Netflix-Serie "Crooks": "Befreiend, wenn Böse eine in die Fresse bekommen"
Es beginnt mit einem Raub in einem Berliner Museum. Eine millionenschwere Münze sorgt in der neuen Netflix-Serie „Crooks“ dafür, dass sich mehrere Banden quer durch Europa bekriegen. Zwei, die da gar nicht mitmischen wollten, werden hineingezogen: Der Berliner Ex-Safeknacker Charly (Frederick Lau), der sich auf den geruhsameren Schlüsseldienst verlegt hatte, und der Wiener Unterwelt-Taxler Joseph (Christoph Krutzler). Autor und Regisseur Marvin Kren orientierte sich dabei an klassischen Buddy Movies. „Das Genre war mir ganz wichtig“, sagt er im Gespräch. „Es ist ja eine sehr düstere Welt, in die man da eintaucht. Und die Freundschaft trägt einen hoffentlich durch die acht Folgen. Man braucht es als Zuseher, dass man Kraft tankt mit den beiden Figuren.“
Charly und Joseph treffen einander bei einem Coup in Berlin und kreuzen die Wege eines arabischen und eines serbischen Clans. Die gestohlene Münze fällt zwar in die Hände von Charly, doch der Coup geht schief und als ein Mitglied der Al Walids getötet wird, bleibt dem ungleichen Duo nur die Flucht – über Wien, Kemeten (Krutzlers Heimatort im Südburgenland), Genua bis Marseille. Dabei geht es recht blutig zu, manche Szenen erinnern wiederum an Action-Komödien. Oder: „Bud Spencer und Terence Hill als Film noir“ – so beschrieb Kren anfangs Krutzler das Grundkonzept.
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Bud Spencer & Co.
„Wenn man jemand Barocken wie den Krutzler holt und jemand Schlanken wie Freddy Lau, liegt der Vergleich fast auf der Hand“, sagt Kren. „Ich wollte jedenfalls diesen Spaß an einer gewissen kindlichen Brutalität drin haben, den viele von uns teilen, die mit Bud Spencer, Terence Hill oder mit ,Kung Fu' aufgewachsen sind.. Es hat ja auch was Befreiendes und Euphorisierendes, wenn böse Leute eine in die Fresse bekommen.“ (lacht)
Anleihen für diese „Bromance“ nahm Kren bei Claude Sautets Film noir „Der Panther wird gehetzt“ (1960) mit Jean-Paul Belmondo und Lino Ventura, den er sich im Corona-Lockdown reingezogen habe. „Ich war richtig ergriffen von dieser puren Männerfreundschaft in einer wirklich bösen Welt. Da dachte ich mir, ich nehme Mitglieder aus meiner Filmfamilie, um mit denen auf Reisen zu gehen.“
Filmfamilie
Zur "Filmfamilie" gehören hier Svenja Jung, Georg Friedrich, Brigitte Kren, Lukas Watzl – und nach „Freud“ erneut der Wiener Theatermacher Karl Welunschek, der den „Roten“, einen Wiener Strizzi, spielt. „Ein Gangster ist eigentlich eine traurige Figur. Leute, die eine wilde Kindheit hatten, passen da gut“, sagt Kren, der Welunschek von klein auf kannte. „Er hat ein tolles Casting hingelegt, dabei war er gar kein Schauspieler. Das hat Netflix dermaßen überzeugt, dass sie sagten: Der ist es!“ Welunschek konnte das Produkt vor seinem Tod im April 2023 nicht mehr sehen. Das sei „sehr traurig“ gewesen, sagt Kren. „Frederick hat etwas sehr Schönes zu mir gesagt: Es ist nicht wichtig, dass er es sieht, er hat es ja gespielt.“
Obwohl es sich um eine deutsche Großproduktion handelt, ist Österreich erstaunlich präsent: in Handlungsanteil, Schauplätzen und auch sprachlich. Den Darstellern wurde recht freie Hand gelassen bei der Wahl der Schimpfwörter. „He, du Beidl“, sagt Joseph einmal.
