"München": Was-wäre-wenn-Spiel am Rande des Abgrunds
In den 1930er Jahren wurden Freunde nicht durch einen Brexit entzweit, sondern durch eine aufkeimende verbrecherische Diktatur. So ergeht es auch zwei Oxford-Studenten, dem Deutschen Paul von Hartmann (Jannis Niewöhner) und dem Briten Hugh Legat (George MacKay), in dem Netflix-Film „München – im Angesicht des Krieges“.
Die beiden Figuren wurden 2017 von Robert Harris erfunden, der Brite schreibt bevorzugt historische Romane mit Ein-Wort-Titeln. Der deutsche Regisseur Christian Schwochow fertigte daraus nun einen Spionage-Thriller mit feinem deutsch-britischen Cast.
Der britisch produzierte Film spielt rund um die Münchner Konferenz 1938, bei der sich das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien und Deutschland trafen. Hitler plante den Einmarsch in die Tschechoslowakei, letztlich einigte man sich auf Betreiben des britischen Premiers Neville Chamberlain auf ein Abkommen, wonach Hitler-Deutschland das Sudetenland kampflos zufallen sollte, während der Rest der Tschechoslowakei erhalten bleiben sollte.
Soweit der historische Hintergrund. Im Film will von Hartmann die Unterzeichnung verhindern. Er ist mittlerweile Diplomat und plant, der britischen Delegation – mit der auch Beamter Legat angereist ist – ein brisantes Dokument zuzuspielen, in dem Hitlers wahre Pläne offenbar werden.
In einer Nebenrolle als Sekretärin und Pauls Freundin ist Sandra Hüller zu sehen. August Diehl spielt einen SS-Mann, den Paul von früher kannte. Dieser schöpft Verdacht und schnüffelt dem Widerständler nach.
Spannung
Spannung kommt auf, weil die beiden wiedervereinten Freunde beileibe keine Berufsspione sind. Zudem steht Paul mehrmals allein mit Hitler in einem Raum – was ihm die Möglichkeit zum Tyrannenmord gäbe.
Ulrich Matthes, der coronabedingt für Martin Wuttke einspringen musste, sieht zwar noch immer aus wie Goebbels in „Der Untergang“, verleiht der schwierigen Hitler-Rolle aber die nötige Dämonie, ohne ins Monsterhafte zu kippen.
Jeremy Irons spielt dessen Gegenüber Chamberlain, der sich in seiner Überzeugung, den Krieg am Verhandlungstisch verhindern zu können, als hartnäckiger Gentleman erweist. Dass im Abspann diese berüchtigte Appeasement-Politik sogar als Grundstein für den späteren Sieg über Hitler gefeiert wird, das ist eine andere Geschichte ...
Im Abspann des Films heißt es: "Die Frist, die durch das Abkommen von München erkauft wurde, ermöglichte es Großbritannien und seinen Verbündeten, sich auf den Krieg vorzubereiten, und das führte letztlich zu Deutschlands Niederlage."
Nicht nur Chamberlains Nachfolger, der legendäre Kriegspremier Winston Churchill, hatte eine gänzlich andere Sicht auf die Folgen des Abkommens. In seinen Memoiren schreibt Churchill, dass Hitlers Kriegspläne dadurch eher begünstigt wurden. Eine militärische Überwindung der tschechischen Befestigungsanlagen, die sich großteils im Sudetenland befanden, hätte der noch im Aufbau befindlichen deutschen Wehrmacht wahrscheinlich große Verluste eingebracht. Demzufolge hätte vielmehr Nazi-Deutschland Zeit gewonnen, um seine Kampfkraft zu erhöhen.
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