Dem Vernehmen nach soll die ORF-Gesetzesnovelle eine eigene Social-Media-Content-Produktion für die Zielgruppe Minderjährige fixieren. Auch soll der ORF für Kinder einen linearen Internet-Kanal schaffen, was das Kinder-Programm in ORF1 einspart. Auf der eigenen Plattform – derzeit die TVthek – sollen künftig die Sport+-Inhalte gestreamt werden.
ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher hielt naturgemäß nichts davon, den ORF im digitalen Raum einzuschränken: „Die sozialen Medien als Sperrgebiet für den ORF zu definieren, halte ich für falsch. Wo sonst sollen wir junge Menschen mit qualitativen Inhalten erreichen? Ihr (Privatsender, Anm.) macht es nicht, deshalb machen wir es.“
Thurnher sprach sich auch gegen die von ORF-Chef Roland Weißmann ins Spiel gebrachte Abschlankung von orf.at per Gesetz aus. Speziell die Printmedien kritisieren, dass die „blaue Seite“ zu zeitungsähnlich sei, was gegen Vorgaben der EU im Rahmen des letzten Beihilfeverfahrens verstoßen würde. „Es kann nicht die Lösung sein, den ORF zu schwächen“, meinte Thurnher. Es sei „unrealistisch“, dass sich Personen deshalb ein Abo einer Zeitung nehmen würden.
Für die Social-Media-Pläne des ORF wird oft das Beispiel von Funk genannt. Annika Sehl, die für das Reuters Institute gearbeitet hat und nun an der Uni Eichstätt-Ingolstadt forscht, erinnerte daran, dass das junge Content-Netzwerk von ARD und ZDF zwar für ausländische Social-Media-Anbieter produziert, allerdings, um Publikum auf eigene, starke Plattformen zu lenken. Sie erinnerte auch an Newskooperationen der BBC als Beispiel für eine mögliche Zusammenarbeit privater Medien mit dem Öffentlich-Rechtlichen. Dem konnte auch Breitenecker etwas abgewinnen. Auf der Puls4-App Zappn sind neben den Konzern-Sendern auch der ORF und ServusTV mit linearen Streams vertreten.
Breitenecker sieht Österreich medienpolitisch an einer Weggabelung. Entweder definiere man den Öffentlich-Rechtlichen als heimisches Bollwerk oder man wolle nationale und europäische Medienvielfalt, „um so möglichst viel Zeit der Zuschauer und Zuschauerinnen, aber auch möglichst viel Geld der Werbewirtschaft im nationalen Mediensystem zu halten.“ Weil das nicht aufzulösen sei, plädiert er für Kooperation.
Als Status konstatiert er für Österreich aber „eine harte Wettbewerbsverzerrung“. Die wird verstärkt durch die Haushaltsabgabe – die Privatsender rechnen mit 800 Millionen statt bisher gut 650 Millionen – und Werbeeinnahmen für den ORF, wie sie kein anderer in Österreich hat. Breitenecker forderte von der Politik erneut Werbebeschränkungen für den ORF.
Thurnher nannte die Summen „Fantasiezahlen“. Auch zeigten Forschungsergebnisse, dass die Werbegelder vom ORF nicht 1:1 zu anderen österreichischen Anbietern wandern, sondern zur großen Konkurrenz ins Silicon Valley, so Thurnher.
Leonard Novy, Direktor des Instituts für Kommunikations- und Medienpolitik, wies darauf hin, dass gesellschaftliche Akzeptanz und politische Unterstützung für öffentlich-rechtliche Medien schwinden. „Heute entscheidet sich, ob wir in zehn Jahren noch gesellschaftlich relevante Medien haben“, warnte er. Gäbe es keine öffentlich-rechtlichen Medien, müsste man sie erfinden. „Aber dann würde man sie heute ganz anders bauen“, so Novy. Derzeit beobachtet er einen „Trend zur Selbstkommerzialisierung“ bei Öffentlich-Rechtlichen, der zu korrigieren sei.
Zum Auftakt der Enquete sagte Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger, dass eine lebendige, vielfältige Medienlandschaft, die möglichst unbeeinflusst arbeiten kann, ein „essenzieller Baustein für die Demokratie“ sei. In den vergangenen Jahren sei aber wenig in die Richtung gearbeitet worden. Viel mehr werde diskutiert, wie man Medien beeinflussen könne.
Großes Kopfzerbrechen bereitete den Diskutanten der Vertrauensverlust, den Medien erleben. Horst Pirker, CEO der VGN Medien, sah gar ein „toxisches System“, bei dem sich Politik und Medien gegenseitig aufschaukeln. „Das macht mir Angst – und nicht die Frage, ob wir ein paar Inserate mehr oder weniger kriegen.“ Gerald Grünberger (Verband Österreichischer Zeitungen) meinte, nirgendwo stehe geschrieben, dass die Politik hohe Summen für Inserate aufbringen müsse. Der Einsatz der Gelder sei deren Verantwortung. Grünberger erinnerte daran, dass der ORF auch hier mit Millionen zum Zug komme.
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