Der Dreh für die „Braunschlag“-Fortsetzung geht zu Ende. Nach 14 Jahren standen Ofczarek und Palfrader wieder als Pfeisinger und Tschach vor der Kamera. Viel habe sich nicht verändert, sagt Regisseur David Schalko.
14 Jahre hat es gedauert, bis Regisseur David Schalko wieder an den fiktiven Ort seines bisher größten Serienerfolges zurückgekehrt ist: Braunschlag. 14 Jahre entspreche ungefähr der Halbwertszeit nach einem Atomunfall, sagt er. Es ist – außer dem Titel „Braunschlag 1986“ – der bisher einzige Hinweis auf die mögliche Handlung des Nachfolgers der achtteiligen Kultserie. Nun werden, auch aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten, anstatt acht Folgen nur zwei abendfüllende Teile hergestellt. Nach 45 Drehtagen im nördlichsten Waldviertel heißt es am 13. August: Drehschluss.
In dieser Langversion spricht David Schalko auch über seine Heimat Waldviertel, die Arbeit an einem Agentenroman und über den Gaza-Krieg.
KURIER:Wie war es für Sie, wieder „Braunschlag“ zu drehen – mit der alten Gang?
David Schalko: Es ist schon etwas Besonderes. Ich habe noch nie eine Fortsetzung gemacht, in dieser Hinsicht ist es ein erstes Mal. Ich komme auch an einen Ort zurück, derein Stück meiner Heimat ist. Und es ist interessant, zu sehen, wie sich die Figuren entwickelt haben. Es war das erste Mal, dass wieder alle zusammengekommen sind und das war eigentlich wie vor 14 Jahren. Alle hatten großen Spaß daran – es ist halt jetzt ein bisschen weniger Jungscharlager.
In welcher Hinsicht? Wir haben damals ein halbes Jahr gedreht und alle haben im Feriendorf Litschau gewohnt. Außerdem sind wir alle ein bisschen älter geworden. Da will man nicht mehr jeden Abend zusammensitzen und trinken, sondern ist auch froh, wenn man einmal nach Hause kommt.
Sie haben sich bisher immer gegen Fortsetzungen entschieden. Warum? Wenn ich mir eine Serie anschaue, habe ich meistens nach der zweiten Staffel schon genug. Ich schaue selbst gerne Mini-Serien, die sich dazu entschließen, etwas fertig zu erzählen. Ich möchte auch nicht zehn Jahre lang mit einem Stoff verbringen, nur weil er erfolgreich war oder aufrechterhalten werden muss. Meistens ist das längst auserzählt.
Was ist jetzt bei Braunschlag anders?
Ich habe über die Jahre keine Sekunde an eine Braunschlag-Fortsetzung gedacht. Aber dann hatte ich eine Idee für eine Geschichte. Erst dann dachte ich mir, dass das Umfeld von Braunschlag dafür eigentlich ideal wäre.
Kam die Idee beim Aufwachen? Das ist zumindest die Legende, so wie sie Nicholas Ofczarek im Interview erwähnt hat.
Also ich hatte noch nie Ideen beim Aufwachen. Meistens vergesse ich meine Träume. Leider auch viele Ideen. (lacht)
Das Ende der ersten Staffel war offen gestaltet. Es war also Vieles möglich. Ich wollte damals bewusst keine Fortsetzung, daher habe ich das Ende so gesetzt. Aber im Hinterkopf hatte ich: Wenn man eine macht, dann erst 14 Jahre später, weil das ungefähr der Halbwertszeit bei Atomunfällen entspricht.
Sind Sie wieder an denselben Drehorten? Ja, wir drehen mehr oder weniger in der gleichen Umgebung, Eisgarn war ja ein zentraler Drehort. Es hat sich auch kaum etwas verändert. Viele Locations haben wir so vorgefunden, wie wir sie verlassen haben. Wir haben sogar das Leuchtschild der Disco Lametta unter einer Stiege gefunden – und haben es wieder eingesetzt.
Musste man manche auch überzeugen, mitzumachen? Nein, es fanden eigentlich alle sofort schön und lustig, das nach 14 Jahren noch einmal zu machen. Die große Kunst war eher, alle wieder zur selben Zeit an denselben Ort zu bringen.
