jeder Journalist danach richten kann. Im Prinzip glaube ich nicht, dass der Stiftungsrat eine darüber hinaus gehende Rolle hat. Für mich ist die KommAustria zuständig, die über die Unabhängigkeit eines Berichtes entscheidet.

ORF-Chef Alexander Wrabetz hat die Sache aufs Jahresende verschoben – einmal mehr. Wie empfinden Sie den Führungsstil von Alexander Wrabetz? SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda zeigte sich jüngst gar „enttäuscht“ von ihm.

Ich persönlich bin nicht enttäuscht vom Generaldirektor. Das wäre als Aufsichtsrat vermessen. Mit jemandem, der als Generaldirektor ein hervorragendes Jahresergebnis abliefert, der die Ideen des Thomas Drozda als Kulturminister – nämlich mehr Musikanteil auf Ö3, ein fairer Umgang mit der Filmindustrie – umsetzt, kann ich nicht unzufrieden sein. Was ich aber auch immer wieder festgestellt habe, ist, dass mir das Tempo des Generaldirektors in krisenhaften Zeiten des ORF zu langsam ist.

Wo wäre das?

Ich finde auch gerade im Personalbereich, in einem der größten Changeprozessen, der auf uns in den nächsten Jahren hinzukommt, sind wir im positiven Sinne dazu verdammt, die Arme auszustrecken, neue Leute an Bord zu holen und im Haus befindliche weiterzuentwickeln und auszubilden.

Es soll mit Sabine Schuh bald eine neue Personalchefin geben. Sie wird unter anderem die Aufgabe haben, die Pensionswelle der Babyboomer-Generation abzufedern. Wie viele Leute werden da in Ruhestand gehen?

Es können bis zu 300 sein. Ich kenne die Kollegin nicht, die da jetzt anfängt, ich hoffe dass man versucht, hier eine vernünftige Weiterbeschäftigung der Babyboomer zu gewährleisten. Man darf ja nicht vergessen, das sind exzellente Filmemacher, exzellente Dokumacher, und wir reden von Namen, die man einfach kennt, die ein hohes Maß Identität bringen. Da muss ich als Change-Manager schon ein sehr gutes Rüstzeug haben, um diese Leute zum Bleiben zu motivieren – die finden überall anders auch einen Job.

Eine Baustelle ist das 300-Millionen-Euro-Sparpaket. Wie ist der Stand der Umsetzung?

Nach der letzten Stiftungsratssitzung ist die Rasenmäher-Methode, die da ein bisschen Platz gegriffen hat, einem realistischeren Vorgehen gewichen. Ich glaube auch, dass uns zu Hilfe kommt, dass wir einen der moderatesten Lohnabschlüsse seit ewig gehabt haben. Das muss man dem Generaldirektor und den Betriebsräten sehr zugute halten.

Man hört aus dem Unternehmen, dass die Technik weitgehend ausgelagert werden soll und nur mehr leitende Techniker vom ORF gestellt werden sollen. Als SPÖ-Stiftungsrat sind Sie da wohl dagegen.

„Die Technik“ ist ein großes Feld. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht eine Technik, die Qualität liefert. Wenn wir das aufgeben, unterscheiden wir uns nicht von den Privaten. Man muss auch nicht glauben, dass die Preise nicht anziehen, wenn der Markt entscheidet.

Finanzstarke digitale Player drohen den herkömmlichen Fernsehstationen davonzuziehen. Sie kaufen Sportrechte und werfen mit Milliardenbudgets im Fiction-Bereich um sich. Der ORF hat das erfolglose Flimmit gekauft. Reicht das?

Für große Events muss der ORF Geld in die Hand nehmen. Und wenn er das nicht hat, muss er Bündnisse schließen, sei es mit Zeitungsherausgebern oder anderen. Die Zukunft des ORF entscheidet sich im Digitalisierungsbereich und im Streaming. Das wäre eine Aufgabe der Mediensprecher im Parlament: Wenn wir hier keine Gleichheit schaffen, wird es schwierig werden.

Es gibt heuer zwei neue Channelmanager für ORFeins und ORF2. Was sind aus Ihrer Sicht deren größte Baustellen?

Ich mische mich nicht gerne ins operative Geschäft ein, aber als Stiftungsrat muss man einen strategischen Horizont haben. Wenn die geplante ORFeins-Infoschiene unserer ORF2-„Zeit im Bild“, die ja wirklich das große Boot ist, schadet, dann wäre das schlecht. Es muss ein sehr gutes Finetuning stattfinden. Und: Wir haben sehr starke Anchorpersonen, wie zum Beispiel Armin Wolf. Man muss danach trachten, dass die Trennung zwischen Meinung und Bericht stärker betont wird und der Meinungsblock hervorgehoben wird.

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