Neue Amazon-Comedyshow: „Das ist das Line-up of Hell“
Karl Lauterbach ist überrascht. Im Backstagebereich der neuen Show „One Mic Stand“ fragt er Comedian Hazel Brugger: „Und ich bin dann dein Sidekick?“
Brugger: „Nein, du bist der Main Act.“
Wenige Minuten später steht der SPD-Politiker (mittlerweile Gesundheitsminister) im flirrenden Scheinwerferlicht und wird bejubelt wie ein, ja, Comedystar. Sein Eröffnungsgag: „Ich bin die Person, die Ihnen jetzt eineinhalb Jahre lang alles verboten hat, was Spaß macht. Ich bin daher wie Ihre Mutter, nur ohne das gute Essen.“
Brugger bezeichnet er als seine „Lehrmeisterin im Comedygewerbe“. Denn das Konzept der fünfteiligen Serie auf Prime Video sieht vor, dass Spitzencomedians Prominente aus anderen Sparten so weit coachen, dass sie mit einem Mikro auf einer Comedybühne bestehen können.
Hardcore
Einer der Coaches ist Michael Mittermeier. Er arbeitete mit Tänzerin und „Let’s Dance“-Jurorin Motsi Mabuse. „Die Basis war einfach“, sagt er im Interview. „Sie hat ihre Geschichten erzählt. Zum Beispiel von Südafrika aus in die deutsche Provinz zu kommen und zu sagen: Ich tanze mich hier nach ganz oben. Wir haben uns dann überlegt, wie man daraus Nummern machen könnte. Mir war wichtig, dass das von Motsi kommt.“
Zuerst muss sich Mabuse auf einem Bühnenwagen vor Zoobesuchern bewähren. Bei diesen zünden ihre Pointen nicht. „Das war schon Hardcore“, sagt Mittermeier. „Wenn du das stehen kannst, dann lernst du so viel. Du musst mal diese Härte durchmachen. Ich dachte schon, dass die ein bisschen Stimmung machen. Das war aber ganz und gar kein Selbstläufer. Die waren echt gnadenlos.“
Weswegen sein Schützling dann auch beim großen Auftritt „wirklich extrem aufgeregt“ gewesen sei, berichtet der Comedy-Profi. „Obwohl sie ein Star ist, und auch in England vor Millionen Fernsehzuschauern spricht. Aber es ist halt doch anders, wenn du Stand-up machst. Und davor hatte sie Ehrfurcht wie alle anderen auch“. Er sei „natürlich auch mega aufgeregt“ gewesen, sagt er. „Tief in mir drin dachte ich: Die macht das schon. Aber dass sie da so abgezockt ist auf der Bühne … Die steht da oben, als ob sie schon 50 Stand-ups gemacht hat. Aber es gab davor keinen, außer dem in dem tollen Wagen vor den Menschen, die vor Tieren standen.“
Ebenso null Comedy-Erfahrung hatte das Victoria’s-Secret-Model Lorena Rae. Sie stellte sich der Herausforderung und wurde dabei von Torsten Sträter begleitet. Spätestens seit seinem Sieg bei „LOL – Last One Laughing“ (ebenfalls Prime Video) ist der Comedian als abgebrühter Typ bekannt, der schwer aus der Fassung zu bringen ist.
Vor Raes Auftritt sei er aber „vollkommen fertig mit der Welt“ gewesen. „Ich selbst würde mich in so einer Situation ja viel mehr blamieren. Ich habe zwar kein Problem mit Blamagen, aber das muss ja nicht unbedingt in so einer supertollen Produktion sein. Und dann saß auch noch Teddy (Moderator Tedros Teclebrhan, Anm.) neben mir und hat mich ein bisschen liebevoll aufgezogen. Da war ich mit den Nerven am Ende.“
Was sich aber schlagartig änderte. Sträter erzählt: „Und dann kam sie auf die Bühne und ich wusste innerhalb von einer Minute: Die peitscht das brutal durch. Das sind diese Profis. Ich glaube, wenn man zu ihr gesagt hätte: ’In drei Tagen musst du wissen, wie man Laminat verlegt’, auch das hätte sie hingekriegt.“
KURIER: Sie hatten es bei „One Mic Stand“ mit Motsi Mabuse zu tun. War das für Sie ein schwerer Fall?