Diesmal gibt es zwei Filme statt acht Folgen. Warum? Geplant waren ursprünglich sechs Teile. Aber dafür hätte man eine Co-Finanzierung aus dem Ausland gebraucht, die ließ sich aber nicht verwirklichen. Vielleicht ist Braunschlag dafür auch zu österreichisch. Die Streamer und auch die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland sparen und tun sich mit zweiten Staffeln sowieso schwer. Netflix hat die erste Staffel im zweiten Fenster übernommen und zeigt sie seit zwölf Jahren. Das ist für sie natürlich wesentlich günstiger als es selbst mitzuproduzieren.
Wie wirkt sich das auf die Erzählweise aus? Braunschlag bleibt dadurch rein österreichisch. Und kompromisslos. Die Verdichtung hat natürlich einen größeren Umschreibprozess erfordert, aber das hat dem Ganzen nicht geschadet – im Gegenteil. Es sind jetzt halt zwei Hauptabendfilme, die im Februar fertig sind und die man dann hoffentlich relativ schnell im Jahr 2026 ausstrahlt, weil sie auch eine politische Relevanz haben.
Wie sehr hat das schlechte Wetter die Dreharbeiten beeinflusst? Natürlich spielt das eine Rolle. Aber man kann auch im Regen drehen, das unterstreicht sogar noch das Schottische des Waldviertels. Zum Teil hatten wir überdimensionales Glück, dass genau über uns die Wetterscheide war. Dann hat es drei Kilometer weiter geregnet und bei uns nicht. Verschieben können wir ja nicht, weil wir so ein großes Ensemble haben, in dem einige Schauspieler dann schon wieder Sperrtermine haben und weil wir auch budgetär sehr knapp unterwegs sind.
Wie ist die Unterstützung durch die Bevölkerung? Wir fühlen uns sehr willkommen. Die Leute helfen uns sehr – von der Feuerwehr bis zu Menschen, die mit ihren lokalen Netzwerken helfen, wenn wir aus der Umgebung etwas brauchen.
Sie kommen ja aus dem Waldviertel. Wie ist es für Sie, hier zu drehen? Meine Verwandtschaft lebt zu großen Teilen noch hier und meine Eltern sind oft da. Auch wenn ich in Wien aufgewachsen bin, liegen hier meine Wurzeln. Ich bin nicht oft da, aber wenn, dann gern. Ich freue mich, dass ich jetzt mehrere Monate hier verbringen konnte und nicht nur zwei Tage. Da kann man die Landschaft und die Leute wieder ein bisschen mehr inhalieren.
Was macht das nördliche Waldviertel für Sie aus? Die Mentalität der Leute, die sicher nicht gleich mit jedem reden. Ich mag auch die Ruhe, es ist hier im Norden noch nicht so ein gentrifiziertes Gebiet, wo lauter Bobos herumrennen. Viele Wiener haben eher im südlichen Waldviertel ihre Ferienhäuser. Die tschechische Grenze spielt hier natürlich eine große Rolle, hier im Norden ist es ein bisschen rauer und das mag ich sehr gern. Und in Zeiten wie diesen ist es nicht unangenehm, wenn es ein bisschen kühler – also schottischer - ist.
Wie funktioniert das Zusammenspiel von Pfeisinger und Tschach diesmal? Wie Walter Matthau und Jack Lemmon – sie sind wie ein altes Ehepaar und brillieren gemeinsam. (lacht) Sie sind in Hochform. Man kann sich sehr freuen auf sie.
Was bedeutet "Braunschlag" heute für Sie? Ich werde noch immer oft darauf angesprochen. Mittlerweile kann ich es sehr schätzen, dass da etwas entstanden ist, das vielen Leuten etwas bedeutet und seinen kleinen Platz in der österreichischen Kultur-DNA hat. Ich weiß gar nicht, ob das heute noch so möglich wäre. „Braunschlag“ entstand in einer Zeit, wo es noch nicht so viele Serien gab. Heute wird jede Woche über eine andere Serie geredet und vier Wochen später hat man sie schon wieder vergessen.
