Da ist sie also, die Satire, auf die offenbar alle gewartet haben, ohne es zu wissen. Mit der Apokalypse-Farce "Don’t Look Up" hat Netflix knapp nach dem Hype um "Squid Game" schon wieder einen neuen geschafft. Mit einer mehr bitteren als bösen Abrechnung mit dem vulgären Zustand medialer Daueraufgeregtheit. Mit der Peinlichkeit dessen, was wir auf Social Media anklicken. Mit der Korruptheit der umfragegesteuerten Politik. Mit der Hohlheit der Silicon-Valley-Versprechen. Und damit, wie das alles so nebenbei die Demokratie ein bisserl kaputt macht. Also mit uns, jetzt, heute.
Happy Weltuntergang, ihr Narren.
Vorweg: Der Film ist, was ja auch ein bisschen lustig ist, auf genau jene Viralität, auf Durchsetzungskraft in der Aufmerksamkeitsökonomie getrimmt, die er von Anfang bis Ende kritisiert: Netflix bringt hier ein nahezu absurdes Staraufgebot in Stellung, weil ja jedes Kulturprodukt heute ein Ausrufezeichen braucht, um nicht zwischen Politempörung, Startratsch und gesellschaftlichen Nebensächlichkeiten unterzugehen. Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Jonah Hill, Ariana Grande in einem Film, das hätte vor wenigen Jahren noch für Schlangen an den Kinokassen gesorgt. Jetzt sorgt es für glühende Internetleitungen – und ordentlich Impact.
So ordentlich wie der Komet, um den es geht: Zwei Wissenschaftler entdecken, dass der blöderweise auf die Erde zusteuert. Und groß genug ist, das Leben hier auszulöschen. Hier geht es dann los, das gesamtgesellschaftliche Versagen, das sich fast logisch aus dem politischen und sozialmedialen Umfeld ergibt, das wir uns eingetreten haben.
Denn die eilig informierte Präsidentin (Streep) findet, die schlechte Stimmung, die so ein Weltuntergang mit sich bringt, passt gar nicht zu ihrer bevorstehenden Wahl (war da nicht was mit Pandemie und Landtagswahl in Österreich?).
Die Social-Media-User wiederum finden, dass Kometenentdeckerin Kate Dibiasky (Lawrence) ein bisserl sehr blöd dreinschaut, wenn sie vor dem Weltuntergang warnt; dass aber Professor Mindy (DiCaprio) umso fescher ist. Er darf deshalb durch die Talkshows wandern, wo seine Apokalypse-Message so lange weggelächelt wird, bis alle ihren Morgenkaffee ausgetrunken haben.
Sie wiederum wird auf den Sozialen Medien kleingehackt.
Die ablenkungsfreudige Öffentlichkeit interessiert ohnehin mehr der Beziehungsstatus eines Popsternchens (Grande) oder die Softpornovergangenheit eines potenziellen Höchstrichters als die Tatsache, dass bald die Welt untergeht und man da vielleicht was unternehmen sollte. Und der Wissenschaft glaubt man eh nur, wenn es einem in den Kram passt.
Zu echt
Das alles hat so viel Wahrheit, dass es als Film von der Realität nur durch Überdrehtheit abgehoben werden kann: Es gibt also einen rassistischen Piloten (Ron Perlman), der aber leider die Welt nicht retten darf, weil das vielleicht doch zu wenig Gewinn bringt.
Die Präsidentin ist eh nur Befehlsempfängerin der Geldhaber, die Rednecks glauben ihr alles, auch dass es gar keinen Kometen gibt, obwohl der längst am Himmel steht ("Schaut nicht rauf"), bis ihnen dieser Himmel – diesmal wirklich – auf den Kopf fällt.
Selbst den eigenen Augen traut man nicht, wenn die eigene Partei sagt, dass das, was man sieht, nur ein Schachzug der politischen Gegner ist. Man wünschte, man könnte sagen, dass irgendwas daran unrealistisch ist.
Es ist dies alles nah am Echten gebaut, und auch ohne Komet dem Untergang geweiht.
Der Film jedoch ist auf Hitstatus getrimmt: "Don’t Look Up" zieht online ordentliche Runden, unter anderem, weil jeder etwas darin findet, das er eh schon lange über die heutige Gesellschaft sagen wollte.
Der Film ist damit weniger unterhaltsam als scharfkantig, ein filmgewordenes Reibeisen, das weiter aufraut, was eh schon wund ist: Es bleibt einem über die Politisierung von Wissenschaft, den Dauer-Mob im Internet, die Widerwärtigkeit der Politik das Lachen im Halse stecken. Und es verkeilt sich dort, nicht zuletzt, weil hier allzu sehr aufs Gas gestiegen wird. So genau wollten wir auch nicht wissen, wie es um uns steht.
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