Gesetzesnovelle könnte den Digitalradio-Standard DAB+ beflügeln

kronehit-Co-Geschäftsführer Philipp König: „Privatradio-Anbieter werden echtes Interesse daran haben, sich für zusätzliche Programm-Zulassungen proaktiv zu bewerben.“
kronehit prüft als bundesweiter Sender den Einstieg. Der ORF bremst aus Kostengründen beim technologischen Zwischenschritt

Im Windschatten des ORF-Gesetzes wird am Mittwoch im Nationalrat eine Novelle des Privatradiogesetzes abgestimmt. Die könnte einen Schub beim Digitalradio-Standard DAB+ bringen. Der ist seit vier Jahren in einem Großteil Österreichs verfügbar, in der Attraktivität liegt er aber deutlich hinter UKW sowie Streaming. Entsprechende Radiogeräte müssen heute beispielsweise in neuen Pkw verbaut werden.

Die Novelle erlaubt künftig auch großen (UKW-)Radiobetreibern mehrere Programme und damit ein breiteres Angebot via digitaler Terrestrik. Bis zu 6 DAB+-Zulassungen je Anbieter werden möglich. Eine Einschränkung gibt es bei der Bandbreitenbelegung. Aktuell gibt es in Österreich 16 nationale und 15 regionale Radioprogramme auf DAB+. In einem Drittel der heimischen Haushalte gibt es laut Regulierungsbehörde RTR DAB+-fähige Empfangsgeräte.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger erhoffen sich „eine weitere Belebung“. Jedenfalls aus Sicht von kronehit-Co-Geschäftsführer Philipp König ist das berechtigt: „Wir freuen uns auch für die Branche insgesamt über diese durch die Bundesregierung neu geschaffenen Optionen. Erstmals seit zehn Jahren bringt diese Novelle tatsächlich eine Attraktivierung von DAB+. Privatradio-Anbieter werden echtes Interesse daran haben, sich für zusätzliche Programm-Zulassungen proaktiv zu bewerben.“

Refinanzierung

Auch kronehit prüft die neuen Möglichkeiten im Rahmen seiner Multiplattform-Strategie. König: „Ein Zweit-, allenfalls ein Drittprogramm auf DAB+ kann eine Ergänzung zu unserem höchst erfolgreichen, österreichweiten UKW-Angebot sein. Wir evaluieren jetzt, ob und gegebenenfalls welche Programme die mit der Übertragung verbundenen Kosten refinanzieren könnten.“ Strategische Überlegungen hinsichtlich Positionierung spielen ebenso eine Rolle, wie die Frage, ob durch zusätzliche Angebote Synergien entstehen.“

kronehit bespielt online bereits viele (Themen-)Sender und ist über die Radioplayer-App sowie Google und Apple-Home verfügbar. Deshalb stellt König klar: „DAB+ ist aus unserer Sicht ein Zwischenschritt; dies muss bei der Evaluierung zusätzlicher Programme bedacht werden. Die Zukunft gehört, meinen wir, ganz klar 5G-Broadcast in Verbindung mit Streaming. Deshalb forschen wir dazu intensiv und sind auch in das Engagement der ORS eingebunden.“ Eben konnte man beim Wiener Donauinselfest die Auswirkungen großer Menschenmassen auf das 5G-Signal erfolgreich testen. Theoretisch ist zukünftig jedes 5G-Handy ein Radioempfänger, ohne dass das Datenvolumen der Nutzer strapaziert wird.

Zurückhaltung

Zurückhaltend agiert bei DAB+ der ORF. Eine Popularbeschwerde, die auf seinen Versorgungsauftrag abzielt, will das ändern. Allein die technischen Kosten je Sender dürften bei einer Viertelmillion Euro liegen, das bremst die ORF-Ambitionen. Zudem dürfte man, anders als Private, nur das Programm wie auf UKW senden.

Der ORF sieht sein Vorgehen „im Sinne des Gesetzes korrekt.“ Es gehe um optimale Erreichbarkeit und Service für das Publikum bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Betrieb.

„Eine parallele Ausstrahlung auf DAB+ ist teuer und erst dann vertretbar, wenn es dort eine erhebliche Nutzung gibt und der ORF damit auch einen großen Teil des Publikums erreichen kann, das ist noch nicht der Fall“, heißt es gegenüber dem KURIER.“ Es sei auch in Straßentunnels und ländlichen Gebieten keine flächendeckende Versorgung gegeben. Hingegen seien Millionen von UKW-Empfänger in österreichischen Haushalten, Betrieben und Fahrzeugen verfügbar und müssten langfristig weiterhin bespielt werden.

„Das Publikum konsumiert Radio nach wie vor nahezu ausschließlich über UKW“, heißt es in der ORF-Stellungnahme. Die Nutzung von Internet-Streaming für den Radiokonsum steige am stärksten, aber etwas langsamer als erwartet. „Insofern könnte sich DAB+ als zusätzlicher Verbreitungsweg zu UKW für einige Zeit etablieren. In den Reichweiten-Messungen seien DAB-Only-Stationen „ein sehr kleiner, aber doch stetig wachsender Faktor.“

Auch auf dem Küniglberg rechnet man mit dem nun erleichterten Zugang für Senderbetreiber zu DAB+ mit „einer größeren Menge an Varianten von etablierten Musiksendern“ und damit eher „more of the same“.

Die technologische Radio-Zukunft sieht man auch im ORF bei 5G-Broadcast. Das sei „definitiv eine interessante Innovation und die ideale und effiziente Verbindung zwischen Rundfunk und mobilem Internet. Deshalb wird die Entwicklung von 5G-Broadcast, an der die ORF-Sendertochter ORS federführend beteiligt ist, vom ORF unterstützt.“

Auf-MUXen

Sollte es im ORF noch eine Meinungsänderung geben, ist vorgesorgt – aber die Zeit drängt. Am Freitag hat die Medienbehörde KommAustria Planung, Aufbau und Betrieb einer bundesweiten und mehrerer regionalisierbarer Mulitplex-Plattformen (MUX) für die Übertragung von DAB+-Radios ausgeschrieben. Über diese können jeweils ca. 15 DAB+-Radioprogramme verbreitet werden. Optional bietet die KommAustria bei besonderer Nachfrage an, die Ausschreibung um einen bundesweiten „MUX IV“ zu erweitern, der insbesondere für „Must-Carry“-Programme, wie es ORF-Radioprogramme sind, genutzt werden könnte. Die entsprechende Bedarfsmeldung des ORF müsste bis spätestens zum 31. Juli bei der Behörde eingehen.

Kommentare