Von "Alarmsignal" bis "Arschbombe": Reaktionen auf Einschnitte bei Filmförderung

Die im heute vorgestellten Sparbudget der neuen Bundesregierung enthaltenen Einschnitte für die österreichische Filmwirtschaft sind auf den ersten Blick auffallend ungleich verteilt. Während das Budget für die Förderschiene ÖFI+ (für Kinofilme) im kommenden Jahr von heuer 37,5 Millionen Euro auf 15,5 Millionen Euro schrumpfen wird, sinkt das Fördervolumen bei FISA+ (TV, Streaming, internationale Serviceproduktionen) nur von rund 90 Millionen Euro auf 80 Millionen Euro.
Die drastischen Einsparungen im Bereich Kino (ÖFI+) begründet das von Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) geführte Kulturministerium so: Man sei ein „besonders schwieriges Erbe“ angetreten, weil die Vorgängerregierung ein de facto ungedeckeltes Filmanreizsystem etabliert habe.
Zur Erinnerung: Für 2025 waren 37,5 Mio. Euro vorgeschlagen. Da dieser Betrag aber bereits erreicht war, waren ab 15. Jänner keine Einreichungen mehr möglich und es wurde Geld zugeschossen - auf eine bisherige Summe von 44,3 Millionen Euro für 2025. „Die ungedeckelte Handhabung der ÖFI+ Förderung war nicht nachhaltig und nicht treffsicher. Schon im Jänner waren alle Mittel aufgebraucht, die die Vorgängerregierung für das ganze Jahr eingeplant hatte“, schreibt das Ministerium. Diese Ausgaben hätten zu einer „massiven Belastung des Kunst- und Kulturbudgets“ geführt. Daher werde die ÖFI+ Förderung ab 2026 mit 15,5 Mio. Euro budgetiert. „Das spart 22 Millionen Euro“ betont das Kulturministerium (BMWKMS). Das demnächst ein Deckel eingezogen werde, hatte das Ministerium bereits im März auf KURIER-Anfrage angekündigt.
Streamingabgabe soll Einsparungen kompensieren
Kulturminister Babler kommentiert nun: „Ungedeckelte Förderungen sind in Zeiten von Budgetknappheit keine gute Idee, sie verunmöglichen jede Planung. Ausgleichen werden wir die Einsparungen bei der Filmförderung durch eine Investitionsverpflichtung von Streaminganbietern. So tragen die größten Profiteure unserer lebhaften Filmindustrie zu ihrem Erhalt bei.“
Mit der sogenannten Investment Obligation, die auch Im Regierungsprogramm steht, sollen Streaming-Anbieter dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer österreichischen Einnahmen in österreichische Produktionen zu reinvestieren. Mehrere EU-Länder haben bereits eine solche Streamingabgabe eingeführt - in Frankreich beträgt sie etwa 25 Prozent der Umsätze. Ob eine solche Maßnahme bereits 2026 budgetrelevant wird, ist derzeit offen.
Kinofilm trägt 58 Prozent der Einsparungen
Das Kulturministerium betont, dass der Kulturbereich insgesamt 38,1 Mio. Euro zur Budgetsanierung beitrage. 22 Millionen Euro davon stammen aus der ÖFI+-Förderung, also rund 58 Prozent.
Filmemacher David Schalko (TV-Serien „Kafka“, „Braunschlag“) verwies auf Instagram darauf, dass Babler ursprünglich von einer „Delle“ gesprochen habe. „Eine Delle wären 15 Prozent Einsparung gewesen“, so wie es zunächst als allgemeine Devise ausgegeben worden sei, schreibt Schalko: „15 Prozent soll jeder Bereich im neuen Budget solidarisch einsparen“, habe es geheißen. Dass der Kinofilm nun beinahe 60 Prozent der Kultureinsparung tragen müsse, sei „ eine klare Botschaft an uns Filmschaffende: #NICHTMEINKULTURMINISTER“
ÖFI-Direktor: "Sehr harter Einschnitt"
Weniger emotional, aber dennoch besorgt, nahm der Direktor des Österreichischen Filminstituts (ÖFI), Roland Teichmann, die Nachricht auf. „Es war zu befürchten, dass der Sparzwang, der überall besteht, auch hier durchschlägt. Aber das ist schon ein sehr harter Einschnitt in die Kontinuität bei ÖFI+“ kommentierte er im Gespräch mit dem KURIER. Mit 15,5 Millionen Euro sei man im kommenden Jahr bei einem Drittel des Bedarfs. Mit diesem Volumen sei das neue Filmanreizmodell im Jahr 2023 gestartet, „schon damals hat sich gezeigt, dass das viel zu wenig ist.“
„Nun müssen wir damit umgehen", sagt Teichmann. "Insbesondere über den Wertschöpfungsbonus bei ÖFI+ sind viele größere internationale Koproduktionen nach Österreich gekommen, es wird schwer werden, hier die Kontinuität aufrechtzuerhalten.“
Vertreter der Wirtschaftskammer: "Es drohen Drehstopps"
Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Filmproduzent und Obmann des WKO-Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft, betrachtet die massive Kürzung von ÖFI+ als "Alarmsignal". Dies hätte "gravierende Auswirkungen auf den österreichischen Kinofilm und den Standort Österreich. Wenn es für 2025 keine zusätzlichen Mittel geben würde, wären alle Kinofilme gefährdet, die bereits über die Grundfinanzierung verfügen und deren Finanzierung nun nicht geschlossen werden kann." Die "massive Reduktion" der Mittel für 2026 gefährde den Standort und zahlreiche Projekte. Dumreicher-Ivanceanu: "Es drohen Drehstopps, Verschiebung von Projekten, steigende Arbeitslosigkeit und eine massive Reduktion der Kinofilme für das heimische Publikum." Gleichzeitig käme es zu einem Verlust an öffentlichen Einnahmen. Er verweist darauf, dass "für jeden Euro aus dem Film-Anreizmodell 1,42 Euro an Einnahmen für die Republik zurückkommen. Es sei "nicht nachvollziehbar, warum das ÖFI+ Budget 2026 auf nur mehr 40 Prozent absinken soll, während gerade der Film hohe Wertschöpfung und Beschäftigung schafft - und das in einer Zeit, in der der österreichische Film international große Erfolge feiert und es gelungen ist, das Filmland Österreich auf der internationalen Landkarte erfolgreich zu verorten."
