Michael Jackson, revisited: Die CD ließ ihn endgültig abheben

Der „King of Pop“ in Uniform: Im Jahr 1997 bei einem Konzert in Wien
Zum 60. Geburtstag eine Bestandsaufnahme dessen, was blieb. Nicht alles hatte Bestand.

Was Michael Jackson eigentlich privat so trieb, wird ein Rätsel bleiben. Und eigentlich will man in diese Tiefen aus unglücklicher Kindheit, die in ein problematisches Erwachsenenleben verlängert wurde, posthum lieber nicht mehr hinabsteigen.

Künstlerisch hat der einstige King of Pop zahllose ästhetische Fragezeichen hinterlassen. Ein sehr dickes hängt über „Bad“, dem Super-Album der späten Achtzigerjahre. Im titelgebenden Song versucht sich Jackson in einer Art Getto-Erzählung: Nur wer „Bad“ ist, bekommt Respekt. Die doofe Eröffnungszeile„Your butt ist mine“ war der Legende nach der Grund, warum aus dem Lied kein Duett mit Prince wurde – man konnte sich schlicht nicht einigen, wer die Worte singen sollte.

Jackson hob den afroamerikanischen Pop-Diskurs spätestens mit „Bad“ in beliebig-harmlose Sphären: Statt echter Protagonisten tanzten auf hart verkleidete Statisten harmlose Choreografien. Und statt Breakdance, der zu jener Zeit genuin gewachsenen Ausdrucksform echter Ghettokids, gab es den „Moonwalk“, meisterhaft vorgetragen von Jackson selbst. Einer seiner größten Brüche dürfte überhaupt der mit der Rasse gewesen sein: Je älter er wurde, desto europäischer sah er aus.

Star künstlicher Zeiten

In Zeiten der Debatten um kulturelle Aneignung schwarzer Kunst durch die weiße Mehrheitsgesellschaft hätte Jackson im Jahr 2018 jedenfalls eine interessante Figur abgegeben. Was ihm schmerzlich gefehlt hätte: Die Währung Authentizität war in den artifiziellen Achtzigern nicht einmal eine nachrangige Betrachtung wert. Heute ist die eigene Geschichte alles – und sei es nur die Vergangenheit als Teilzeit-Drogendealer während der Sommerferien. Am authentischsten, wenn der von seinem Vater zum Erfolg geprügelte Kinderstar das jemals war, erlebte man ihn wohl auf seinem Debütalbum „Off the Wall“, einer konsequenten Produktion des Motown-Sounds. Das Video zu „Don’t stop till you get enough“ zeigt einen jungen Mann mit Afro und den Anwandlungen späterer Tanz-Extreme. Was Jackson mit der Hüfte anstellte, hätte zu Elvis Presleys Zeiten zu einer Haftstrafe gereicht.

Jacksons bedeutendstes Album, „Thriller“, dürfte wohl auch das zeitloseste bleiben, das legt die Rezeption der vergangenen vier Jahrzehnte nahe. Die Hooks von „Billie Jean“ funktionieren auch heute noch auf jedem Dancefloor – probieren Sie es getrost aus.

Was bleibt also? Exzellent produzierte Musik. Singuläre Leistungen, die nicht alle würdig alterten. Interessanterweise kann man die künstlerische Relevanz Jacksons an das Aufkommen der Compact Disc koppeln: Alles, was auf Vinyl erschien, hatte noch Anker in musikalischer Tradition, die die Zeit überdauerte. Das glitzernde CD-Zeitalter ließ Jackson endgültig in den Äther abheben. Er kam irgendwie nicht mehr zurück. Leider.

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