ORF-Sommergespräche: "Wir werden keine philosophischen Fragen besprechen"

Am Montag kehren die ORF-„Sommergespräche“ zurück, dieses Jahr moderiert von Innenpolitik-Chef Klaus Webhofer. Den Auftakt macht Leonore Gewessler von den Grünen (siehe unten). Im Interview erzählt Webhofer, was ihn an seinem Job manchmal frustriert, wie er zur diesjährigen Location der beliebten Gesprächsreihe steht und welche Fragen er darin nicht stellen will.
KURIER: In der Ankündigung zu den „Sommergesprächen“ steht, dass Sie sich darauf freuen, weil Sie „ein leidenschaftlicher Interviewer“ sind. Warum interviewt man denn leidenschaftlich gerne Politikerinnen und Politiker?
Klaus Webhofer: Die Frage läuft hinaus auf: Weil da bekommt man eh nie eine Antwort zu hören?
Das haben Sie jetzt gesagt.
(lacht) Nein, das sind Menschen, die durch Gesetze unser Leben gestalten. Das heißt, es sind wichtige Personen. Infolgedessen ist es spannend, die Politik und die Maßnahmen, die diese Menschen beschließen, zu hinterfragen und nachzufragen, wie dieses oder jenes gemeint ist. Dass manchmal weniger rauskommt, manchmal mehr – das liegt in der Natur der Sache und da kommt man als Interviewer halt oft auch nicht weiter.
Ist das manchmal frustrierend?
Ja, es kommt schon vor, dass man unzufrieden ist und sagt: Da hätte ich mir mehr erwartet. Auch wenn man vielleicht selbst gar nicht schuld ist. Manchmal ärgert man sich auch, weil man gewisse Dinge nicht gefragt hat – so viel Selbstkritik habe ich schon. Aber manchmal hilft es nichts, wenn eine Person einfach nicht viel sagen oder bei ihren Standardsätzen bleiben will.

Webhofer: "Die Location ist nicht mein Hauptthema".
Aber die Leidenschaft fürs Interviewen überwiegt?
Ja, ich mache das schon so lange und in so unterschiedlichen Formaten. Man bekommt dann irgendwann eine gewisse Fertigkeit und man erfährt ja auch oft interessante Dinge. Also insofern: Ja, das Feuer ist noch da.
Als Sie gefragt wurden, ob Sie die „Sommergespräche“ übernehmen, mussten Sie also nicht überlegen?
Ich überlege immer. Dass ich in der Sekunde zu etwas Ja sage - das habe ich auch hier nicht gemacht. Ich bin auch nicht zum ersten Mal gefragt worden, aber diesmal hat es für mich gepasst. Eigentlich bin ich ja nicht Moderator, sondern im Hauptjob Innenpolitik-Chef. Nach eineinhalb Jahren läuft das ganz gut, wir haben die Übergangs- und Restrukturierungsphase gut hinter uns gebracht. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich mich da ein bisschen aus dem Tagesgeschäft rausnehmen kann, um mich auf diese Interviews vorzubereiten.
Wann sind Sie denn das erste Mal gefragt worden?
Letztes Jahr, aber da war das viel zu frisch für mich. Da bin ich gerade erst Innenpolitik-Chef geworden.
Die Gespräche finden heuer im ORF-Zentrum statt. Ist das der Tatsache geschuldet, dass der Öffentlich-Rechtliche sparen muss und man einen günstigen Ort gesucht hat?
Sparen müssen wir immer. Das hat vielleicht auch irgendwo eine Rolle gespielt. Aber ich finde es gut, dass die Location immer wieder wechselt, so wie die Moderatorinnen und Moderatoren wechseln. Es gibt auch am Küniglberg genug Orte, wo man das machen kann. Ich kann damit sehr gut leben.
Aber es war nicht Ihr Wunsch?
Ich habe keinen Location-Wunsch geäußert.
Wer entscheidet über die Location?
Die Chefredaktion. Für mich persönlich ist das Gespräch wichtig. Die Location soll nett sein – aber das ist nicht mein Hauptthema.
Klaus Webhofer wurde 1967 in Meran (Südtirol) geboren und ist seit 1991 für den ORF tätig. Zunächst arbeitete er für den Kurzwellensender RÖI, ab 1995 in der Radio-Information. Der studierte Historiker war Korrespondent in Bonn und verantwortete später u. a. die Ö1-Sendung „Klartext“. Seit 2024 ist Webhofer Ressortleiter der ORF-Innenpolitik. 2011 erhielt er den Robert-Hochner-Preis.
