Showrunnerin von Amanda-Knox-Serie: „Jeder glaubt, der Gute zu sein“

Grace van Patten in der Serie "The Twisted Tale of Amanda Knox".
Wegen Mordverdachts geriet Amanda Knox 2007 in die Schlagzeilen. Vier Jahre saß sie in Haft, ehe sie endgültig freigesprochen wurde. Showrunnerin K.J. Steinberg im Interview über die Serie "The Twisted Tale of Amanda Knox".

Fast zwanzig Jahre ist es her, dass die italienische Stadt Perugia zum Schauplatz eines Mordes wurde, der noch lange für internationale Schlagzeilen sorgen sollte. Am 1. November 2007 wurde die britische Austauschstudentin Meredith Kercher tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Unter Verdacht geriet ein junges Paar: Kerchers Mitbewohnerin, die damals 20-jährige US-Amerikanerin Amanda Knox, und deren italienischer Freund Raffaele Sollecito. Vier Jahre saßen beide in Haft, ehe sie 2015 nach langem Rechtsstreit vom obersten Gericht Italiens endgültig vom Vorwurf des Mordes freigesprochen wurden: In dem Urteil wurden „verblüffende Mängel“ bei der Untersuchung festgestellt.

Knox kehrte in die USA zurück, schrieb zwei Bücher und sprach in einer Netflix-Dokumentation über die Geschehnisse. Nun ist ihre Geschichte in der Serie „The Twisted Tale of Amanda Knox“ (Disney+) auch in fiktionaler Form zu sehen. Als Showrunnerin zeichnet K.J. Steinberg („This Is Us“) verantwortlich. „Ich war natürlich sofort vom Namen Amanda Knox fasziniert“, berichtet Steinberg im Zoom-Gespräch mit dem KURIER. „Ich wusste, dass sie polarisiert und genau das hat mich neugierig gemacht – besonders in einer Zeit, in der unser gesellschaftlicher und politischer Diskurs von Fake News überschwemmt wird. Ich wollte herausfinden: Wer ist Amanda Knox? Warum hat sie so eine starke Wirkung auf Menschen? Und warum haben viele so extreme Meinungen über sie – über ihre Schuld oder Unschuld, aber auch über sie als Person?“

Schlechter Ruf

Erzählt wird in der Serie von Knox’ Einvernahme, dem Prozess, ihrer Freilassung und dem Versuch, nach den Geschehnissen ein normales Leben zu führen – all das begleitet von einem immensen Medienrummel. Die internationale Presse hatte sich auf die junge Frau gestürzt, intime Details aus ihrem Privatleben an die Öffentlichkeit gezerrt und ihr Spitznamen wie „Engel mit den Eisaugen“ oder „Foxy Knoxy“ gegeben.

Durch das unfreiwillige Dasein im Zentrum des Medieninteresses lernte Knox später Monica Lewinsky kennen. Sie war in den 90ern nach einer Affäre mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton selbst in die Schlagzeilen geraten. 2021 verarbeitete sie in der Serie „Impeachment: American Crime Story“ ihre Geschichte. Knox bezeichnete ihre Verbindung in einem Interview einmal als „Schwesternschaft des schlechten Rufs“. Bei „The Twisted Tale of Amanda Knox“ sind beide Frauen Executive Producer.

„Als ich erfahren habe, dass Lewinsky beteiligt ist, wusste ich, dass Integrität im Zentrum des Projekts steht“, so Steinberg. Knox sei e eine engagierte kreative Partnerin gewesen. Ihre Perspektive sei „sehr präsent“, aber nicht die einzige, die in der Serie gezeigt wird. So wird auch die Sicht von Giuliano Mignini geschildert – jenem Staatsanwalt, der in dem Fall ermittelt hatte.

Monica Lewinsky mit Amanda Knox bei der Serien-Premiere zu "The Twisted Tale of Amanda Knox".

Monica Lewinsky mit Amanda Knox bei der Serien-Premiere.

Für Szenen vor dem Mord bedienten sich die Serienmacher am Stil von “Die fabelhafte Welt der Amélie”. Knox und Sollecito hatten die französische Romantikkomödie in der Nacht, in der Kercher ermordet wurde, gemeinsam gesehen. Steinberg sieht in Amélies Mischung aus Naivität und Verträumtheit Parallelen zu Knox' Haltung. Genau diese war damals von Medien kritisch beäugt worden, Lachen oder Unbekümmertheit wurden als unpassend bis verdächtig gewertet.

Unmut

Wenig erfreut über die Produktion zeigten sich die Hinterbliebenen des Opfers, die nicht in die Entstehung involviert war. „Unsere Familie hat so viel durchgemacht und wir verstehen nicht, welchen Zweck das erfüllen soll“, erklärte Meredith Kerchers Schwester Stephanie im Vorjahr dem Guardian. Und auch in Italien wurde Unmut laut: Als im vergangenen Herbst in Perugia gedreht wurde, reagierten Einwohner der Stadt mit Plakaten mit der Aufschrift „Rispetto per Meredith“ („Respekt für Meredith“). Bürgermeisterin Vittoria Ferdinandi entschuldigte sich später in einem offenen Brief dafür, die Drehgenehmigung erteilt zu haben: Sie habe die Trauer der Menschen nicht ausreichend berücksichtigt.

Gab es nie Bedenken, diesen sensiblen Fall zu verfilmen? „Eine Geschichte zu erzählen, die auf dem echten Leben basiert, ist eine große Verantwortung. Das haben wir sehr ernst genommen“, sagt Steinberg. Über drei Jahre habe sie für das Projekt recherchiert. „Nichts wurde auf die leichte Schulter genommen, im Writers’ Room wurden jede Szene und jedes Thema ausgiebig diskutiert.“

Sie teile dieselbe Grundhaltung wie Knox: „Jeder Mensch wacht morgens auf und glaubt, er sei der Gute. In unserer Serie gibt es keine eindimensionalen Bösewichte. Was wir zeigen wollen, ist, wie gutmeinende Menschen durch Vorurteile, falsche Narrative und Überzeugungen dazu beitragen können, dass Unrecht geschieht.“

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