"Schlageranfall" im ORF: Zwischen "Besuch beim Opa" und Lokalverbot
Schlageranfall. Diesen Titel muss man zwei Mal lesen. Michael Niavarani und Viktor Gernot erklären ihn in ihrem Programm folgendermaßen. Es passiere ihnen immer wieder, dass Gernot plötzlich anfallartig „Oh, Coconut-a woman“ anstimmt – oder Niavarani „Komm mit und steck’ Dir deine Sorgen an den Hut“ – ein „Schlageranfall“ eben.
„Da ist wirklich was dran“, sagt Gernot im KURIER-Gespräch, „wir haben oft zu später Stunde lauthals ,Das ganze Haus ist schief‘ oder andere Schlager gesungen, ohne musikalische Begleitung, damit haben wir manch Lokalverbot riskiert.“
„Wir haben das ja als Kinder gehört“, sagt Niavarani. „Ich komme immer mehr drauf, dass ich bei fast jedem zweiten Peter-Alexander-Lied mitsingen kann, und es ist schon immer eine tiefe Sehnsucht da gewesen, diese Schlager zu singen.“
Besuche bei Peter Alexander
In Peter Alexanders späten Jahren (der große Entertainer starb 2011) waren Niavarani und Gernot des Öfteren bei ihm zu Gast, wie sie erzählen: Zum gemeinsam Anekdoten erzählen, Musizieren, Plaudern und Fußball schauen. „Es hat sich zufällig ergeben, dass wir ihn kennengelernt haben“, sagt Niavarani. „Für uns war es wie ein Besuch beim Opa.“
Gernot erinnert sich: „Er war ein sehr respektvoller, wertschätzender, höflicher Mann. Keine schlechten Worte, keine Schimpfereien.“
Den Schlager bezeichnet Gernot als „unsere musikalische Schnittmenge. Ansonsten schwärmt er für persische Popmusik und für Chansons, ich mehr für Jazz und Great American Songbook“.
„Und für Wagner“, wirft Niavarani ein.
„Ja, aber da kommen wir ned z’samm“, sagt Gernot. Sie lachen.
Süße Früchte
Die Show, die die beiden Entertainer seit mehreren Jahren präsentieren, ist eine Mischung aus Gesang, Doppelconférencen und Sketches. So besingen sie „Die süßesten Früchte“, die in Peter Alexanders Schlager „nur die großen Tiere“ fressen. Niavarani bezeichnet es in der Show als einzige politische Ansage des Abends. Der Text geht weiter mit: „Die süßesten Früchte schmecken dir und mir genauso / Doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie.“
Der erste Sketch ist aber auch nicht gerade unpolitisch. Zwei Männer aus der Gegenwart treffen sich zufällig vor einem Bordell. Drinnen wird ihnen aber gar kein Sex angeboten. Die Herren werden in einer 50er-Jahre-Deko von unterwürfigen Hausfrauen verwöhnt, die ihnen die Wäsche waschen, das Bier zum Fernseher bringen und von Gleichberechtigung noch nie etwas gehört haben wollen.“
Niavarani bezeichnet es als „natürlich ironische Betrachtung des Patriarchats.“
Dazu gibt es noch klassische Sketches wie jenen im Stiegenhaus, wo sich zwei Männer, nur mit einem Handtuch bekleidet, ausgesperrt haben.
Nicht nur stimmlich, auch schauspielerisch unterstützen drei Damen aus dem Simpl-Ensemble: Katharina Dorian, Jennifer Frankl und Ariana Schirasi-Fard.
Dorian sagt: „Ich liebe die Sachen von Caterina Valente und Peter Alexander. Es gibt doch nichts Herrlicheres. Es ist einfach lieb und schön und macht sofort ein frohes Gemüt.“ Das sei auch „der Anspruch dieses Abends“, sagt Niavarani: „Wir wollen, dass das Publikum ein gutes Gefühl hat und keine Angst haben muss.“ – „Und das ist nicht bei jedem Theaterabend der Fall“, scherzt Gernot. Man habe sich bewusst „den guten alten Schlager“ vorgenommen – obwohl es auch „den guten neuen Schlager“ gebe.
„Diese Lieder werden eigentlich gar nicht mehr so als Schlager betrachtet, sondern als Symbol dieser Zeit“, sagt Niavarani. „Sie haben zwar total in diese Zeit gepasst, aber sie steigen auch über die Zeit hinweg und haben etwas Universelles. Bei den Schlagern der 50er-bei de und 60er-Jahre ist es dieses befreiende Lebensgefühl, dass man sich eben nicht Sorgen machen muss. Eine Zeile wie ,Tipitipitipso beim Calypso ist dann alles wieder gut‘ kann man jetzt kritisch als Blödsinn abstempeln. Aber man kann auch sagen: Das ist etwas, das Hoffnung macht.“
Retro-Bewegung
Ob sich nicht auch heute viele nach weniger Komplexität sehnen?
„Ich glaube schon“, sagt Schirasi-Fard, „ich sehe eine Retro-Bewegung. Es gibt viele, die sich nach der unter Anführungszeichen guten alten Zeit sehnen, sich so kleiden und sich so einrichten wollen.“
Frankl sagt: „Diese Lieder beziehen sich auf ganz klassische Basics, um glücklich zu sein. Die Liebe, das Reisen, und eine Leichtigkeit, die das mit sich bringt. In Wirklichkeit braucht der Mensch viel weniger, um glücklich zu sein, als man heute in dieser Zeit der Superlative denkt. Das bringt diese Art von Schlager zumindest für mich so ein bisschen zurück.“
"Schlageranfall" aus dem Wiener Globe (Montag, 30. Jänner, 20.15 Uhr, ORF1): Ein 90-minütiger Fernsehabend zum Mitschunkeln und Mitlachen mit Michael Niavarani, Viktor Gernot, dessen Band „Best Friends“ - Aaron Wonesch am Piano, Peter Haberfellner an der Gitarre, Thomas Faulhammer am Saxofon, Thomas Strobl am Bass und Wolfgang Fellinger am Schlagzeug - und den drei singenden und schauspielenden Damen aus dem Simpl-Ensemble, Katharina Dorian, Jennifer Frankl und Ariana Schirasi-Fard.
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