Wie soll das Gespräch werden?
Spannend, hoffentlich. Ich finde das heuer eine interessante Ausgangssituation: Es sind fünf Personen dabei, die eine Art Rollenwechsel durchgemacht haben. Da sind zwei ehemalige Oppositionspolitiker, die jetzt in der Regierung sitzen. Da ist einen Kanzler, der quasi aus dem Nichts gekommen ist. Die Grünen-Chefin war noch nicht Parteichefin. Und da ist mit Herbert Kickl jemand, der eigentlich Kanzler hätte werden können, es aber nicht geworden ist, warum auch immer. Wir haben die erste Dreierkoalition des Landes. Und wir hatten – jedenfalls seit den frühen 80er Jahren – auch noch nie den Fall, dass mehr Parteichefs in der Regierung waren als in der Opposition. Für mich ist das immer auch ein aktuelles Interview. Wir werden nicht nur irgendwelche philosophischen Fragen besprechen. Aber die Länge der „Sommergespräche“, diese 50 Minuten bieten trotzdem die Chance, dass man beim einen oder anderen Thema ein bisschen mehr in die Tiefe geht.
Letztes Jahr haben die „Sommergespräche“ direkt vor Wahlen stattgefunden. Aktuell wirkt alles ein bisschen ruhiger in der österreichischen Innenpolitik. Finden Sie das positiv oder hätten Sie es lieber gehabt, die Sommergespräche zu führen, wenn es ein bisschen aufregender ist?
Mich stört das nicht. Ich finde das durchaus positiv – wobei wirklich ruhig, wenn man genau hinsieht, ist es ja auch nicht. Wir leben in Sparzeiten und das überlappt alles, was wir tun. Es gibt weiterhin Kriege in der Umgebung. Sicher ist es anders als vor einer Wahl, da kann man dann die ganzen Koalitionsspekulationen abhandeln. Das kann ich mir heuer alles ersparen. Aber so richtige Sommerlöcher haben wir eigentlich gar nicht mehr, ist mir in den letzten Jahren aufgefallen. Irgendwas ist immer – und vielleicht ist auch diesmal wieder was.

Könnte im Radio "im Sessel lümmeln": Klaus Webhofer.
Sie haben Ihre Karriere im Radio gestartet, sind jetzt öfters im Fernsehen zu sehen. War das ursprünglich auch Ihr Wunsch, ins Fernsehen zu gehen oder ist das einfach dem geschuldet, dass man jetzt multimedial arbeitet?
Beides. Es hätte im Laufe der Jahre schon Gelegenheiten gegeben, ins Fernsehen zu wechseln. Das ist dann aus verschiedenen Gründen nicht passiert. Das ist gar nichts Prinzipielles gegen das Medium, sondern es hat halt nicht gepasst. Jetzt ist es so, dass wir im multimedialen Newsroom alles machen. Es gibt dabei immer wieder Aha-Erlebnisse – auch für mich. Ich habe zwar vor langer Zeit Fernsehen gemacht, als ich Ende der 90er Korrespondent in Deutschland war, aber das ist ja schon eine Ewigkeit her. Es gibt durchaus Unterschiede in den Abläufen zwischen Radio und Fernsehen. Insofern ist das auch für mich eine spannende Zeit, das alles wieder neu kennenzulernen.
Wie geht es Ihnen damit, jetzt auch öfters vor der Kamera zu stehen?
Es ist anders. Das brauchen wir jetzt gar nicht kleinreden. Im Radio zählt nur die Sprache. Da könnte ich im Sessel rumlümmeln und es wäre komplett wurscht – solange es keine Missachtung des Gesprächspartners wäre. Im Fernsehen hast du so viele Ebenen, die du bedenken musst: Wie du schaust, wie du sitzt, wie deine Haltung ist, deine Gestik und so weiter. Da kommt vieles zusammen und das musst du alles parallel im Kopf verarbeiten. Das ist natürlich eine Lernfrage, das kriegst du nicht in die Wiege gelegt.
Wie hat sich das politische Interview generell verändert, seit Sie im Journalismus angefangen haben?