Für den deutschen Markt sei nur sachte nachsynchronisiert worden. „Aber ich bin froh, dass wir es gemacht haben“, sagt Kren, „weil uns das bei ,Der weiße Kobold‘ und bei ,Freud‘ richtig um die Ohren geflogen ist. Die Zuschauerreaktionen aus Deutschland waren komplex." (lacht)
Tatsächlich gedreht wurde allerdings hierzulande kaum: Da das neue Filmanreizmodell, das seit dem Vorjahr viele Drehs nach Österreich lotste, im Jahr 2022 noch nicht existierte, wurde zum Beispiel Kemeten in Brandenburg dargestellt.
Geläuterter Gangster
Charlys Familie findet in Marseille Unterschlupf bei Rami, gespielt von „4 Blocks“-Star Kida Khodr Ramadan. Der Schauspieler geriet zuletzt in die Kritik, ihm wurde auch. in der NDR-Doku „Gegen das Schweigen“ u.a. cholerisches Verhalten vorgeworfen. Ramadan räumte dies selber ein, entschuldigte sich.
In „Crooks“ wirkt Ramadans Figur ebenso geläutert. „Ja, das passt ganz gut zur Realität“, sagt Kren, „aber das wirkt nur rückwirkend so. Viele der Figuren sind einfach gebrochen, keiner steht in der Story astrein da.“
Die Berichte über Machtausübung hält er „auf jeden Fall für etwas sehr Wichtiges und Richtiges. Es ist das Immunsystem des Filmwesens und Kunstschaffens, also ein enorm wichtiger Prozess, der wachrüttelt und aufrührt.“
"Bubenfilme" auch für Frauen
Dass „Crooks“ etwas von einem Bubenfilm habe, gibt Kren zu. „Aber auch Frauen dürfen Bubenfilme gefallen. Mir war wichtig, dass Frauen bei mir nicht schwach oder blöd daherkommen.“ Daher nimmt eine Frau eine Schlüsselrolle ein: Virginie Peignien als bedrohliche Gangsterkönigin Griselda Delacroix.
"Es geht immer um die Cliffhanger"
Das gesamte Interview mit Marvin Kren
KURIER: Wie lange geistert diese Idee bei Ihnen herum? Und wie ist der Wunsch entstanden, so eine Verbrecherstory im großen Stil zu machen?
Marvin Kren: “Freud” ist in die ersten Corona-Lockdown-Tage hineingeschlittert. Ich habe diese Zeit schnell dazu genutzt, um mir Gedanken zu machen: Was sollte die nächste Geschichte werden? Und ich wollte wieder zurück ins Gangstergenre. Ich hab mir viele alte Filme aus Frankreich und allgemein aus Europa reingezogen. Und da fiel mir der Film "Der Panther wird gehetzt" von Claude Sautet in die Hände, eine Story vom Ende der 1960er Jahre mit Jean Paul Belmondo und Lino Ventura. Die spielen zwei Ganoven, die sich gar nicht kennen, aber zu Freunden werden und in ein Roadmovie zwischen Italien und Frankreich schlittern, der Küste entlang. Ich war richtig ergriffen von dieser puren und ehrlichen Männerfreundschaft, in einer wirklich bösen Welt. Das einzig Schöne an diesem düsteren, traurigen Film war diese Freundschaft. Und da dachte ich mir, ich nehme Mitglieder aus meiner Filmfamilie, um mit denen auf Reisen zu gehen. Und da war die Idee eines Taxifahrers, einem Chauffeur, der für ein Syndikat arbeitet. Ein kleines Licht, das man unterschätzt. Und dann wollt ich die Geschichte von einem Dieb erzählen. Gemeinsam mit meinen Kollegen – die Co-Creators Benjamin Hessler und Georg Lippert – habe ich beschlossen: Okay, die beiden schicken wir jetzt auf ein atemloses Roadmovie bis nach Marseille, wo meine Inspiration hergekommen ist.
Christoph Krutzler meinte, Sie hätten gesagt: Stellt euch das vor, als Bud Spencer und Terence Hill, als Film noir...