Es hat mir sicher Projekte ermöglicht, die man sonst nicht drehen hätte können. Ein Experiment wie „Altes Geld“ wäre ganz sicher nicht möglich gewesen, wenn „Braunschlag“ nicht erfolgreich gewesen wäre. In den letzten zehn Jahren habe ich mich mehr experimentellen Sachen gewidmet. Die mussten sich trotzdem ihren Platz immer wieder selbst erobern, weil sie ja eben keine innerliche Fortsetzung von Braunschlag waren. Insofern hat sich Braunschlag dann irgendwann als etwas angefühlt, das schon sehr lang her ist.
Auch "Braunschlag" hatte seine absurden Momente, aber auch sehr gute Quoten. Wie erklären Sie sich das?
Es erzählt ein bisschen etwas über die Unterschätzung des Publikums seitens der Sender. Redakteure glauben oft zu wissen, wie der Zuschauer tickt und beurteilen das anhand von statistischen Listen. Und wenn dann etwas vom Publikum angenommen wird, das mit diesem Kalkül nichts zu tun hat, freut mich das besonders. Dann weiß man auch, dass man noch nicht in einer rein algorithmischen und vorhersehbaren Welt lebt. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, daran zu erinnern, dass diese Dinge im gebührenfinanzierten Fernsehen auch Platz haben müssen.
Sie haben sich besonders vehement zu Wort gemeldet, als die Kürzungen bei ÖFI+ fürs kommende Jahr Das Grundproblem ist, dass eine Wirtschaftsförderung im Kulturministerium gelandet ist. Und dass dieses Geld dann vom Kulturminister als Kunstförderung verstanden worden ist. Dass dieses massiv gekürzte Geld in die selektiven Mittel des ÖFI abgeflossen ist, hilft dem österreichischen Arthouse-Film, weil dort schon seit einem Jahrzehnt nicht valorisiert worden ist.Natürlich begrüße ich, dass es kurzfristig die Kontrolle gibt, dass das Geld in Österreich bleibt, sonst wäre es schon im kommenden Jänner wieder weg gewesen. Aber ÖFI+ ist somit abgedreht worden.Das heißt, wir sind im Augenblick eines der wenigen europäischen Länder, das kein Wirtschaftsmodell für Kinofilme hat. Das ist nicht mit Subventionen zu verwechseln. Weil es kein Geld ist, das vom Ausland abgeholt wird, sondern hier investiert wird und dem Finanzministerium drei Mal so viele Einnahmen bringt. Mir ist klar, dass Babler nun vorweisen kann, schon im ersten Jahr viel eingespart zu haben. Es folgt aber eine totale Minimierung der Einnahmen in den kommenden Jahren. Und damit eine Schrumpfung eines Wirtschaftszweigs. Das ist für mich nicht zielführend.
Welche Aussichten sehen Sie nun?
Da Babler sich für die Kulturpolitik engagieren möchte, hoffe ich, dass das geplante Tax Incentive Modell sehr schnell kommt. Die Ansage war, dass man Anfang des kommenden Jahres bereits eine Lösung installiert hat, um zu verhindern, dass die österreichische Filmwirtschaft einbricht. Da kann man nicht sagen: Machen wir einmal eine Arbeitsgruppe und schauen, was passiert. Die Investment Obligation dürfte sowieso schon vom Tisch sein. Man hat also etwas versprochen, bevor man sich wirklich damit auseinandergesetzt hat. In Deutschland versucht man schon seit Jahren, so eine Investitionsverpflichtung auf die Beine zu stellen. Die Streamer stellen natürlich jede mögliche Hürde auf, das kann man nicht einfach so beschließen. Es ist ein sehr komplexes Thema. Es hat einen Grund, warum wir zehn Jahre für ein österreichisches Anreizmodell gelaufen sind. Und das dann einfach so leichtfüßig abzudrehen, halte ich für einen verantwortungslosen Akt.