Michael Mittermeier: Wenn sich jemand so wie Motsi mit Leib und Seele da reinwirft, dann ist es nicht schwer. Wir haben viel gemacht, viel gearbeitet. Es ist nicht so, dass du, wenn du gut tanzen und reden kannst, auch gut Stand-up kannst. Das gilt auch für mich umgekehrt beim Tanzen. Aber es war ein toller Weg.
Sie meinte, sie ist zwar quasi das Rampenlicht gewöhnt und auch die Kameras, aber das Reden vor Kameras ist schon schwieriger. Wie haben Sie das geschafft, sie da zu öffnen?
Sie war wirklich extrem aufgeregt. Obwohl sie ein Star bei „Let's Dance“ ist, und auch in England vor Millionen an Fernsehzuschauern spricht. Aber es ist halt doch anders, wenn du Stand-up machst. Und davor hatte sie Ehrfurcht wie alle anderen auch. Alle dachten: „Mein Gott, was ist denn, wenn ich das versemmle? Weil das sieht man dann ja." - Ja, das sieht man dann. Und ich finde es interessant, dass das so eine Herausforderung für die Leute ist.
Ihr erster Auftritt in diesem Comedy-Wagen kommt ja nicht so gut an. Wie ist dieser Kontrast zur Show zu erklären? Was ist da inzwischen passiert?
Die Geschichte mit dem Bühnenwagen im Zoo, das war schon Hardcore. Wenn du das stehen kannst, dann lernst du so viel. Du musst mal diese Härte durchmachen, dann ist für dich nachher das, was nicht ganz so hart ist - vor einem Publikum aufzutreten, das gerne lachen will - etwas leichter. Ich dachte schon, dass die ein bisschen Stimmung machen, weil sie Motsi und mich kannten. Das war aber ganz und gar kein Selbstläufer. Die waren echt gnadenlos.
Sie sagen in der Show: Rohrkrepierer gehören dazu. Hatten Sie in der Anfangszeit auch solche Rohrkrepierer, die aber geholfen haben?
Die hat man immer, auch heute noch. Also ich war neulich in Berlin unterwegs auf zwei Open Mics und dann ist an einer Stelle, wo du vielleicht schon zehn Mal Lacher hattest, plötzlich nichts. Wichtig ist, dass du dich dann nicht wunderst: Mein Gott, was ist los? Sondern: Dann ist es halt so und du machst die Pause, als ob ein Lacher wäre. Und dann legst du noch einen drauf. Wenn du hektisch wirst, dann kannst Du es vergessen. Das lernt man mit den Jahren.
Sie sagen über Stand-up-Comedy: Es geht nicht darum, was man sagen soll, sondern was man sagen will. Wie haben Sie das mit Motsi erarbeitet? Oder hat sich das organisch ergeben, was sie sagen wollte?
Die Basis war einfach: Wir haben gequatscht, und sie hat uns ihre Geschichten erzählt. Zum Beispiel von Südafrika aus in die deutsche Provinz zu kommen und zu sagen: Ich tanze mich hier nach ganz oben. Wir haben uns dann überlegt, wie man daraus Nummern machen könnte. Mir war wichtig, dass das von Motsi kommt.
Sie kommt vom Tanzen und das Körperliche funktioniert natürlich auch gut. War das ein Vorteil, den sie einfach hat?
Ich denke schon, dass das ein Vorteil ist, wenn du mal einfach so einen Move machen kannst. Am Schluss hat sie dann improvisiert und sich großartig bewegt. Aber es kann auch eine Crux sein. Wenn jemand nur versucht, das wegzutänzeln, dann kippt der ganze Stand-up. Aber die Mischung war dann großartig. Sie hat natürlich eine tolle Körpersprache und damit kannst du Humor auch anders transportieren.
Motsi macht einen Wortwitz mit aufmotzen, sagt: „Der war schlecht“ und kassiert dadurch einen großen Lacher.
Ja, aber spontan! Sie hat gemerkt: Es kam kein Lacher. Und dann hat sie den spontan reingemacht. Ich habe auch beim Coaching immer gesagt: Motsi, wenn die Leute nicht lachen, lass niemand das spüren, sondern lächle oder dreh’s um. Immer eher nach vorne gehen. Und das hat sie an dieser Stelle grandios umgesetzt. Wir wussten alle, dass das kein Wortspiel ist, wofür wir den Grimme Preis bekommen. Aber das musste rein, weil es von ihr gekommen ist. Ich mochte den Zugang, an dieser Stelle so etwas ganz Läppisches, Lustiges zu machen.
