„Medienkolonie" Europa: Mit „Deregulierung“ gegen die US-Plattformen
APA-Geschäftsführer Clemens Pig fordert die Medien auf, den Fokus wieder mehr auf die Nutzer zu legen, als auf die eigene Krise.
Zusammenfassung
- Experten fordern ein Ende der Privilegien für US-Plattformen, strengere Regulierung und Durchsetzung europäischer Normen im digitalen Raum.
- Die Debatte betont die Notwendigkeit eines fairen Spielfelds und einer eigenständigen europäischen Digitalpolitik, um digitale Souveränität zu sichern.
Die österreichische Medienlandschaft muss ihren Fokus neu ausrichten: weg von den Debatten über die eigene Krise, hin zur Krise der Nutzer, fordert Clemens Pig, Geschäftsführer der Austria Presse Agentur (APA). Denn diesen gehe es „ebenso dreckig wie uns Medien“; sie steckten in einer „massiven Vertrauenskrise“ und seien „orientierungslos“ im Medienkonsum, erklärte Pig beim Europäischen Mediengipfel in Seefeld in Tirol.
„Völliger Irrsinn“
Er ortet technologische und ideologische Angriffe aufs Vertrauen der Nutzer. Seit der Münchner Sicherheitskonferenz sei klar, dass die neue Weltordnung auf einer neuen Kommunikationsordnung basiere. Dass die US-Politik die Regulierung von (Digital-)Plattformen als Eingriff in die Meinungsfreiheit ablehnt, sei „völliger Irrsinn“.
Um die Nutzer-Krise zu bewältigen sollten sich die Medien wieder fragen, was ihre Aufgabe sei, mahnte Pig. Um diese auch wirtschaftlich stemmen zu können, plädierte er einmal mehr für kooperative Mediensysteme. „Es geht aber auch um eine harte Kante gegenüber den Plattformen“ durch die Politik bei Jugendschutz, Haftungsrichtlinien und Steuergerechtigkeit.
Fatales Signal
Die „Medienkolonialisierung“ Europas – von Social Media über KI bis Streaming – ist ein zentraler Punkt beim Europäischen Mediengipfel. Es könne als Signal an Washington gesehen werden, „dass wir Bürgerrechte doch nicht so ernst nehmen“, meinte Digitalexperte Matthias Kettemann zum jüngsten Entwurf eines EU-Digitalpakets. Kritiker sehen darin ein „fatales Signal, gerade was die europäische digitale Souveränität betrifft.“ Und: „Man muss Regeln, die wir haben, ernst nehmen und Normen im Bereich der KI und der sozialen Medien durchsetzen.“
„Ein Ende der Privilegien“ für US-Plattformen will Markus Breitenecker, bis vor kurzem COO bei ProSiebenSat.1. Auch das sei „Deregulierung“.
Medienanbieter mit besonderen Gefahren
Es gehe darum, Europas Märkte von den US-Giganten zu befreien. Eine für ihn denkbare Maßnahme wäre, Social-Media-Giganten nicht nur als Medienanbieter (mit allen Pflichten) einzustufen, sondern als solche, die besondere Gefahren mit sich bringen. „Das würde ihre Geschäftsmodelle sehr schnell ändern“, sagte Breitenecker. Was wiederum Skepsis bei Mitdiskutanten hervorrief.
Digitalpolitik-Expertin Cathleen Berger meinte, zur Zukunftsfähigkeit Europas gehöre, für sich zu klären, wie man sich die Welt vorstellt und „nicht die, die uns vorgelebt wird von den USA oder China.“
US-Medienexperte Jeff Jarvis kritisierte im Gespräch mit Armin Wolf die traditionellen US-Medien heftig
Und Florian Tursky konstatierte, es gehe um ein faires Spielfeld (…) wenn wir das nicht gewährleisten können, gerade wenn es um Information, Social Media und Co. geht, „dann gibt es Akteure, die das nutzen und ausnutzen“.
„US-Medien haben die Demokratie im Stich gelassen"
Für den US-Medienexperten, Journalisten und Autor Jeff Jarvis ist das Internet – mit all seine Fehlern – die Möglichkeit für eine pluralistische Diskussion in der Gesellschaft. „Die US-Medien haben uns bei der Verteidigung der Demokratie im Stich gelassen in dieser Zeit des Faschismus“, unterstrich Jarvis, der meint, dass die USA seit 20. Jänner 2025 von einer faschistischen Oligarchie regiert würden. Er kritisierte im Gespräch mit ORF-Moderator Armin Wolf die Berichterstattung von US-Medien wie der Washington Post, New York Times oder CNN. Sie würden den Kern der Sache nicht ansprechen.
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