Schwer zu sagen. Man hört immer, dass Politiker jetzt noch weniger sagen oder Auskünfte erteilen würden. Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, mich schon zu erinnern, dass es vor 20, 25 Jahren auch so war, dass man immer wieder mit Ausflüchten und Nicht-Antworten konfrontiert war. Es war früher nicht alles besser. Was sich schon verändert hat: dass Parteien oder Politiker inzwischen alle ihre eigenen Medien bespielen, vor allem auf Social Media. Dort können sie ungestört ihre Botschaften verbreiten, ohne dass jemand blöd nachfragt. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum viele oft gar nicht mehr die Notwendigkeit sehen, zum ORF oder zu Print-Medien zu gehen, um dort Rede und Antwort zu stehen.

Selbstironie "schadet nicht": Klaus Webhofer über seinen "Kickl und Stocker"-Versprecher.
Aber zu den „Sommergesprächen“ haben schon alle zugesagt, oder?
Da haben alle zugesagt, das stimmt. Das ist ein Format, bei dem auch Politiker oder Politikerinnen, die sonst nicht so gerne oder sehr selten in den ORF kommen, bisher noch immer teilgenommen haben.
Sie meinen Herbert Kickl?
Zum Beispiel, ja.
Sie haben ja schon Ihren Job als Innenpolitik-Chef angesprochen. Wie ist denn da Ihr Fazit bis jetzt nach eineinhalb Jahren?
Die Übergangsphase ist gut bewältigt. Wir haben immer mehr gemeinsame Projekte. Diejenigen, die bisher beispielsweise nur Fernsehen gemacht haben, machen auch zunehmend Radio. Natürlich gibt es weiterhin Präferenzen und das ist auch total okay. Aber wichtig ist, dass jeder mal das andere kennenlernt und damit arbeiten kann. Und wir dann immer mehr multimediale Projekte umsetzen. Das klappt immer besser.
Gab es da am Anfang keine Schwierigkeiten, dass manche das nicht so gerne gemacht haben?
Bei einem Restrukturierungsprozess gibt es natürlich immer Vorbehalte, das ist ganz normal. Aber wenn man sieht, dass man auch etwas dazugewinnt, dann bekommt das natürlich auch ein anderes Gesicht.
Anfang des Jahres hatten Sie in der „ZIB“ einen sehr schönen Versprecher, „Stickl und Kocker“ statt „Kickl und Stocker“ …
Ich bin Fan von Ernst Jandl (lacht). Es ist live, sowas kann eben passieren.
Sie haben das Hoppala auch selbst auf Social Media gepostet. Braucht man Selbstironie für Ihren Job?
Ich denke, das schadet nicht. Das ist auch das Spannende, dass (bei einer Live-Sendung, Anm.) nicht alles durch einen Filter geht. Gesagt ist gesagt, da kann man nichts machen.
TV-Fahrplan: Nach zwei Jahren auswärts (2023 im Parlament und 2024 am Traunsee) finden die „Sommergespräche“ heuer wieder im ORF-Zentrum am Küniglberg statt: bei Schönwetter auf der Terrasse von „Studio 2“, bei Regen im Inneren. Um das Tageslicht zu nutzen, werden die Interviews rund eineinhalb Stunden vor Ausstrahlung aufgenommen und ungeschnitten jeweils ab 21 Uhr in ORF2 gezeigt.
Die Reihenfolge der Gespräche mit den Parteichefinnen und Parteichefs der im Parlament vertretenen Fraktionen wird vom Ergebnis der letzten Nationalratswahl bestimmt.
Den Auftakt macht am Montag (11. 8.) Leonore Gewessler (Grüne). Es folgen Beate Meinl-Reisinger (NEOS) am 18. 8., Andreas Babler (SPÖ) am 25. 8., Christian Stocker (ÖVP) am 1. 9. sowie Herbert Kickl (FPÖ) am 8. 9.
Direkt im Anschluss wird in der „ZIB 2“ mit Peter Filzmaier und je einer Printjournalistin analysiert. Lou Lorenz-Dittlbacher lädt zudem zu den „Sommer(nach)gesprächen“, ab 22.30 Uhr auf ORFIII.
Die „Sommergespräche“ sind jedes Jahr ein Quotenbringer: 2024 erreichte das Format, damals moderiert von Martin Thür, durchschnittlich 705.000 Zuseherinnen und Zuseher bei einem Marktanteil von 28 Prozent.
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