Corona-Verschwörern rückt jetzt "Der Exorzist" viral zu Leibe
„Ich bin das Volk!“, schreit eine offenbar besessene junge Frau in ihrem von Kerzen spärlich erleuchteten Zimmer. Verschwörerisch sitzt sie vor einem Altar mit Trump-Porträt und wettert gegen „Zionisten-Gesocks“ und Microsoft-Gründer Bill Gates. Das alles mit verzerrter Stimme, wie man es aus dem Horror-Klassiker „Der Exorzist“ kennt. Ein ebensolcher Exorzist ist bereits angerückt und kümmert sich um den laut der Mutter des Mädchens hoffnungslosen Fall. Die Austreibung beginnt. Während sich drinnen üble Splatter-Szenen (fast) ohne Mund-Nasen-Schutz abspielen (nichts für schwache Nerven), fährt draußen ein Golf vorbei, aus dem Autoradio säuselt fast verschämt Xavier Naidoos „Dieser Weg wird kein leichter sein“. Untertitel: *Unhörbarer Lärm*
Virales gegen das Virus
Der unterhaltsame eineinhalbminütige Kurzfilm, der Corona-Verschwörungstheoretiker aller Couleur auf die Schippe nimmt, wurde von dem anonymen deutschen Kollektiv Alpha DT produziert und via Youtube und soziale Medien verbreitet. Der Anspruch: Virales gegen das Virus. Die etwas rüde Botschaft am Ende: „Shut up and wear a Mask.“
"Maske tragen, ganz einfach"
Die verzweifelte Mutter in "Corona-Exorzist" wird von Brigitte Zeh (bekannt aus „Keinohrhasen“) gespielt, das besessene Mädchen mimt die Nachwuchsschauspielerin Greta Bohacek. Exorzisten-Darsteller Daniel Krauss, den der KURIER kontaktiert hat, gibt sich zur Entstehungsgeschichte des Kurzfilms schweigsam, sagt nur: „Die Pandemie geht um, und wenn wir das verhindern wollen, dann müssen wir Maske tragen, ganz einfach.“
Der deutsche Schauspieler, bekannt durch zahlreiche Film- und Fernsehrollen, hat in dem Genre bereits Erfahrung. 2007 trat er in der Trash-Action-Horror-Komödie „Der Goldene Nazivampir von Absam 2 – Das Geheimnis von Schloß Kottlitz“ auf. 2015 wirkte Krauss auch im ersten Youtube-Video von Alpha DT mit. Im Jahr der Migrationskrise wurden in „Social Media Bastards“ Hasskommentare gegen Flüchtlinge in bitterböser Manier aufs Korn genommen und deren Urheber von filmischen Nazijägern im Tarantino-Stil verfolgt.
Derweil wird das aktuelle "Corona-Exorzist"-Video im Netz fleißig verbreitet. Dem auf Facebook aktiven „Bergdoktor“ Hans Sigl gefällt’s, ebenso TV-Comedian Oliver Kalkofe, der es auf Twitter teilte. Für „Kalkofes Mattscheibe Rekalked“ auf Tele 5 führt Daniel Krauss übrigens Regie.
Einfache Botschaft gegen "Verschwörungsheinis"
Schließlich melden sich auch jene Leute, die tatsächlich federführend hinter Alpha DT stehen, beim KURIER. Sie sagen: "Wir zwei sind aus der Werbe- und Filmbranche und haben die Schnauze voll. Der Stuss, den die Verschwörungsheinis von sich geben, erzielt eine zu große öffentliche Wirkung." Den "doofen Parolen der Bildungsfernen" wolle man daher "eine klare wie einfache Botschaft entgegenhalten: Halt die Fresse und trag ´ne Maske."
Ob ein solches aggressives Statement eine geeignete Antwort ist? "Wir geben keine Antwort, wir machen eine Ansage", sagen sie. "Denn was soll die Frage gewesen sein? Bist du bereit deinen Mindestbeitrag zur Bekämpfung einer Pandemie beizutragen? – das steht nicht zur Diskussion."
Für die Anonymität habe man sich entschieden, weil es nach dem 2015er-Video gegen Rechts auch konkrete Drohbotschaften gegeben habe. Im aktuellen Fall wolle man dies beibehalten, um die Aussage nicht in einen unnötigen Kontext zu stellen.
Viele Mitstreiter und ein Corona-Fall
Hinter Alpha DT würden viele Mitstreiter und Kollegen aus mehreren Bereichen der Filmbranche stehen, "so etwas kann man nicht alleine durchziehen", sagt einer der Macher, ein Produzent aus Berlin. Was die Dringlichkeit des Anliegens der guerilla-artigen Film-Aktivisten noch zu unterstreichen scheint: Derzeit hat einer der beiden mit einem Corona-Fall in einer Filmcrew zu kämpfen. Wie viele weitere Produktionen nun von diesem einen Fall betroffen sind, das könne er "nicht mal anfangen abzuschätzen."
Aber er sagt auch: "Unsere Branche braucht man nicht bemitleiden, da gibt es weit aus Relevantere, die mehr leiden. Der Leidtragende ist der mit dem positiven Befund."
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