Ein Jahr, nachdem der Jeffrey-Epstein-Skandal öffentlich wurde, gelang der BBC die Sensation, ein Exklusivinterview mit Prinz Andrew im Buckingham Palast zu bekommen. Am 16. November 2019 ruinierte der Lieblingssohn der Queen seinen Ruf zur Gänze. Dem journalistischen Knüller (engl. Scoop) waren Geheimverhandlungen vorangegangen, das Live-Interview wurde von News-Anchor Emily Maitlis geführt. Die Geschichte wurde nun für Netflix verfilmt. Gillian Anderson spielt in „Scoop“ Emily Maitlis.
KURIER: Können Sie sich an das Interview erinnern? Saßen Sie vor dem Fernseher?
Gillian Anderson: Ich habe es nicht live gesehen, sondern ein paar Tage später, als jeder darüber sprach. Ich war zu nervös, es mir gleich anzuschauen, denn es war klar, dass es peinlich ist. Ich war nicht in der Laune für Peinlichkeit, aber dann schaute ich es mir doch an. Und klarerweise studierte ich es sehr intensiv in Vorbereitung für die Rolle. Ich kenne es jetzt also sehr gut.
Wie war die Arbeit an der Interviewszene? War es nicht Rufus Sewells erster Drehtag als Prince Andrew ?
Ja, es war sein erster Drehtag. Er und ich sind aufs Set gegangen, das eine sehr genaue Nachbildung des South Drawing Room im Buckingham Palace war, ein riesiger Raum. Die Sessel waren zwei Meter voneinander entfernt. Die Idee war, das Ganze von Anfang bis Ende zu filmen. Das waren circa 20 Minuten des 50-Minuten-Interviews. Wir hatten keine einzige Probe. Regisseur Philip Martin fragte: „Wollt Ihr es versuchen?“, wir sagten ja, wurden mit Mikrofonen ausgestattet, setzten uns hin, Beine gekreuzt und los gings.
Wie viele Takes?
Wir filmten es in einem durch, 20 Minuten lang, und dann wiederholten wir die Szenen den Rest des Tages. Manchmal schafften wir es in einem, ohne zu fragen, was die nächste Dialogzeile ist, und manchmal nicht.
Rufus Sewell ist unkenntlich unter all dem Prinz-Andrew-Make-up …
Als wir uns hinsetzten, und ich ihm als Emily Maitlis eine Frage stellte und ihn als Prinz Andrew antworten hörte, war die Ähnlichkeit mit der echten Person frappierend. Jedes kleinste Detail. Die größte Herausforderung für mich war, die Konzentration zu behalten und als Emily zu reagieren, nicht als Gillian. Sonst wäre ich mit „Oh, mein Gott, das ist unglaublich!“ herausgeplatzt.
Sam McAlister, die das originale Interview organisierte und am Drehbuch für „Scoop“ mitarbeitete, sagt, dass sie damals beim Live-Interview kaum ihr Mienenspiel kontrollieren konnte.
Ja, denn wenn sie gleich reagiert und Prinz Andrews Team es gesehen hätte, hätten sie vielleicht schneller gedacht, dass das Ganze nicht gut läuft und nicht in ihrem Interesse ist.
Emily Maitlis ist nicht die erste Rolle, in der Sie eine reale Person spielen. Wo setzten Sie die Grenze, dass es nicht nur eine Imitation wird?
Ich habe Margaret Thatcher in „The Crown“ gespielt, und habe einen Rat bekommen, der sehr hilfreich war für jede Rolle dieser Art: „Es gibt einen Grund, warum sie gerade dich engagiert haben. Daher ist es wichtig, dass ein Teil von dir selbst mit einfließt.“ Wenn man versucht, jedes Detail des eigenen Charakters auszulöschen, wirkt es forciert und unnatürlich, wie eine Kopie. Die Balance findet man, indem man nicht so obsessiv ist und einen Teil von sich selbst zulässt.
Sie haben seit „Akte X“ starke Frauen gespielt. Wie passt Emily in die Reihe dieser unverwüstlichen Frauen?
Unverwüstlich, interessant … In England ist Emily als Superwoman bekannt, weil sie so intelligent ist. Weil sie mit jedem reden kann, harte Fragen stellt, und ihr Gegenüber zur Rechenschaft zieht. Zusätzlich geht sie Eisschwimmen, läuft Marathons und ist Mutter.
Wir leben in einer Welt, in der die Leute den Medien immer weniger glauben. Wie denken Sie darüber?
Wenn Journalisten verantwortlich handeln und für ihre Reportagen zur Rechenschaft gezogen werden, macht das einen Riesenunterschied. Und das wird wichtiger im Zeitalter von KI, die mehr und mehr Teil unseres Lebens wird. Wenn es Rechenschaft in den Medien gibt, dann wird Journalismus etwas Besonderes und Einzigartiges bleiben.
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