"Mammals" - Beziehungsmuster des Säugetier Mensch

"Mammals" - Beziehungsmuster des Säugetier Mensch
Das Leben des Kochs Jamie wird komplett auf den Kopf gestellt, als er schockierende Geheimnisse über seine Frau erfährt.

„Liebe ist per se unmöglich. Deshalb muss man unbeirrt an Magie glauben“, so das Credo des zentralen Ehepaares in der neuen Amazon-Prime-Serie "Mammals", die sich mit den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der menschlichen, aber auch tierischen Zweierbeziehung beschäftigt.

Wühlmäuse sind monogamer als Menschen

“Wenn die weibliche Präriewühlmaus stirbt, sucht sich die männliche Präriewühlmaus keinen neuen Partner mehr“, sagt der Wissenschaftler Jeff in seinem Vortrag über das Paarverhalten von Säugetieren. Die Präriewühlmaus gilt somit als monogamstes Lebewesen – sie ist ihrem Partner bis über den Tod hinaus treu. Zu dieser Art der körperlichen Treue können unsere Figuren in Mammals, was so viel heißt wie Säugetiere“ nur bewundernd aufsehen.

Aber ist Monogamie ein Ziel? Ist sie zeitgemäß? Und ist sie vor allem das Rezept für eine glückliche Beziehung oder noch größer gedacht: ein glückliches Leben? Dieser Frage widmet sich die neue 6-teilige Dramedy-Serie, die seit 11.11. zu sehen ist.

Der Gourmetkoch Jamie (gespielt von Comedian und TV-Host James Corden) steht kurz davor, seine beruflichen Träume in die Tat umzusetzen: das nach seiner Frau benannte Restaurant “Armandine“ steht kurz vor der Eröffnung. Das Glück könnte nicht perfekter sein, da auch seine von ihm über alles geliebte Frau ein Kind erwartet. Doch das Ganze beginnt relativ schnell zu bröseln, als er nach und nach den düsteren Geheimnissen seiner Frau (Melia Kreiling) auf die Schliche kommt. Mit Hilfe seines Schwagers Jeff (Colin Morgan) macht sich Jamie auf die Suche nach Antworten und beginnt seine privaten Ermittlungen, in der auch zunehmend ans Licht kommt, wie brüchig Jeffs Ehe mit Jamies Schwester Lue (Sally Hawkins) ist.

Ist Monogamie überholt?

Grosso modo geht es aber um weit mehr, nämlich um das Kunststück Zweierbeziehung und die gesellschaftliche Norm dieser Verbindung: die Monogamie. Um die in uns kochenden Sehnsüchte und wie sie sich ihren Weg an die Oberfläche bahnen und um das Verschwimmen von Traumwelten, deren Kraft sich in einer wahnsinnig kraftvollen Bildebene (Kamera: Mattias Nyberg) widerspiegelt.

In den 6 jeweils 25 Minuten langen Folgen gespickt mit französischer Musik, die allein uns schon in eine Welt der jovial-wolllüstigen Sehnsüchte entführt, bricht nach und nach die Normalität auch außerhalb der Realität des Ehepaars auf und eine Art Traumwelt hält Einzug. Sei es nur in Tagträumen, die sich wie ein Schleier über die Wahrnehmung legen und zunehmend den Alltag mit den Liebsten bestimmen und Distanz herstellen oder als real gelebter Traum, in Form von Affären oder künstlerischer Selbstverwirklichung. Der eine geht wirklich fremd, der nächste nur in Gedanken. Ist das eine schwerer zu bewerten als das andere? Das bleibt als Frage zurück.

Die brennende Sehnsucht bannt sich ihren Weg an die Oberfläche

Jeder der vier Hauptdarsteller führt neben dem gemeinsamen Leben ein Leben der Träume, der Sehnsüchte, der inneren Suche nach dem, wofür man brennt, das dem jeweiligen Gegenüber im Verborgenen bleibt. Lassen sich die eigenen Träume mit den Commitment einer Partnerschaft vereinen oder ist die Fremdbestimmtheit durch die Zweierbeziehung zu stark, um die Umsetzung der eigenen Träume damit zu vereinen?

Die zutiefst menschlichen Fragen (erinnert es doch sehr an die Thematik von Goethes Wahlverwandtschaften), die die Serie aufwirft, ist zweifelsohne interessant, die Handlung verliert sich jedoch immer wieder in den träumerischen Details von Nebenhandlungen, deren Anknüpfungspunkt fehlt und die eine gewissen Banalität herstellen.

Wie kommt der Wal in die Stadt

Immer wieder wird der Umgang mit Partnerschaft dem Paarungsverhalten andere Säugetiere gegenübergestellt und so unser gesellschaftlich verankertes monogames Beziehungsmodell in Frage gestellt. Das größte Säugetier, der Blauwal, bildet den Schluss des Films. Mitten in der Stadt unter den Leuten liegt er in seiner Riesenhaftigkeit – er ist im Übrigen nicht monogam.

Nichts neues aber schön anzusehen

Das Rad der menschlichen Beziehungen, des Versagens und unserer Ängste und Verfehlungen im Miteinander erfährt hier zwar keine Neuerfindung. Tempo und Dialoge (Drehbuch: Jez Butterworth und James Richardson), bringen jedoch Spannung und Fluss ins Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere. Es macht durchaus Spaß bei dem auf der Bildebene blumig, romantisch unterstrichenen Drama der Entgleisung zuzusehen. Phänomenal in ihrer verträumten Zerbrechlichkeit: Sally Hawkins.

Von Lisa-Lena Tritscher

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