Die Akademie des Österreichischen Films betonte in einer ersten Reaktion zwar die grundsätzliche Bereitschaft, solidarisch einen Teil zu den Einsparungen beizutragen. Dennoch würden die Kürzungen das heimische Filmschaffen hart treffen. "In den letzten beiden Jahren wurden durch die Förderungen viele Arbeitsplätze geschaffen und die österreichische Filmbranche konnte sich auch auf dem internationalen Markt höchst erfolgreich etablieren", hieß es in einem Statement des Akademie-Präsidentschaftsduos Verena Altenberger und Arash T. Riahi. "Die Entscheidung, ÖFI+ in den kommenden Jahren in der Form einzuschränken, bremst einen boomenden Wirtschafts- und Kulturzweig abrupt ein und wird zu einem massiven Einbruch der Branche führen."

Wolfgang Hattmannsdorfer hat nicht ganz so schlechte Neuigkeiten.
FISA+: Wirtschaftsministerium spricht von "Bekenntnis zur Filmwirtschaft"
Im Wirtschaftsministerium (BMWET(, das die Förderschiene FISA+(für TV, Streaming und internationale Serviceproduktionen) verwaltet, spricht man hingegen von einem „starken Bekenntnis zur Filmwirtschaft – bei gleichzeitiger Budgetdisziplin“. Trotz "notwendiger Einsparungen" bleibe die Filmförderung „ein klarer Schwerpunkt der Bundesregierung“. Die bisher (dem Sinn nach) ungedeckelte FISA+-Förderung werde künftig budgetär begrenzt, bereits 2025 auf rund 60 Millionen Euro regulär – diese Summe werde aus Rücklagen des Ministeriums um rund 20 Millionen Euro aufgestockt. Damit werde die Förderschiene „budgetär abgesichert und effizienter gesteuert“.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) lässt sich folgendermaßen zitieren: „Mit 80 Millionen Euro für FISA+ setzen wir ein klares Signal in Richtung Filmwirtschaft: Jeder Förder-Euro löst das Dreifache an Investitionen aus. Gleichzeitig kommt auch ein fiskalischer Effekt hinzu: Jeder Euro kommt 1,2 bis 1,5-fach via Steuern und Abgaben wieder retour in die Staatskasse. Die Filmförderung ist damit nicht nur ein kultureller Beitrag, sondern ein starker wirtschaftlicher Motor für den Standort Österreich und sichert tausende Arbeitsplätze.“
Im Vorjahr lag das Fördervolumen bei rund 90 Millionen Euro. Damit wurden 2024 insgesamt 93 Projekte gefördert, laut Auskunft des BMWET sind für 2026 rund 55 Millionen Euro eingestellt, und "wie auch 2025 wird versucht werden, eine gewisse Flexibilität an den Tag zu legen".
Die Produzentenverbände AAFP und Film Austria kommentieren diese Entwicklungen gegenüber dem KURIER so: "Für FISAplus hat man im Wirtschaftsministerium eine Lösung gesucht und gefunden, die trotz der Krisensituation des Bundesbudgets und der Sparzwänge das Weiterarbeiten der Filmwirtschaft in den Bereichen TV und Streaming ermöglicht. Darum hat man sich sichtlich sehr bemüht und dafür bedanken sich die Produzentinnen-Verbände."
"Ultimative Arschbombe" beim Kinofilm
"Demgegenüber eine völlig andere Situation", sehen die Produzenten "bei ÖFI+, der eigentlich identischen Standortförderung für Kinofilme. Anstatt mit Augenmaß zu sparen wird ÖFI+ offenbar mehr als halbiert". Mit Blick darauf, dass die Kürzung dort fast 60 Prozent aller Einsparungen im gesamten Kulturressort trage, resümiert man: "Der österreichische Kinofilm liegt offenbar niemandem mehr am Herzen. Die Planungssicherheit ist zerstört, viele Arbeitsplätze werden verloren gehen, Produktionsfirmen, vor allem kleinere Produzentinnen und Produzenten werden zusperren müssen - und auf den internationalen Filmfestivals verkommt Österreich zu einer peinlichen Lachnummer: großes Getöse um die österreichische Lösung, nachweislich evaluierter wirtschaftlicher Effekt, und jetzt nach gerade mal zwei Jahren die ultimative Arschbombe."
In einer Aussendung legen die Verbände noch nach. Sie bezeichnen Andreas Babler als "Totengräber des österreichischen Kinofilms" und resümieren: "Sparen ja, auch bei ÖFI+: Aber Kulturminister Babler fehlt offensichtlich jedes Augenmaß dafür."
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