Wenn man so jemanden Barocken wie den Krutzler holt und jemand Schlanken wie den Frederick Lau, dann liegt der Vergleich fast auf der Hand. Und ich wollte auf jeden Fall auch diesen Spaß an einer gewissen kindlichen Brutalität drin haben, den ja viele von uns teilen, die mit Bud Spencer und Terence Hill oder mit Kung-Fu aufgewachsen sind. Es sollte auch eine schöner Kampfserie sein. Es hat ja auch was Befreiendes und was Euphorisierendes, wenn böse Leute eine in die Fresse bekommen. (lacht)
Es ist ein Buddy Movie und ein Road Movie ...
Das Genre Buddy Movie war mir ganz wichtig. Es ist ja eine sehr düstere, auch sehr schwere Welt, in die man da eintaucht. Und die Freundschaft trägt einen hoffentlich durch die acht Folgen. Man braucht das auch als Zuseher, dass man sich da abgeholt fühlt und dass man Kraft tankt mit den beiden Figuren und mit denen mitgeht.
Es ist erstaunlich, wie viel Österreich enthalten ist - in Sprache, Handlungsanteil und auch in der Musik. War Netflix da leicht zu überreden? Die neue Filmförderung aus Österreich gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.
Nein, die haben das total umarmt. Die lieben das. Es gibt schon einen gewissen Sättigungsgrad an deutschen Lebenswelten im Film. Daher gibt es ein sehr großes Interesse daran, Österreich filmisch zu entdecken. Obwohl es immer eine Herausforderung ist, den deutschen Zusehern den österreichischen Dialekt schmackhaft zu machen, weil es zu einem gewissen Grad eine Abwehrhaltung gibt, wenn es zu viel wird. Das heißt, in Deutschland gibt es tatsächlich eine deutsche Synchronfassung. In Österreich wird die Originalfassung gezeigt, in Deutschland gibt es eine abgemilderte Version, damit die Zuschauer dem Dialekt besser folgen können.
Wie stark wurde da eingegriffen?
Möglichst behutsam. Aber ich bin froh, dass wir es gemacht haben, weil uns das bei "Der weiße Kobold" und bei „Freud" richtig um die Ohren geflogen ist. Die Zuschauerreaktionen aus Deutschland waren komplex. (lacht)
Die Sprache in "Crooks" ist extrem, zum Teil vulgär. Was wurde da angepasst?
Na ja, so Wörter wie "Buffn", "Duttln" hat man ausgetauscht, manche Dialekte wurden einfach deutlicher ausgesprochen, mit mehr Stimme.
Das Hotel Orient wurde noch viel verruchter dargestellt. Hier beherbergt es ein Gangstermilieu.
Nach "4 Blocks" hatte sich recht viel Wissen über die Berliner Unterwelt angesammelt. Die Herausforderung war, das in Wien zu erzählen. Diese kultige Wiener Unterwelt mit charismatischen Figuren wie "dem Roten" gibt es ja nicht mehr. Die haben in den 80er, 90er Jahren das Straßenmilieu geprägt. Die wollten wir wieder zum Leben erwecken und ins Hier und Jetzt versetzen.
Sie bauen gern reale Anknüpfungspunkte ein. Christoph Krutzlers Heimatort, den Apfelsaft?
Ja, das ist ein heiliges Ding. Ich verwende auch persönliche Sachen von mir, und nach Absprache auch persönliche Geschichten meiner Schauspieler. Alles, was der Authentizität zu einem gewissen Grad hilft, ohne dass es jemandes Privatsphäre verletzt, ist ja etwas Schönes, das dem Ganzen hilft, glaubhafter oder lebendiger zu werden.
Stichwort Filmfamilie: Wie ist das entstanden, dass Sie immer wieder auf ähnliche Besetzungen zurückgreifen, bis in die Familie hinein.
