Doku "Das Forum": Einmal fremdschämen in Davos und retour
„Wenn Sie der Pfarrer einer Kirche wären, dann möchten Sie, dass die Sünder am Sonntag in ihre Kirche kommen“, sagt Klaus Schwab in einer Mischung aus Humor und Ernst. Vor 50 Jahren hat der inzwischen 81-jährige vormalige Maschinenbau-Student und Harvard-Absolvent im Schweizer Davos das Weltwirtschaftsforum (WEF) gegründet. Ab Dienstag versammelt es für vier Tage wieder die Weltelite aus Wirtschaft und Politik und zieht damit auch die Gegenbewegung der Zivilgesellschaft an.
Schwabs Ziel war und ist es, damit die Welt besser zu machen. Dass das geschieht, daran gibt es teils erhebliche Zweifel. Dass „Das Forum“ (23.05, ORF2), so der Titel der Kino-Doku von Marcus Vetter, trotzdem wichtig ist, räumen selbst Kritiker ein.
Mit dem vielfach preisgekrönte Doku-Filmer („Das Herz von Jenin“) hatte erstmals überhaupt ein unabhängiges Film-Team (das zum Teil nur aus ihm und Kameramann bestand) die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu blicken. Das Ergebnis der zweijährigen Arbeit ist „bewusst offen gestaltet.“
Freudige Prüflinge
Zu Beginn gibt es Szenen zum Fremdschämen, wenn Chefs von Weltkonzernen in freudiger Erwartung von Lob und Deals bei US-Präsident Donald Trump sitzen. Doch die Doku verfängt sich nicht im erwartbaren Schwarz-Weiß-Schema, das nur das grassierenden Misstrauen gegenüber Eliten bedient. „Natürlich machen sie dort viele Geschäfte, aber eben nicht nur.“
Der 53-Jährige Deutsche zeichnet in der Folge ein komplexes Bild vom Treiben der Großen und Mächtigen und von der Institution hinter dem WEF: Man erlebt, wie Jair Bolsanaro wie ein Paria in der Ecke steht und er und Ex-US-Vize Al Gore Missverständnisse produzieren. Man wird Zeuge, wie Politikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hinter verschlossenen Türen „auf diplomatisch“ die Leviten wegen Menschenrechtsverletzungen gelesen werden. Man sieht, wie Jennifer Morgan von Greenpeace die Chance nutzt, ihre Botschaften und Kritik direkt an den Mann zu bringen. Man bekommt aber auch mit, welche Arbeit im Sinne Schwabs das Forum abseits des Gipfeltreffens in der Schweiz liefert.
Besonderer Moment
„Ein besonderer Moment des Films“ ist für Vetter, als sich Schwab, eine der weltweit am besten vernetzten Persönlichkeiten, darauf einlässt, einen geharnischten Brief von Greta Thunberg vorzulesen – und auf Augenhöhe zu beantworten. „Das zeigt, dass Schwab ein Mensch von Format ist, der Kritik am Forum und an ihm, die auch berechtigt sein mag, aushält und annimmt. Er ist jemand, der Tag für Tag mit Beharrlichkeit und Ernsthaftigkeit für seine Vision einsteht. Da muss man sich dann auch fragen, was machen eigentlich wir?“, meint Vetter – der die von Produzent Christian Beetz initiierte Arbeit zunächst gar nicht machen wollte. Grund: „Vorurteile.“
Was Vetter erstaunt: „Ich bekomme mehr Reaktionen als damals bei ,Das Herz von Jenin‘.“ Manche seien „wütend, aber die Mehrzahl ist überrascht und sieht etwas ganz Neues.“ Vielleicht wirkt Schwabs Credo doch: „Reden und vor allem, dass man auch reden lässt, ist absolut notwendig für das Zusammenleben und den Zusammenhalt in unserer Welt.“
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