Waren Sie selbst aufgeregt, unmittelbar vor Motsis Auftritt?
Ich war natürlich auch mega aufgeregt, aber tief in mir drin dachte ich mir: Die macht das schon. Wie gut es dann ist, da gibt es natürlich immer Abstufungen. Aber dass sie da so abgezockt ist auf der Bühne … Die steht da oben, als ob sie schon 50 Stand-ups gemacht hat. Aber es gab davor keinen, außer dem in dem tollen Wagen vor den Menschen, die vor Tieren standen.
Was halten Sie generell davon, dass Streamer immer mehr die Comedy entdecken, aber eben nicht nur Programme abspielen, sondern auch Formate entwickeln, die man noch nicht so kannte?
Ich finde es großartig, weil dieses Format so einfach wie gut ist. Und so gut wie einfach. Und Prime Video hat gesagt: Wir setzen es jetzt mal richtig groß um. Die Besetzung ist wirklich flawless. Also nimm uns fünf Comedians, ich werfe mich mal ganz selbstbewusst mit rein, aber Torsten, Hazel, Teddy, Harald Schmidt. Ich mein: What the Crack? Das ist das Line up of Hell. Es geht nicht besser. Und ich glaube, da steckt noch ganz viel drin in dem Format, ganz viele tolle Paarungen. Ich glaube, die Leute werden großen Spaß dran haben.
Sie sind jetzt noch mit „Zapped!“ unterwegs. Wie hat sich die Fernsehwelt in diesen 25 Jahren verändert und wie hat sich das auf das Programm ausgewirkt?
Ich habe ja gesagt, ich bin ein TV Junkie. Und wenn du's in Drogen ummünzen würdest, dann war damals Fernsehen wie Kiffen. Heute ist es mehr Crystal Meth. Also bei „Love Island“ heißen die Frauen glaub ich sogar Crystal, und die Männer Meth, und dann wird gepoppt und dann gewinnen die. Es ist viel passiert zwischen Lassie und dem Bachelor - also nicht zwischen den beiden, aber in dieser Zeitspanne -, und dem trage ich jetzt Rechnung. Es hat großen Spaß gemacht, das noch mal aufgepimpt zu spielen, aber jetzt zappe ich erst wieder zum 50. Jubiläum (lacht) Ab September gibt's ein komplett neues Programm, an dem ich gerade arbeite und was sicherlich mein persönlichstes wird. Es heißt #13. Es sollte ursprünglich mein 13. Programm werden, aber während Corona habe ich einfach mal zwei dazwischengeschoben und so ist #13 eigentlich mein 15. Programm. Im Oktober und November bin ich damit auch in Österreich unterwegs.
Sie gehen immer wieder in Open Mic Clubs. Was gefällt Ihnen daran?
Zu meiner Anfangszeit gab es das noch überhaupt nicht. Mittlerweile gibt es in Berlin eine unfassbar geile Open-Mic-Szene, auch in Wien, das hat sich in den letzten 5 bis 10 Jahren entwickelt. Ich habe dann angefangen, dort auch zu spielen, weil du Sachen ausprobieren kannst, weil du Kollegen triffst, neue Leute siehst. In den Open Mic Clubs siehst du die, für die du zwei Jahre später viel Geld in der Arena bezahlen musst. Also, Freunde, geht da hin!
Schlagen Sie dort überraschend auf oder teilweise auch angekündigt?
Mal so, mal so, teilweise überraschend. Ich glaube vor dem Auftritt gestern hab ich ein paar Tage vorher gesagt: Ich würde gern kommen. Das läuft ja dann eh über Insta - und für die Alten auf Facebook. (Lacht)
Und wie fühlt sich das dann an?
Ich muss sagen, das ist eines der schönsten Dinge, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Da stehen junge, 20-jährige Comedians und sagen: Du bist mein Held. Und ich so: Ich bin eigentlich zu alt, um dein Held zu sein. Und er: Nein, ich war zehn, als mein Vater mir die „Zapped“-CD gegeben hat. Es ist total schräg für mich, dass die sagen: Du bist einer der wenigen Standupper, denn wir im Kopf hatten, als wir angefangen haben. Und das ist toll.