Das ist dadurch entstanden, dass man einander auf eine gewisse Weise auch vertraut und aufeinander aufbaut, wenn man in gewissen Menschen einmal etwas entdeckt hat. Ich versuche, gewisse Gesichter oder Egos zu finden, die schon viel erlebt haben und das mit großer schauspielerischer Technik vereinen können. Und wenn man einmal solche Leute gefunden hat, ist das fast wie ein Werkzeug, mit dem man gerne immer wieder arbeitet. Zwischen mir und Freddy besteht zum Beispiel fast schon ein blindes Vertrauen, auch wie wir Drehtage gestalten. Und beim Krutzler brauche ich selten eine Regieanweisung, da genügen ein, zwei Blicke oder ein kurzer Stimmungswechsel und dann weiß er schon Bescheid.
Für Karl Welunschek war es der letzte Auftritt …
Er war der erste Regisseur-Typus, den ich als Kind erlebt habe. Meine Mutter hat bei ihm an Off-Theater-Bühnen Nestroy gespielt. Ich bin als Kleinkind oft auf die Proben mitgekommen. Er hat mich im Guten wie im Schlechten beeindruckt und geprägt. Es war ein richtiges Berserker und Macher. Das fand ich beängstigend, aber auch faszinierend. Er war ein waschechtes Wiener Kind, das es geschafft hat, in der hohen Kultur Wiens anzukommen. Mir ist es wichtig, Leute zu finden, die schon viel erlebt haben. Das ist gerade im Gangstergenre wichtig. Weil ich dem Schauspieler nicht erklären kann, wie er einen Gangster zu spielen hat, sonst wird es zur Schablone und etwas Behauptetes. Es muss von ihm kommen. Ein Gangster ist ja eigentlich eine traurige Figur. Leute, die eine wilde Kindheit hatten, passen da gut. Und das war bei ihm extrem gegeben. Meine Frau hatte die Idee, ihn zu casten. Und er hat ein dermaßen tolles Casting hingelegt. Dabei war er gar kein Schauspieler, schon gar nicht im Film. Und dann hat er Netflix dermaßen überzeugt, dass sie sagten: Der ist es! Es war wunderbar, mit ihm zu arbeiten und sehr inspirierend. Es war mir wichtig, die Folgen besonders gut auszuarbeiten, bevor ich sie ihm zeige. Aber er wollte es schon unbedingt sehen. Nach einigen Verzögerungen bekam ich plötzlich den Anruf, dass er gestorben ist, bevor er es sehen konnte. Und das war natürlich sehr traurig. Frederick Lau hat etwas sehr Schönes zu mir gesagt: Es ist nicht wichtig, dass er es sieht, weil er hat es ja gespielt. Das war ein sehr versöhnlicher Moment. Ich hoffe, dass Karl, wo immer er auch ist, auf sich stolz ist, weil er hat eine ganz tolle, echte, wahrhaftige Performance geleistet hat.
Die Serie wirkt natürlich wie ein Bubenfilm. Aber es gibt auch ausgewählte Frauenfiguren, die wichtig sind. Wie wollten Sie die zeichnen?
Ja, es ist ein Bubenfilm. Aber auch Frauen dürfen Bubenfilme gefallen. Mir war wichtig, dass Frauen bei mir nicht schwach oder blöd daherkommen. Bei uns sind die Frauen sehr selbstbestimmt und stark. Griselda Delacroix ist die mächtigste Gangsterin in dieser Unterwelt. Sie ist die zu Bezwingende, die Hohepriesterin des Verbrechertums?. Ich wollte einfach zeigen, dass Frauen genau so mit Abgründen und mit Ganovenhaftigkeit ausgestattet sein können. Ganz stolz bin ich auch auf die tolle Maya Unger, die einem von der Vendetta durchdrungene Polizistin spielt. Und Svenja Jung, die die Frau von Freddy spielt, ist ja eine der Hauptfiguren. Sie wird aus einer ganz behüteten, deutschen, bürgerlichen Welt in einen Verbrecherkosmos hineineingeworfen und wird dann selbst zum Panther. Ich fand es reizvoll, sie mit einem Raubein wie Freddy zusammenzuspannen und diese zwei unterschiedlichen Pole zusammenbringen. Insgeheim ist sie von diesem Gefährlichen auch angezogen, aber sie will das natürlich kontrollieren. Aber sie ist mutig und erwachsen genug und von Liebe durchdrungen, um eine solche Krise gemeinsam durchzustehen.
