„In den 80ern war er sehr berühmt, und dann wurde er völlig vergessen“, sagt Regisseurin Mélanie Laurent. „Viele gewalttätige und unehrliche Männer wurden in Frankreich zu Ikonen gemacht. Aber wir vergaßen Bruno, weil er vielmehr ein Anarchist und ein Dichter war und nie Gewalt angewendet hat.“
Nicht Teil des Systems
Es sei die Zeit der immer größer werdenden Supermärkte gewesen – und damit „der Anfang von wirklich großen Raubüberfällen“, sagt Laurent. „Sulak war die ganze Zeit im Fernsehen. Er war buchstäblich anders als alle anderen. Aber ich denke, weil er nicht Teil dieses Systems war, hat ihn das System schließlich vergessen.“
Es war ein Buch des Autors Philippe Jaenada über Sulak, das Laurent vor rund zehn Jahren auf diese Geschichte brachte. Es sei eine „sehr präzise Biografie von der Geburt bis zum Tod. Ich wollte nicht bloß das Buch adaptieren, ich wollte die Freiheit haben, diese wahre Geschichte in Form von Fiktion zu erzählen.“
Beim Schreiben des Drehbuchs (Laurent verfasst sie stets selbst) „musste ich einfach einen Schritt zurücktreten“, sagt sie. „Aber es gibt so viele Reportagen im Internet, ich habe einfach ausgewählt, als wäre ich im Supermarkt, und habe um die verrücktesten Storys herum noch Sachen erfunden. Aber es basiert auf wahren Geschichten.“
Auch die Liebesgeschichte, die sie in dem Film „Libre“ (abrufbar auf Prime Video) inszeniert, beruht auf Tatsachen. Zusammen mit seiner Geliebten (im Film Annie genannt), die oft im Fluchtauto sitzt, liefert sich Sulak ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Sulak wird von Lucas Bravo (bekannt aus „Emily in Paris“) gespielt, Annie von Léa Luce Busato.
Die Lovestory sei für sie der Grund gewesen, den Film zu machen, meint Laurent. „Das Erste, was ich daran geliebt habe, war, dass seine Partnerin nicht passiv war.“ Diese „verrückte, leidenschaftliche Liebesgeschichte“ habe für sie alles verändert. „Es sagte auch etwas über ihn aus. Und dann wurde mir klar, dass man in all den Heist Movies mit ihren Mafia-Typen keine schöne weibliche Figur findet“, sagt sie. „Es ist nicht so, dass die Regisseure keine kreieren wollten. Es ist aber so, dass sie entweder Prostituierte sind oder zu Hause bleiben, und die Typen sprechen sie nicht mit Respekt an.“
Als einen ihrer Lieblingsfilme nennt Laurent „Gefährliche Brandung“ von Kathryn Bigelow. „Sie ist eine der besten Regisseurinnen aller Zeiten“, sagt Laurent, „und als Frau behandelt sie die Liebesgeschichte auf die richtige Art und Weise, auch wenn es sich um einen Männerfilm handelt.“ Im Gegensatz zu „Gefährliche Brandung“ habe sie allerdings eine Frau zeichnen wollen, die bei den verschiedenen Aktionen dabei ist, es sollte daher auch ein wenig „Bonnie & Clyde“ in der Mischung enthalten sein.
Auch die Poesie sollte nicht zu kurz kommen. „Ich habe gar nicht so viel hinzugefügt“, sagt Laurent. „Er war ja tatsächlich ein Dichter, dessen Texte veröffentlicht wurden, als er in Haft war. Seine Texte sind wunderschön, er hätte ein großartiger Autor und Künstler sein können.“
1985 kam Sulak mit nur 29 Jahren in Haft zu Tode – unter nie restlos aufgeklärten Umständen. „Ich dachte bei der Arbeit an dem Film an ein Lied von Serge Reggiani, der ein Gedicht von Baudelaire rezitiert hat. Ich sagte mir, wenn ich Reggiani und Baudelaire in einem Genrefilm über Räuber unterbringen kann, dann kann ich glücklich sterben“, so die Regisseurin lachend.
Großes Glück
Derweil hat Laurent – die 2009 als jüdische Rächerin Shoshanna in „Inglourious Basterds“ weltweit bekannt wurde – aber noch viel vor.
Ob die Rolle in Quentin Tarantinos Kultfilm bei ihrer Regiekarriere geholfen habe?
Laurent: „Ich finde Produzenten und treffe die richtigen Personen. Ich kann aber problemlos die U-Bahn nehmen und mitten im Nirgendwo auf dem Land leben, wo sich niemand für meine Art zu leben interessiert. Ich sehe es als großes Glück, keine Probleme mit der schlechten Seite von Prominenz zu haben.“
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