Im neuen Film "Fatale" wurde das Genre fürs 21. Jahrhundert aufpoliert. Mehr Frauen-Power und mehr Diversität und die spannende Umkehr der Täter-Opfer-Positionen. In "Fatale" ist es eine weiße Frau, die einen afro-amerikanischen Mann belästigt. Nicht nur sexuell. Aus dem, von Michael Douglas gespielten Cop, der seinem "Basic Instinct" freien Lauf ließ, ist eine Polizistin geworden, die ihre sexuellen Gelüste ausgerechnet an einem afroamerikanischen Mann austobt.
Sportreporter Derrick Tyler will einen One Night Stand. Sie aber will mehr. Das macht die Affäre verhängnisvoll. Aus Eifersucht bringt ihn Polizistin Val Quinlan unter Mord-Verdacht, damit sie ihn auch dienstlich Tag und Nacht überwachen kann.
Dem Kurier-Interview stellten sich die zweifache Oscar-Preisträgerin Hilary Swank ("Boys Don’t Cry", "Million Dollar Baby") und Michael Ealy ("Good Wife", "Secrets and Lies") gemeinsam.
KURIER: Sie sind - neben Meryl Streep, Katherine Hepburn und Bette Davis – eine der ganz wenigen Schauspielerinnen, die zwei Oscars als beste Hauptdarstellerin gewonnen haben. War es Ihre Idee, einmal aus dem Charakterrollenfach auszubrechen und eine Femme fatale zu spielen, wie man sie von Alfred Hitchcock kennt?
Hilary Swank: Ich habe den Film zunächst nur produzieren wollen, aber als ich mich zum ersten Mal mit dem Regisseur Deon Tayler traf, meinte er, dass ich total seinen Vorstellungen einer kühlen Hitchcock-Blondine entspräche. Und ich sagte mir: Ja, warum habe ich in den 29 Jahren meiner Karriere noch nie so einen Typ gespielt? Außerdem habe ich so etwas wie das Hitchcock-Genre seit Jahren nicht mehr in unseren Kinos gesehen. Ich war sofort Feuer und Flamme und die Rolle hat mir wirklich Spaß gemacht.
Sportreporter Derrick, den Sie spielen, wird eines schweren Verbrechens verdächtigt. Seine Mutter rät ihm, alles zu tun, um seinen guten Namen zu retten. War es für Sie auch persönlich wichtig, dass die gerade in der Zeit von #BlackLivesMatter die Ehre dieses afroamerikanischen Mannes wiederhergestellt wird?
Michael Ealy: Dass ein schwarzer Mann für den Beweis seiner Unschuld kämpfen muss – noch dazu gegen eine weiße Polizistin, das hat tatsächlich eine große Symbolkraft. Es war mir wichtig, dass er als Mensch gezeigt wird, der nicht für seine eigene Ehrenrettung kämpfen will, sondern auch für die seiner Familie und der gesamten afroamerikanischen Community. Ich wollte zeigen, dass der Charakter eines Menschen nicht von der Hautfarbe abhängt. In gewissem Sinne habe ich mich selbst gespielt.
Die fatalen Frauen sind in Büchern und Filmen körperlich sexy, aber charakterlich kalt und berechnend. Warum sie so geworden sind, spielt dabei keine Rolle. Bei der Figur, die Sie spielen, gibt es einen familiären Hintergrund, der ihren Männer-Hass zumindest begreifbar macht. War es Ihre Bedingung, dass die Frau auch menschliche Gefühle hat?
Hilary Swank: Tatsächlich habe ich gemeinsam mit dem Drehbuchautor und dem Regisseur an einer Hintergrundgeschichte gearbeitet. Demnach ist sie eine Frau, deren Ex-Mann ihr das gemeinsame Kind weggenommen hat. Das war mir sehr wichtig. Ich wollte, dass das Publikum ihre Gefühle nachvollziehen kann. Sie ist eine Frau, die einen Fehler gemacht hat, die Versöhnung mit ihrem Ex-Mann sucht und ihr Kind zurückhaben will. So ein Schicksal wird vielen Frauen bekannt vorkommen. Was aber nicht heißt, dass ich die teils recht gewaltsamen Mittel, zu denen sie greift, gutheiße. Ganz und gar nicht. Aber gesellschaftliche Verantwortung bedeutet, hinzuschauen, wenn andere Menschen etwas erleiden oder tun. Und einzugreifen. Wir wissen, dass es für alles, was wir tun, ein Motiv gibt. Im positiven – und leider auch im negativen Sinne.
Sex und Erotik werden in diesem Film explizit gezeigt - die Gewalt, die daraus entsteht, wird zurückhaltender behandelt. Was das für Sie wichtig?
Michael Ealy: Absolut. Filme, in denen Gewalt ästhetisiert wird, gibt es schon viel zu viele. Welche Wirkung Gewalt auf Charakter und Seele der Menschen – auf die Opfer genauso wie auf die Täter - wird dabei ausgeblendet. Mir hat dieser Film die Gelegenheit geboten, einen Menschen zu spielen, dessen Charakter auf die Probe gestellt und dessen Existenz zertrümmert wird. Zuletzt kämpft er nur noch um seine Würde. Die will er auf keinen Fall verlieren – eher noch sein Leben.
Hilary Swank, in den letzten Jahren sind aus Hollywood in erster Linie Action- und Science-Fiction-Blockbuster und Animationsfilme hervorgegangen. Ihre Filme muten dagegen eher europäisch an. Ich denke da nicht nur an "Fatale", sondern auch an "The Hunt“, eine kompromisslose Abrechnung mit der Spaltung der USA in Liberale und Trump-Wähler. Fühlen Sie sich – was Ihren Filmgeschmack betrifft – eher als Europäerin?
Hilary Swank: Um "Fatale" einen europäischen Look zu geben, haben wir den Kameramann Dante Spinotti engagiert, der in Europa viele Preise gewonnen hat. Außerdem wurde der Film nicht von einem Hollywood- Studio produziert, sondern frei finanziert – mit einem sehr kleinen Budget. Ich liebe es, Geschichten über Menschen zu erzählen. Über Menschen, die vom Leben gezeichnet sind und nicht von einem Trickstudio. Ich weiß auch nicht, warum sich das Hollywoodkino so sehr von der Realität entfernt und sich in Spezialeffekte verliebt hat.
Das Corona-Virus hat unser Leben immer noch voll im Griff und die Theater sind immer noch geschlossen. Glauben Sie, dass das Kino diese Krise überleben wird, oder werden Filme in Zukunft nur noch von Streamingdiensten angeboten?
Michael Ealy: Inzwischen sind die Menschen durch immer neue Lockdowns schon so vereinsamt und verzweifelt, dass sie sich nach Gemeinschaftserlebnissen sehnen. „Fatale“ wurde in einigen Open Air-Kinos gezeigt und es war für mich ein Hochgefühl, zu sehen, wie das Publikum in völligem Gleichklang auf ein spezielles Schockerlebnis in diesem Film reagierte. Bei allen Vorführungen gab es an derselben Stelle dieselbe Reaktion. Jede Kunstform - und so auch der Film – ist geschaffen dafür, sie gemeinsam zu erleben und darüber zu reden, sich auszutauschen. Wir sind nicht dafür geschaffen, allein zu sein. Und wenn wir diese Pandemie dank der Impfungen endlich im Griff haben, werden wir Kinos, Theater, Konzerte, Opern, Museen und das Reisen in andere Kulturen noch mehr schätzen als zuvor. Weil wir dann wissen, wie öde und traurig das Leben ohne Gemeinschaftserlebnisse ist.
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