Wie war der Austausch mit Netflix, hatten Sie viele Freiheiten?
Ja und nein. Es ist ein enorm enger kreativer Austausch, so wie ich es in dieser Form noch nie erlebt habe. Ich kann das aber total umarmen, weil ich einen tollen Partner bei Netflix hab, mit dem das wirklich Spaß macht und der zum Glück den gleichen Geschmack hat. Man kann sich das wie das US-Studiosystem vorstellen. Bei so einem Riesenprojekt muss jeder alles wissen. Jede kreative Entscheidung wird besprochen. Dadurch kannst du aber auch verifizieren, ob eine Entscheidung richtig ist.
War das noch ein deutlicher Sprung von "Freud" zu dieser Serie?
In "Freud" habe ich mich ein bisschen "Young angry men"-mäßig ausgekotzt. Das war sehr wild, ausladend und vielleicht auch etwas eitel hier und da und sehr in the face. Das habe ich aber nun erledigt. Hier besinnt man sich ein bisschen mehr darauf, die Geschichte zu erzählen und die Figuren in den Vordergrund zu rücken.
Der Echtzeit-Charakter ist sehr prägend für die Serie ...
Ja. Es ging uns dabei immer um die Cliffhanger. Also wie cliffen wir, wie endet die Episode? Endet sie spannend genug, dass wir unbedingt weiterschauen wollen? Es soll immer atemlos sein. Das war extrem intensiv bei den Arbeiten an den Büchern und in weiterer Folge auch im Schnitt. Ich suche immer nach dem Spannungstiger.
Wie haben Sie sich die Arbeit mit ihrem Regie-Kollegen Cüneyt Kaya aufgeteilt?
Zum Glück konnte man das zeitlich so legen, dass ich die ersten drei Episoden fast alleine drehen konnte. Dadurch konnte ich dem Ganzen einmal meinen Stempel aufdrücken. Die Folgen 5 und 8 sind auch von mir. Cüneyt Kaya konnte sich also gut ansehen, wie ich mir die Arbeit vorstelle und ich konnte dann Stück für Stück abgegeben.
Rund um "4 Blocks" gab es ja auch Vorwürfe gegen Kida Khodr Ramadan, die er selber auch eingeräumt hat und sich zum Teil entschuldigt hat. Was denken Sie über die Berichte zu solchen Problemen?
Die Konversationen sind auf jeden Fall etwas sehr Wichtiges und Richtiges. Es ist das Immunsystem des Filmwesens und Kunstschaffens, also ein enorm wichtiger Prozess, der wachrüttelt und aufrührt. Und das kann man nur unterstützen. Bei Netflix gibt es einen ganz klaren Verhaltenskodex, auch bei Wiedermann & Berg und bei mir, an den sich alle halten mussten. Es gibt auch eine zentrale Telefonnummer mit Vertrauenspersonen, wo man sich melden kann. Es gibt auch eine Vertrauensperson von der Produktionsfirma aus, die als Anlaufstelle gewisse Prozesse betreut. Machtmissbrauch geht nicht, das darf es auf gar keinen Fall geben.
Kida Khodr Ramadan spielt ja hier eine Figur, die fast etwas geläutert wirkt, nach einer schwierigen Vergangenheit. Wie hat sich das ergeben?
Ja, das passt ganz gut zur Realität. ... Aber das wirkt nur rückwirkend so. Viele der Figuren in "Crooks" sind einfach gebrochene Figuren. Jeder hat auf seine Weise einen ordentlichen Bruch in der Biografie, keiner steht in der Story astrein da. Und bei ihm hat es sich einfach ganz gut angeboten, ihn zum Beispiel als Exilant in Marseille zu besetzen.
