Von Gaia-X zu 'Digitaler Omnibus': Europas Antwort auf US-Digitalkonzerne
EU-Kommissarin Henna Virkkunen und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
Zusammenfassung
- Die EU plant, Bürokratie abzubauen und Regeln zu vereinfachen, um digitale Souveränität gegenüber US-Digitalkonzernen zu stärken.
- Neue Gesetzespakete wie der „digitale Omnibus“ sollen Doppelgleisigkeiten beseitigen und Unternehmen sowie Entwicklern mehr Freiraum beim Umgang mit Daten geben.
- Datenschützer warnen vor einem Abbau von Bürgerrechten und sehen die Gefahr eines Rückschritts beim Datenschutz in Europa.
Es war ein stilles Ende – nur wenige Jahre nach einem sehr lauten, pompösen Auftakt. Das „Monopol der US-Digitalkonzerne aufbrechen“ und „die digitale Souveränität stärken“: Das war das Ziel, das man sich für das Projekt „Gaia-X“ gesteckt hatte, eine europäische Speicher-Cloud, die die Vorherrschaft all der gigantischen Datenspeicher von Google, Apple und Co. überwinden sollte. Inzwischen spricht man in Brüssel von einer „vernichtenden Niederlage“ und „kolossaler Zeitverschwendung“, wie die Nachrichtenplattform Politico berichtet.
Nicht nur in Brüssel, auch in Berlin ist die schwierige Lage der Digitalwirtschaft in Europa in diesen Tagen Thema. Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron laden am Dienstag zum Digitalgipfel. Dort sollen EU-Politiker und Experten wieder einmal besprechen, wie Europa in der digitalen Welt auf die Füße kommen kann.
Eine Erklärung zur „digitalen Souveränität“ soll verabschiedet werden, quasi das politische Bekenntnis zu mehr „Made in Europe“, egal ob in der Künstlichen Intelligenz, beim Speichern großer Datenmengen, oder bei der Software-Entwicklung.
Initiative aus Österreich
Österreichs Digital-Staatssekretär Alexander Pröll drängt seit Längerem auf diese Unterstützung aus der Politik. Europa sei in so vielen Bereichen – von Energie bis Rohstoffen – zu abhängig von anderen weltpolitischen Spielern. Man dürfe nicht auch in der digitalen Welt darauf warten, bis der Zug endgültig abgefahren sei, ist aus dem Büro des Staatssekretärs zu hören. Dort freut man sich auf jeden Fall über die Rückendeckung aus Deutschland und Frankreich.
Doch politischer Rückenwind reicht nicht, um gegen Google und Meta zu bestehen, weiß man in Brüssel inzwischen. In der EU-Kommission setzt man in der zweiten Amtszeit von Ursula von der Leyen vor allem auf den Abbau von Bürokratie – ironischerweise, die Bürokratie, die man selbst zuvor großzügig installiert hat.
„Omnibus“ heißen die Pakete, in denen bisher häufig doppelgleisige Regelungen zusammengefasst und zugleich zusammengestrichen werden sollen. In dieser Woche ist der erste Vorschlag für den „digitalen Omnibus“ an der Reihe. Da geht es um einige große Gesetzespakete, die noch vor zwei Jahren als Prestigeprojekte in Kraft gesetzt worden waren:
Etwa das „Gesetz über digitale Dienste“ (DSA), die „Verordnung für Künstliche Intelligenz“, aber auch die Datenschutz-Grundverordnung, in der die Rechte europäischer Bürger auf ihre persönlichen Daten geregelt sind. Es gebe tatsächlich Doppelgleisigkeiten bei vielen Regelungen, gesteht man auch in der EU-Kommission ein.
Notwendiger Schutz?
Die mangelnde Vernetzung der Behörden zwinge viele Unternehmen dazu, viel mehr Kontrollen über sich ergehen zu lassen als notwendig. Zum Schutz der Bürger trage das kaum bei. Dass Firmen außerdem bei jedem Click ihrer Kunden nachfragen müssten, ob sie auch ein sogenanntes „Cookie“ setzen dürfen, sei kaum mehr als eine Formalität ohne erkennbare Wirkung.Auch den Entwicklern Künstlicher Intelligenz will man das Datensammeln erleichtern: So soll ein berechtigtes Interesse“ an Personendaten ausreichen, um die auch – Anonymität vorausgesetzt – zum Trainieren der eigenen Software heranzuziehen. Auch Versicherer, oder Banken sollen mehr Möglichkeiten bekommen, um Daten ihrer Kunden dazu einzusetzen, diese zu bewerten und in Kategorien einzuteilen.
Dass weniger Kontrolle über Daten mehr Freiheit bei der Entwicklung neuer Technologien gibt, zeigt sich etwa beim autonomen Fahren. Während in den USA oder China die Menschen oft schon auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, ist das in Europa nur auf Teststrecken möglich – zu kompliziert sind die rechtlichen Konstruktionen rund die KI am Steuer.
Für Datenschützer dagegen droht Brüssel, achtlos notwendige Barrikaden zum Schutz der Bürger umzureißen. Da sei der „größte Rückschritt bei digitalen Grundrechten im Gange“ warnt etwa der österreichische Vorkämpfer für Datenschutz, Max Schrems. Auch aus dem EU-Parlament, etwa von den Grünen, kommen laute Warnungen: Wenn das so weitergehe, habe man zwar weiter komplizierte Regeln, aber keinen Schutz mehr.
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