Sie gehen bei Ihren Liveshows gerne ein auf Sachen, die gerade in Österreich passieren und wirken gut informiert …
Ich entscheide das immer sehr kurz vorher. Da frage ich: Hey, was ist gerade wieder passiert? Und wer hat grad mit wem? Wer ist zurückgetreten? Wer ist zurückgetreten, aber ist noch da, weil er nur zurücktritt, weil er wieder kommen will? Und: Es ist IMMER was passiert. (Lacht) Ich glaube, meine besten Wiener Auftritte ever waren in der Woche, nachdem Ibiza aufgedeckt wurde. Ich habe fünf Tage im Globe gespielt. Bis das Programm begonnen hat, war eine Dreiviertelstunde vorbei. Das gehört zu den schönsten Dingen, die ich je gemacht habe. Ich lass mich da gerne drauf ein. Gewisse Infos habe ich natürlich im Kopf und ich bin neben den deutschen Serien sowieso mit Ösi-Fernsehen aufgewachsen, mit „Kottan“ genauso wie mit „Ein echter Wiener geht nicht unter“. Das habe ich natürlich drin, das kriegst du nicht raus.
Sie zeigen immer wieder auch auf Social Media, dass sie es sehr genießen, wieder auf der Bühne zu stehen.
Ich genieße es sehr und habe in den vergangenen zwei Jahren jede Form gespielt, die man spielen konnte, weil ich das als meine Challenge und meine Pflicht sah. Du kannst ja nicht sagen: Nur, weil ich keine großen Auftrittsmöglichkeiten habe, spiel ich jetzt gar nix. Ich hab vor Autos gespielt, vor Strandkörben, vor Leuten, die auf Decken lagen. Und es war großartig. Die Menschen, die kamen, haben Liebe gezeigt, und um das geht’s.
Nackt
Die 28-Jährige sagt selbst: „Ich bin es ja gewohnt, halbnackt auf Unterwäsche-Shows aufzutreten, mich aber auf diese Art und Weise nackig zu machen bin ich nicht gewohnt. Es geht ja wirklich darum, viel von sich persönlich preiszugeben. Und das war eine ganz andere Aufregung. Aber ich muss sagen, ich bin sehr froh, dass ich es gemacht habe, und ich würde es immer wieder machen.“
Bei ihrem Stand-up spricht sie auch unangenehme Dinge an, wenn Männer etwa „Dick Pics“ an Frauen verschicken. Rae sagt dazu: „Frauen, die es betrifft, haben oft nicht die Möglichkeit, das öffentlich anzusprechen, oder sie trauen sich nicht. Und wenn man sich über solche Männer lustig macht und mit einem ernsten Unterton sagt: ’Hey Leute, das ist total uncool!`, dann ist es vielleicht für andere Frauen einfacher zu sagen: Ja, stimmt.“
Dass Streamingportale wie Amazon ihr Geld in neue Comedy-Formate investieren – „One Mic Stand“ kommt ursprünglich aus Indien – findet Sträter „total super“, „ich bin mir sicher, dass Loriot, würde er noch leben, ebenfalls auf Netflix oder Amazon unterwegs wäre, um da ungestört in epischer Länge ohne Unterbrechung durch Werbespots seine Sachen zu machen“, das bringe „kreativen Freiraum“.
Mittermeier zeigt sich ebenso begeistert, vor allem vom Coachingteam, das von Harald Schmidt und Teddy Teclebrhan komplettiert wird: „Ich mein’: What the Crack? Das ist das Line-up of Hell! Und da steckt noch ganz viel drin in dem Format, viele tolle Paarungen. Ich glaube, die Leute werden großen Spaß dran haben.“
KURIER: Was haben Sie sich gedacht, als klar war, dass Sie für „One Mic Stand“ ein Model coachen sollen?
Torsten Sträter: Ich konnte mir das tatsächlich ein bisschen aussuchen. Und Lorena war schon die Kandidatin meiner Wahl. Natürlich sind mir die üblichen bescheuerten Klischees eingefallen. Ich wünschte, ich könnte sofort sagen: „Natürlich war mir von vornherein klar, dass es ein kluges Mädchen ist.“ Aber dass sie so schlagfertig ist und so ein bisschen schlauer als man selber, und größer, jünger und besser ausgebildet, das war ein harter Schlag, aber mir hat es viel Spaß gemacht.
Dachten Sie auch, dass man mit Klischees gut arbeiten kann, wenn man sie quasi hinterläuft?
