APA-Chef Clemens Pig: "Demokratien brauchen freie Medien“

Clemens Pig,  APA
Clemens Pig leitet die österreichische Presseagentur APA. Er spricht über den Abbau von Demokratie, die Bedeutung von Pressefreiheit für die Wirtschaft und Kooperationen bei KI.

Viel zu oft gab und gibt es zuletzt Schreckensnachrichten aus der Medienbranche. Journalistenstellen werden dutzendweise eingespart, Printauflagen gehen zurück, und online kämpfen viele Medien mit den übermächtigen US-Plattformen um die Werbegelder. Was ist los mit dem Medienstandort? Und wie kann man hier positive Wege in die Zukunft finden?

Clemens Pig hat Antworten auf genau diese Fragen. Der CEO der APA – Austria Presse Agentur beschäftigt sich intensiv mit dem Medienwandel, den Herausforderungen – und den Chancen durch neue Technologien.

KURIER: Vielleicht ist das die journalistische Innensicht, aber man hat den Eindruck, dass es der Medienbranche in Österreich auch im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen besonders schlecht geht. Stimmt das?

Clemens Pig: Nicht nur in Österreich, auch international: Die Medien stehen unter Druck. Das hat ganz spezifische Gründe: Vor ziemlich genau 20 Jahren gab es die Gründung von Facebook, wenige Wochen später den ersten Twitter-Tweet. Mit dem sogenannten Plattformen-Internet hat sich für die Medien alles zu verändern begonnen, die Art und Weise, wie sie Geld verdienen, und die Art und Weise, wie Informationen und auch Nachrichten konsumiert werden. Die Werbeerlöse flossen im vergangenen Jahr erstmals mehrheitlich an diese Plattformen. Das bedeutet eine ordentliche Stresssituation für die Medien.

Clemens Pig,  APA

Die Plattformen haben auch eine Veränderung in der Tonalität dessen, was wir einander erzählen, herbeigeführt, die den Nachrichten nicht immer guttut.

In den Sozialen Medien hat es begonnen, dass man den anderen oft nicht mehr zuhört, bis hin zu einer radikalisierten Sprache. Das ist hoch problematisch, letztlich nicht nur für die Medien und ihre Existenz, auch für unsere Demokratie. Demokratien, so wie wir sie in Österreich haben, das muss man leider so sagen, sind im Moment im Rückbau begriffen. Rechtssicherheit, Freiheit und Meinungsfreiheit sind für die Wirtschaft und für den Wirtschaftsstandort essenziell wichtig. Ein Regelwerk, auf das man sich verlassen kann, in das nicht autokratisch eingegriffen wird.

Jetzt kann man sagen: In China funktioniert die Wirtschaft auch ganz ordentlich – ohne Qualitätsjournalismus.

In China ist es eine ganz eigenartige Kombination aus einem autokratischen kommunistischen System, gepaart mit einem teilweise zügellosen marktwirtschaftlichen System. Die Art und Weise, wie gerade die chinesische Gesellschaft ihren Alltag verbringt und durch sogenanntes Social Scoring überwacht und mit einem Punktesystem bewertet wird, ist natürlich alles andere als das, was wir uns als freie Gesellschaft vorstellen. Und Demokratien brauchen freie Medien, brauchen Aufklärung, Recherche, all das, was professionellen Journalismus ausmacht, wie einen Bissen Brot. Man muss sehr offen und kritisch hinterfragen, wie in Amerika mit Medien umgegangen wird und wie Soziale Medien – die meisten sind ja US-Plattformen – hier den Diskurs verzerren. Hassrede im Internet bis hin zu echten Falsch- und Fehlinformationen: Man müsste die Plattformen hier viel, viel mehr in die Verantwortung nehmen. Wir sind hier auch als Medienstandort Österreich gefordert, neue Antworten für die Zukunft zu haben.

Zum ausführlichen Interview mit APA-Chef Clemens Pig

Aber ist es einem Herrn Zuckerberg oder einem Herrn Musk nicht herzlich egal, was wir österreichischen Medien so denken?

Der österreichische Medienmarkt und Österreich als solches ist Teil der Europäischen Union. Viele Dinge, die in der Regulierung der Plattformen liegen – das Leistungsschutzrecht, der AI-Act – sind natürlich europäische Themen, die in Brüssel und damit mit österreichischer Beteiligung entschieden werden müssen. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass Personen wie Elon Musk ihre politischen Positionen mitten in europäische Themen und Wahlkämpfe hineintragen. Das große Ziel lautet: die Zerstückelung des europäischen Marktes. Österreich wird die globalen Probleme nicht im Alleingang lösen können. Aber es ist auch für Österreich sehr wichtig, diesen freien Medienstandort zu stärken.

Man hört immer wieder, dass doch einiges an öffentlichen Mitteln in den Medienmarkt fließt. Ganz aus der Krise holt ihn das jedoch nicht. Wird in diesem Bereich politisch zu wenig getan – oder das Falsche?

Die Politik kann, muss und wird diesen Beitrag leisten. Aber die Politik kann nicht der einzige Stellhebel sein. Die Medien müssen neben notwendigen staatlichen Förderungen auch aus sich selber heraus eine gute Zukunft schaffen.

Nur: wie?

Die Kooperation von Medien ist ein Baustein. Das bedeutet ja nichts anderes, als dass sich konkurrierende Unternehmen bei gezielten Themen an einen Tisch setzen und sagen, da sind wir stärker, wenn wir gemeinsam gegen internationale Einflussfaktoren vorgehen. Man muss nicht jede Technologie für sich selber lizenzieren und bedienen. Im Bereich Infrastruktur kann man im bei den Kosten viele Synergiepotenziale heben. Und, das ist bestimmt ein ambivalentes Thema, natürlich auch die Frage der Kooperation im Bereich der künstlichen Intelligenz. Wir sehen jetzt schon: Hier wird man durch Kooperation einiges bewegen können, wenn man es intelligent tut. Künstliche Intelligenz bietet ein enormes Risikopotenzial, aber eben auch ein enormes Chancenpotenzial. Wir werden als Medienunternehmen ganz bestimmt nicht gegen große KI-Plattformen gewinnen, wenn wir glauben, dass wir Inhalte schlichtweg von künstlicher Intelligenz erstellen lassen. Das werden diese Plattformen immer besser können. Unser großes Thema ist Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Wenn man so will, werden sich Medien noch mehr auf das konzentrieren müssen, was sie immer schon gut gekonnt haben und wo sie glaubwürdig sind, eben glaubwürdigen Journalismus herzustellen. Alles andere rundherum werden wir gut beraten sein, wenn wir eine enge Partnerschaft mit Technologie und KI eingehen. Wir müssen das, was unser Asset ist, zur Stärke machen.

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