Müssen Journalisten in Österreich mit Klagsfluten leben?

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Die EU will Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen. Die Regierung in Wien ist uneins, wie weit das gehen soll.

Was kann man tun, wenn man mit unbegründeten Klagen überschüttet wird? Österreichs Journalisten und NGOs haben immer häufiger das Problem, dass sie vor den Richter gezerrt werden, wenn sie Unliebsames berichten oder Kritik äußern. Das bindet Zeit und Geld und kann im schlechtesten Fall auch einschüchtern. Die Bezeichnung für solche Klagen: SLAPP (Strategic Lawsuits Against Public Participation).

Die EU will das Problem der SLAPP-Klagen bekämpfen

Um diese Praxis abzustellen, hat die EU im April des Vorjahres eine Richtlinie erlassen. Ziel: Missbräuchliche Klagsfluten abzustellen. In Österreich harrt die EU-Richtlinie aber noch der Umsetzung. Es gibt Streit über die Frage, ob man auch nationale Fälle in das geplante Gesetz mit einbeziehen möchte.

Eigentlich hätte das Gesetzeswerk schon am Dienstag auf Regierungsebene beschlossen werden können – auf der Liste der Regierungsvorhaben, die zwischen Türkis, Rot und Pink vor Ministerrat und Nationalrat zu koordinieren sind, stand sie bereits. Dienstagfrüh hieß es aus Kreisen der Regierungsparteien, dass das Thema doch nicht behandelt wurde.

Es scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein, aber...

Es scheitert an einem Detail, das eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit wirkt: SPÖ und Neos wollen, dass SLAPPs auch im Inland verhindert werden. Die ÖVP lehnt diese Übererfüllung einer EU-Richtlinie bisher ab – die sieht nur Abhilfe bei grenzüberschreitenden Klagen vor.

NATIONALRAT - SONDERSITZUNG: FÜRLINGER

ÖVP-Justizsprecher Klaus Fürlinger.

"Es gibt genug Möglichkeiten", findet die ÖVP

Auf der Bremse steht hier unter anderem ÖVP-Justizsprecher Klaus Fürlinger, im Hauptberuf Rechtsanwalt. „In Österreich gibt es genug Möglichkeiten, sich gegen unrechtmäßige Inanspruchnahme zu wehren“, sagt er auf Nachfrage des KURIER. „Es ist ja nicht so, dass in Österreicher einer zur Gaude solche Klagen einbringen kann. Das ist nicht folgenlos für den Kläger – der muss schließlich die Kosten tragen, wenn er verliert.“

PK SPÖ NACH BUNDESPARTEIVORSTAND: SELTENHEIM

SPÖ-Mediensprecher Klaus Seltenheim.

"Gold Plating? Wir nehmen das gerne in Kauf" 

Die beiden anderen Koalitionsparteien halten daran fest – etwa SPÖ-Mediensprecher Klaus Seltenheim, der klaren Handlungsbedarf auch bei inner-österreichische SLAPP-Klagen sieht – egal, ob das die EU-Richtlinie vorsieht „Wenn man das als ,Gold Plating’ (Überfüllung einer EU-Vorschrift, Anm.) bezeichnen möchte, bitte: Wir nehmen das gerne in Kauf“, so Seltenheim zum KURIER. Entscheidend sei, „dass Österreichs JournalistInnen, NGOs und kritische Stimmen nicht mundtot gemacht werden“.

NATIONALRAT: BRANDSTÖTTER

Neos-Medienpolitikerin Henrike Brandstötter.

Maßnahmen gegen SLAPP stehen im Regierungsprogramm

Auch die Neos pochen darauf. Die pinke Mediensprecherin Henrike Brandstötter verweist auf das Regierungsprogramm, in dem die Bekämpfung von SLAPP-Klagen vorgesehen sei. Das umfasse klar auch nationale Regelungen. „Es handelt sich um juristische Fragestellungen, die im Raum stehen und zu klären sind“, so Brandstötter zum KURIER. Subtext: Das muss kommen.

Die Richtlinie sieht unter anderem grenzüberschreitende Hilfestellungen für die unrechtmäßig Beklagten bei Gericht vor. Bis Mai soll die EU-Richtlinie umgesetzt werden.

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