Die Landesstudios sind eine eigene Macht, die zuletzt wieder am Montagabend ihre Muskeln spielen ließ: Der Hauptabend auf ORF 2 wurde ab 20.15 Uhr von einem regionalisierten Jahresrückblick bestritten. Jedes Bundesland gestaltete eine eigene Sendefläche, die zeitgleich ausgestrahlt wurde.
Gleich drei von neun Landesstudios hatten ein Interview mit dem Landesoberhaupt auf Sendung: Die Steiermark, wo der seit Juli amtierende Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) von seinem neuen politischen Lebensabschnitt berichtete. In Kärnten sah man Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) über die Zukunft des Flughafens Klagenfurt debattieren. Und ein Landesstudio brachte gar ein Landesoberhaupt, das aktuell Wahlkampf führt: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die sich am 29. Jänner der Wiederwahl stellt, wurde mit recht wohlwollenden Fragen konfrontiert. Etwa diese: „Frau Landeshauptfrau. Sie waren und sind viel unterwegs im Land bei allen möglichen Branchen und Betroffenen dieser Energiekrise. Wer braucht denn das Geld am Allermeisten?“ Oder: „Vor zwei Monaten haben Sie einen Plan samt Ausbauprogramm präsentiert, wie Niederösterreich bis 2040 energieautark werden soll. Jetzt gibt es Kritiker, die sagen, da muss man noch mehr tun. Geht das auch schneller als bis 2040 ihrer Meinung nach?“ (Die Antworten fielen entsprechend aus: Niederösterreich tue viel für die Betroffenen, so Mikl-Leitner und ja: Niederösterreich sei jetzt schon in vielen Bereichen der Energiewirtschaft ein Vorbild).
Hier zeigte sich: Auch wenn der niederösterreichische Landesdirektor Ziegler wegen mutmaßlicher Erfüllung von Wünschen der ÖVP sein Amt vorübergehend ruhend gestellt hat, muss sich die Landespolitik vor kritischen Fragen nicht fürchten.
Die „Bundesland heute“-Sendungen zählen zur Folklore des heimischen Medienmarktes. Vor der „Zeit im Bild“ schaltet jedes Bundesland um 19.00 Uhr eine eigene Nachrichtensendung, die regionalen Bezug hat, viel Chronikberichterstattung hat, so manche Passage zum Brauchtum und viel Verständnis für die Mächtigen im Land.
Auch in der Bundeshauptstadt, wo der Wiener Bürgermeister stets über satte Mehrheiten verfügt, waren die Interviews früher von der eher harmlosen Sorte. Legendär etwa die Wahlrunde im Oktober 2015, in der sich der damalige „Wien Heute“-Chefredakteur Paul Tesarek bei Themen wie Steuern oder Verkehr inhaltlich in die Diskussion einbrachte und die Argumentationslinie der damals regierenden SPÖ-Grün-Koalition vertrat.
Heute weht in Wien ein anderer Wind: Der Jahresrückblick kam ohne flächendeckende Präsentation der Stadtpolitik aus. Dafür gab es einen Schwerpunkt zu Long Covid und ein Studiogespräch mit der abgeschobenen georgischen Schülerin Tina, die sich wieder mit Schülervisum in Österreich aufhält. Auch Vorarlberg zeigte sich journalistisch ambitioniert: Die Affäre um den ÖVP-Wirtschaftsbund war dem Landesstudio sogar ein Expertinnengespräch mit Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle wert.
Von ähnlichem Anspruch war auch die Sendung des ORF Tirol, wo Ex-EU-Kommissar Franz Fischler zu einem ausführlichen Gespräch über die Herausforderungen der Politik geladen war. Der Landeshauptmann bekam hier keine eigene Plattform. Zwei tiefschwarze Bundesländer, in denen Journalismus im Landesstudio hochgehalten wird.
Am Montagabend zeigte sich sehr exemplarisch: Das frühere verrufene „Landeshauptmann-TV“ emanzipiert sich mittlerweile. Leider noch nicht überall.
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