Ich wollte versuchen, sie möglichst zu umschiffen. Weil Klischees sind ja immer die low hanging fruits: Das dumme Model und dergleichen Dinge mehr, Unterwäsche, Pobacken und Altherrensprüche. Da bin ich ziemlich gut drum herum gekommen und habe ich mir deswegen schon mehrfach im stillen Kämmerlein auf die Schulter geklopft. Wir haben wenig Klischees verarbeitet, aber es gibt trotzdem vieles aus der Modelwelt zu sehen, das ist unumgänglich.
Es kamen ja bei der ersten Probe von Lorena auch einige Schenkelklopfer vor. Da haben Sie sich das Lachen verkniffen, was ja seit „LOL" eine Kernkompetenz von Ihnen ist …
„LOL“ war richtig schwer, fand ich. Das hat was mit mir gemacht. Also das heilt erst langsam wieder. Was habe ich mir nur dabei gedacht, da mal sechs Stunden nicht zu lachen? Eigentlich schlimm. Von außen ist das wirklich amüsant zu betrachten, in der Innenansicht aber eine absolute Quälerei, ganz schlimm!
Bei „One Mic Stand“ haben Sie ja auch mit dieser Rolle gespielt, dass Sie schwer zum Lachen zu bringen sind …
Ja, wir haben ausprobiert, dass Lorena versucht, mich zum Lachen zu bringen. Das hat dann nicht zwingend funktioniert. Aber wenn es irgendwann zu dumm wird, dann kann ich auch kippen. Dann klappe ich zusammen und kann nach Hause gehen, vor allem, wenn es richtig albern wird. Aber Gott sei Dank ging es ja diesmal nicht darum, ob ich lache oder nicht.
Wenn der Damm einmal gebrochen ist, dann kennen Sie kein Halten mehr?
Ja, wer jemals einen Lachanfall auf einer Beerdigung gekriegt hat, der weiß, wie absurd schlimm das ist und wie befreiend und wie gut. Man sollte immer einen Idioten auf einer Beerdigung dabei haben, der sich ausschüttet vor Lachen, das würde die Situation enorm entspannen. Bei „Last One Laughing“ wollte ich der nicht sein, das hat dann ja auch funktioniert.
Wollten Sie bei „One Mic Stand“ Lorena richtig fordern oder haben Sie gleich gesehen, dass da richtig Potenzial vorhanden ist?
Also in der Szene, wo man sieht, wie ich Lorena kennenlerne, da sitzen wir uns tatsächlich zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Mich interessiert immer: Wie ist der Wortschatz von Leuten aufgebaut? Arbeiten sie nur mit den üblichen 8.000 bis 12.000 Wörtern oder mit mehr? Ist es businesseingefärbt, haben sich da irgendwelche Anglizismen eingeschlichen? Ich schau mir an, wie die Leute sprechen und wie sie auf verschiedene Flapsigkeiten reagieren. Und dann hat man schon ein gutes Bild. Irgendwann muss man dann besprechen: Worüber möchte sie auf der Bühne reden? Das ist ja viel wichtiger.
In einer anderen Folge sagt Michael Mittermeier, es gehe darum: Was will ich sagen? und nicht: Was soll ich sagen?
Das ist genau der Kern des Stand ups. Wichtig ist auch: Was will ich alles nicht sagen? Es ist ganz gut, wenn man das mal festlegt. Nicht Tabuthemen, aber Themen, die mich nicht interessieren, die mit mir nichts zu tun haben. Also ich war sehr zufrieden damit, was wir mit Lorena in den Topf geschüttet haben, und welche Themen wir abgefrühstückt haben.
Wie ging es Ihnen vor dem Auftritt von Lorena? Waren Sie da auch ein bisschen aufgeregt?
Ich war vollkommen fertig mit der Welt! Ich selbst würde mich in so einer Situation ja viel mehr blamieren. Ich habe zwar kein Problem mit Blamagen, aber das muss ja nicht unbedingt in so einer supertollen Produktion sein. Blamieren kann ich mich auch zu Hause oder im Zug. Und dann saß auch noch Teddy neben mir und hat mich ein bisschen liebevoll aufgezogen. Da war ich mit den Nerven komplett am Ende. Und dann kam sie auf die Bühne und ich wusste innerhalb von einer Minute: Die peitscht das brutal durch. Das sind diese Profis. Ich glaube, wenn man zu ihr gesagt hätte: „In drei Tagen musst du wissen, wie man Laminat verlegt“, auch das hätte sie hingekriegt. Das ist halt ein Arbeitsethos, der Menschen wie uns fremd ist. Sie hat sich da so extrem reingekniet, dass ich selber gar nicht untergekommen bin mit Hinweisen, was wir noch probieren könnten. Sie ist schon stark. Lorena bedient kein Modelklischee, außer, dass sie wie eins aussieht.
