Winger hatte davor Stoffe zum Zweiten Weltkrieg gescheut. Angesichts der Flüchtlingskrise 2015/’16 erinnerte sie sich an Frys Geschichte, las Julie Orringers Roman „The Flight Portfolio“ – und änderte ihre Meinung. Weil es „eine positive Geschichte ist“, sagt sie. „Das erwartet man beim Thema Zweiter Weltkrieg zunächst nicht, es geht um Kreativität, Gemeinschaft, Humor, Freundschaft und Romantik. Dinge, die uns daran erinnern, dass wir auch in Zeiten einer Krise am Leben sind.“
Bei „Transatlantic“ schlug sie einen anderen Weg als „Schindlers Liste“ ein und verwendete auch komische Elemente. Winger: „Ich dachte darüber nach, wie es wohl für die Filmteams war, die damals aus Deutschland verbannt wurden, als Flüchtlinge nach Hollywood gingen und die damals beliebten Filme und Screwball-Komödien drehten. In ihrer Arbeit haben sie sich mit ihrer Beziehung zu den Geschehnissen in Europa beschäftigt.“
Filme wie „Casablanca“
Sie habe sich an diese Tradition gehalten und an Filmen wie „Casablanca“ oder „Sein oder Nichtsein“ orientiert. „Für Lubitsch, Curtiz, auch Wilder, waren Humor, Romantik und Unterhaltung eine Möglichkeit, etwas zu verarbeiten, das unmöglich zu akzeptieren und zu verstehen ist“, sagt die US-Autorin.
Neben Cory Michael Smith (als Fry) ist Gillian Jacobs als Mary Jayne Gold, Frys Komplizin, zu sehen. Sie schummelt sich in mehreren Verkleidungen in ein Gefängnis, um Passfotos von Inhaftierten für gefälschte Ausreisepapiere anzufertigen.
Lucas Englander spielt den aus Berlin emigrierten Albert Hirschmann, zentraler Fluchthelfer im ERC und späterer US-Wirtschaftswissenschafter. Im KURIER-Gespräch erinnert der Wiener daran, dass man in den USA anfangs eher reserviert gegenüber Flüchtlingen war. „Amerika wollte zunächst nicht gerade viele haben – außer vielleicht Reiche und Prominente. Deswegen wurde diese Liste erstellt, und durch sie eine neue Art von Visa. Im Laufe der Zeit haben die Leute vom ERC immer tiefgründiger verstanden, wie wichtig es ist, Kultur zu schützen. Und Kultur ist ja nicht einfach ein Produkt, sondern Kultur sind viele Gehirne oder Seelen gemeinsam, also Menschenleben.“
Das ERC sei „auf gewisse Art und Weise eine Familie“ geworden. „Eine Familie mit Ziel, die mehr als 2.000 Menschen aus Frankreich in Sicherheit bringen konnte.“ Unter den Geretteten waren Hannah Arendt, Marc Chagall, Marcel Duchamp, Max Ernst, Heinrich Mann, Franz Werfel und viele weitere.
Österreich als "Herzenswunsch"
Englander selbst engagiert sich in der Nachfolgeorganisation des ERC, dem Immigrant Rescue Service. Er sage sich immer wieder gerne: „In uns allen steckt ein Martin Luther King. Jeder und jede kann etwas Besonderes leisten. Alle Menschen sind wichtig und alle brauchen ein Mindestmaß an Sicherheit.“
Der 30-Jährige startete seine Schauspielkarriere in Frankreich, lebt mittlerweile in Berlin und „zwischen einigen Städten Europas“. „Es ist mir ein Herzenswunsch, in Österreich zu arbeiten, und ich hoffe, dass ich auch in der österreichischen Filmwelt ein Zuhause finde. Sie berührt mich und freut mich.“
An seiner Seite tritt in „Transatlantic“ Burgschauspielerin Deleila Piasko (als Lisa Fittko) auf, die Kamera führten die Wiener Wolfgang Thaler und Sebastian Thaler. Showrunnerin Winger, die einen mehrjährigen Exklusiv-Deal mit Netflix hat, freut sich über die Österreichbezüge. Sie sagt: „Es ist noch nicht weit gediehen, aber ich habe eine Idee für ein Projekt, das mit Österreich zu tun hat. Ich liebe Österreich!“
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