Eine Frage noch zu den Gangs. Es ist immer heikel, wenn gewisse Ethnien bevorzugt als Gangster dargestellt werden. Hier ist es ein serbischer und ein arabischer Clan - wobei auch die Österreicher kräftig mitmischen. Wie umschifft man mögliche Klischees?
Einerseits gibt es natürlich die österreichischen Gangster. Es gibt bei den Ex-Jugoslawen ja auch einen Gangster mit deutschen Wurzeln, eine unserer Hauptfiguren. Wir haben da schon auch nach einem Gleichgewicht gesucht, auch in den Geschlechtern. Und es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass es migrantische Backgrounds gibt, dazu braucht man nur die Tageszeitung aufschlagen. Um Klischees zu umschiffen, muss man einfach wirklich gut recherchieren. Man muss seine Hausaufgaben machen und wenn man zum Beispiel ins arabische Milieu einsteigt, muss man verstehen: Was sind deren Codes, was ist deren Sprache, wie funktionieren die Dynamiken? Und das gleiche macht man bei den Österreichern. Und dadurch kriegt man eine Wahrhaftigkeit, wo ich mit relativ großem Vertrauen sagen kann: so kann man das gut machen, ohne jemandem nahe zu treten. Die Herausforderung ist es, das den Zusehern wiederum so zu erzählen, dass sie nicht die Orientierung verlieren.
Wie sind Sie auf die Münze gekommen, hinter der die Gangster her sind?
Das war der Münzraub im Bode-Museum, als 2017 mitten in der Nacht Leute eingestiegen sind und eine 100 Kilogramm schwere Münze aus Kanada gestohlen haben, die dem Museum zur Verfügung gestellt worden ist. Ein riesiger Trumm. Das war so eine tollkühne Aktion, dass mir klar war: Diese Münze müssen wir als eine Art Inspiration für uns nutzen. Aber wir haben rasch gemerkt, dass diese Münze mit 100 Kilogramm ein bisschen schwer in einen Schuhabsatz zu bekommen ist, daher haben wir eine kleine Münze genommen. Und aus diesem MacGuffin ist eine schöne Parabel entstanden. Man denke vielleicht an Herr der Ringe, diese Münze könnte ein Sinnbild für die Gier in unserer Welt sein, etwas unbedingt haben zu wollen. Etwas Glänzendes, das die Leute narrisch macht.
Wie sieht es mit einer zweiten Staffel aus?
Das ist natürlich abhängig davon, wie erfolgreich die Serie in Deutschland, Österreich und der Schweiz läuft. Eine zweite Staffel würde mit vielen vertrauten Zutaten weiter spielen. Das Gangstergenre kann man ja nicht neu erfinden und das wollen wir auch nicht. Aber es gibt wirklich ausreichend Zutaten, die uns noch zur Verfügung stehen, da kann man noch einige Reisen mit unseren beiden Helden erzählen.
Wenn, dann mit Netflix?
Ja, die Rechte liegen bei Netflix. Und Netflix ist natürlich ein superstabiler, starker Partner. Manche Streamingdienste, die zuerst sehr prominent aufgestellt waren, haben sich von Produktionen im deutschsprachigen Raum wieder zurückgezogen. Netflix steht aber da wie eine Eins und produziert eigene Stoffe. Es ist ja wirklich toll, dass man neben den Öffentlich-Rechtlichen jemanden hat, der letztliche unsere filmische Identität mit aufbaut. Wir können auch Gangster, wir können auch Horror. Ich habe diesen Prozess seit "Rammbock" verfolgt, als wir hier den ersten Zombiefilm gemacht haben. Da war das österreichische und deutsche Fernsehen abonniert für tolle Arthouse-Filme, historische Filme, Komödien und das war's dann. Dass wir jetzt unsere eigene Genre-Kultur aufbauen können, ist ein toller Prozess, den man nur unterstützen kann.
Wie sind Sie auf den Titel gekommen?
Der Titel war eine lange Suche, "Crooks" war dann der gemeinsame Nenner. Ich bin gespannt, wie die Österreicher darauf reagieren, immerhin hat er zwei schöne "Os". (lacht)
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