"Das führt zu einer Reprovinzialisierung"
Aber auch FISAplus ist derzeit im Leerlauf. Man weiß zum Beispiel von der Vienna Film Commission, dass es für die zweite Hälfte dieses Jahres keine einzige internationale Anfrage gab. Internationale Serien wie „White Lotus“ bringen nicht nur Renommee für Österreich, das ist auch für die Touristenbranche ein Riesenthema – da braucht man nur nach Sizilien schauen, wo eine Staffel gedreht wurde. Es führt zu einer Reprovinzialisierung Österreichs, wenn man Filmförderung so versteht. Man versteht es dann letztlich wie eine Kommunalförderung. Film funktioniert aber anders. Es ist ein internationales Geschäft. Man kann nur mitspielen, wenn man sich auch international aufstellt.
Sie schreiben an einem Agentenroman. Was reizt Sie an dem Genre?
Ich habe schon sehr lange darüber nachgedacht, so etwas zu schreiben. Was mit dem Faktum zu tun hat, dass speziell in Wien Spionage legal ist. Diese Agentenwelt ist ein interessantes Feld, fast schon ein Tourismuszweig. Aber ich schreibe keinen klassischen Agentenroman, das können Leute wie John le Carré besser. Ich benutze das Genre, um etwas anderes zu erzählen.
Ruht das derzeit? Im Kopf ruht es nicht, aber an den Fingern schon. Während eines Drehs kann man natürlich nicht weiterschreiben.
In unserem letzten Gespräch haben wir auch über Gaza gesprochen und über problematische, teils antisemitische Positionen in der linken Reichshälfte. Die Kritik an Israel hat inzwischen eine wesentlich breitere Basis. Aber werden die richtigen politischen Mittel eingesetzt, um einer Lösung des Konflikts näherzukommen?
Zunächst sollte man sich daran erinnern, dass das, was da passiert, auf dem 7. Oktober 2023 basiert. Ergo einem unfassbaren Verbrechen der Hamas. Aber mittlerweile stehen die Vorgänge in Gaza in keiner Dimension mehr dazu, das lässt sich moralisch nicht legitimieren. Vor allem nicht mit dem jüdischen Grundsatz: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Hier werden 100 Zähne für einen gefordert. Man kann das auch nicht damit legitimieren, dass Netanyahu die Hamas auslöschen will. Jeder weiß, dass man die Hamas auf diese Weise nicht auslöscht, sondern dass die Leidtragenden die Zivilbevölkerung sind. In diesem Fall bereits 19.000 getötete Kinder. Dass man Leute aushungert, oder überlegt, sie zu vertreiben, um in Gaza - nach den Worten Trumps - eine Riviera aufzubauen, geht über das Wort Zynismus weit hinaus. Das sind Fantasien, die man von politischen Großverbrechern hört. Falls das passiert, würde es Netanyahu zu einem Mann machen, der in einer Reihe mit großen Kriegsverbrechern der Geschichte steht.
"Man kann zurzeit für keine Seite Partei ergreifen"
Mit Kritik an der Politik Israels bekommt man rasch auch Applaus von der falschen Seite.
Niemand schadet Israel mehr als Netanyahu. Das muss man einfach klar sagen. Und wenn man Netanyahu oder den Staat Israel kritisiert, auch als Österreicher, ist man deswegen kein Antisemit und stellt damit auch das Existenzrecht von Israel nicht in Frage. Im Gegenteil: Ich darf den Staat Israel kritisieren, weil ich ihn anerkenne. Und: Netanyahu ist nicht Israel. Es gibt dort sehr viele Menschen, die gegen diesen Krieg sind. Es kann auch nicht sein, dass Netanyahu und seine Leute den Staat Israel in Geiselhaft nehmen, und auch den Holocaust, den sie damit gewissermaßen verharmlosen, um ihn für ihre Sache zu instrumentalisieren. Ich halte aber auch nichts davon, dass Frankreich und andere den palästinensischen Staat anerkennen wollen. Was sie damit anerkennen, ist eigentlich die verbrecherische Hamas. Daher kann man in diesem Konflikt derzeit für gar niemanden Partei ergreifen. Man müsste Netanyahu und die Hamas so schnell wie möglich loswerden, damit dieser Konflikt endlich lösbar wird.
Kommentare