Haben Sie sie bewusst auch nach negativen Erfahrungen gefragt, die sie dann angesprochen hat, oder kam das von ihr?
Das kam von ihr. Ich persönlich liebe ja Stand-ups, in denen sich Leute sinnlos über Dinge aufregen, oder auch sinnvoll. Ich liebe es, wenn so eine kathartische Wirkung entfaltet wird, diese absolute Triebabfuhr zu irgendwelchen Themen. Und in diesem Fall ging es um Dick pics. Sie hat ja eigentlich viel länger darüber gesprochen, zum Beispiel über ein Panini-Sammelalbum mit Penissen der Welt. Das ist leider rausgefallen, weil es eine Familiensendung ist. Diese unverlangt zugeschickten Penisbilder sind natürlich echt ein Problem, das Überhand nimmt. Würde jemand zu Hause klingeln und sagen: Wollen Sie meinen Penis sehen? Dann würde man einfach die Polizei rufen. Aber in Zeiten des Internets werden alle attraktiven Menschen scheinbar damit überschüttet. Und das anzusprechen vor einem großen Publikum, ist schon mal ganz gut.
Am Anfang kochen Sie einen Eierpunsch …
Das ist jetzt aber ein völlig abrupter Themenwechsel. Wollen Sie wirklich wissen, wie es war?
Alkohol spielt in der gesamten Folge immer wieder eine Rolle …
Ja, das stimmt. Das hat sich aber auch so ergeben. Ich bin froh darüber, dass wir das nicht so zu Tode gescriptet haben. Es ging einfach darum, dass wir versucht haben, so einen kleinen Beruhigungsschnaps zu besorgen. Das wurde immer schwieriger und es waren immer schlimmere Schnäpse. Das war ein winzig kleiner Running Gag, der nichts bedeutet. Dass ich in dem kleinen Film am Anfang Eierpunsch mache, würde ich auch nicht groß hinterfragen. Ich hab da was im Stile der 80er Jahre Actionfilme geschrieben, dass ich mich in eine Blockhütte zurückgezogen habe, wie Stallone, der den Vorsatz hat, keinen Scheiß mehr für Großkonzerne zu machen. Amazon war vernarrt in die Idee, also haben wir das einfach gedreht.
Wie finden Sie es, dass Amazon und andere Streamer die Comedy entdecken und frische Formate entwickelt?
Ich bin ja ein großer Comedy-Freund und ich bin mir sicher, dass Loriot, würde er noch leben, ebenfalls auf Netflix oder Amazon unterwegs wäre, um da ungestört in epischer Länge ohne Unterbrechung durch Werbespots und ohne lächerliche Sendezeiten wie 4:30 seine Sachen zu machen. Dass Streamingdienste das entdecken, finde ich total super, weil das ja auch einen kreativen Freiraum ergibt. Die nehmen richtig Geld in die Hand, um das liebevoll und ein bisschen aufwendiger zu gestalten. Ich bin selber auch ein Streamingwahnsinniger, ich arbeite mich von links nach rechts quer durch jeden Streaminganbieter. Es wundert mich, dass die anderen das noch nicht so für sich entdeckt haben, aber was Amazon da macht, finde ich schon stark.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Lorena mehr davon macht?
Das Problem ist, dass Lorena etwa vier europäische Hauptstädte am Tag bereist und deswegen wenig Zeit hat für so was. Andererseits, wenn man sieht, wie Lorena sich präsentiert und wie sie Material rüberbringt, könnte ich mir schon vorstellen, dass sie nun mit Anfragen zu Moderationen oder dergleichen Dinge geflutet wird. Denken Sie an meine Worte!
Wir hoffen, Sie schauen mal wieder in Österreich vorbei …
Ja, gerne. Also, die zwei Tage Wien im letzten Jahr waren mein Jahresurlaub. Das Globe ist das beste Theater Europas. Immer wieder gerne.
Danke fürs Gespräch!
Küss’ die Hand. Wir sehen uns entweder in Österreich oder wir sprechen noch mal, wenn ich angekommen bin bei "Das Promi Dinner“.
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