10 Jahre "Bergwelten" auf ServusTV: Hoch hinaus mit dem Eichhörnchen
Ein „Eichhörnchen“ kann gehörig Wind machen. „Das Kapperl würd’ ich gleich einstecken“, sagt ein Mitglied der „Flying Bulls“. Also geht es ohne Kopfbedeckung zum Hubschrauber. Ein französischer AS 350 B3+ Écureuil, auf deutsch: Eichhörnchen.
ServusTV hat den Heli nach Annaberg im Lammertal (Szbg.) kommen lassen, um letzte Bilder für eine Making-Of-Sendung zum 10. Geburtstag der Dokureihe „Bergwelten“ (Montag, 24. Oktober, 20.15 Uhr) zu drehen – und um einen Eindruck zu vermitteln, wie die spektakulären Bilder für die Sendungen entstehen.
Siegfried "Blacky" Schwarz, langjähriger Chefpilot der Red-Bull-Fliegertruppe, erzählt, dass 2005 ein „Eichhörnchen“ am Gipfel des Mount Everest landete. So hoch geht es heute nicht hinauf. Aber ein Wolkenband, das beharrlich am Gosaukamm hängt, kann bei einem Novizen auch ein flaues Gefühl auslösen.
„Blacky“ beeindruckt das wenig. Das sehe nur aus unserem Blickwinkel so dramatisch aus, „man kommt immer irgendwie hin“, um die Kletterer abzufilmen. Wobei das Hinkommen dem Novizen keine Sorgen macht – eher das Herunterkommen. Der erfahrene Flieger punktet mit Witz: „Wir haben uns impfen lassen gegen Hunger, Erdbeben und Flugzeugabsturz.“
Abheben
Nach dem Abheben sind wir in einer Minute oben am Kamm, einige dichte Wolken sind noch da, zum Glück weiß „Blacky“ genau, was sich dahinter verbirgt. Ein unglaubliches Panorama. Gosausee. Dachstein. Und unter uns die „Himmelsleiter“ (OÖ), an der Kletterer unterwegs sind.
Camera-Operator Stefan Urmann blickt auf einen Monitor und steuert eine Art Kamerakugel, die außen vorne montiert ist. Per Joystick kann er die Alpinisten heranziehen, mit Blende und Schärfe spielen. Rotierende Kreisel im Gehäuse halten die Kamera stabil, auch wenn der Heli von Windböen erfasst wird.
Per Headset spricht sich Urmann mit dem Piloten ab, vieles läuft aber intuitiv, denn der Schwebeflug am Berg erfordert hohe Konzentration. Weniger als 30 Meter fliegen wir an die Seilschaft heran. Es ginge noch näher. „Ein Rotorblatt Abstand, das geht sich schon aus“, sagt Schwarz. „Aber die Kamera hat einen unglaublichen Zoom, da müssen wir nicht so nah hin.“ Früher, als die Kameraleute noch auf dem Landegestell hingen, hätten sie „immer viel näher hin“ gewollt, erzählt er.
Die neuen Kamerasysteme, die vor zwanzig Jahren Einzug hielten, machten das Filmen sicherer. „Ich bin in einer komfortableren Situation“, sagt Urmann lachend. „In den letzten Jahren sind Bilder entstanden, die man mit hängendem Kameramann nicht produzieren konnte.“
Das Hängen nicht erspart bleibt jenen, die direkt in der Wand filmen. Profi-Kletterin Barbara Zangerl, die gerade mit Alex Luger am Angerstein unterwegs war, sagt: „Man kann nur mit sehr erfahrenen Kameraleuten in die Wand gehen, die selber Kletterer oder Bergführer sind.“
In der Wand
Dabei müssten sie oft zwei Mal klettern. Zuerst würden die Seile fürs Kamerateam fixiert. „Dann wird die Wand noch einmal frei geklettert. Das Ziel ist, jede Seillänge sturzfrei und ohne technische Hilfsmittel zu klettern. Das Filmteam hängt über uns und filmt die ganze Aktion mit.“
Die Alpinisten übernachten mitunter sogar im Wand-Biwak hängend, weil bei Sonnenaufgang das Licht besonders gut ist. Ebenso lohnt es sich, gegen Abend zu drehen.
„Meine Hauptaufgabe ist, den Stefan zufriedenzustellen – was gar nicht so einfach ist“, sagt Pilot „Blacky“. „Und auch drauf zu schauen, dass er irgendwann aufhört zu filmen. Ihm wären natürlich zehn Anflüge aus allen möglichen Winkeln am Liebsten. Aber immer geht’s halt nicht.“
Ergänzend gibt es heutzutage auch Drohnenflüge. Diese könnten Hubschrauberdrehs, die pro Stunde bis zu 6.000 Euro kosten, aber nicht verdrängen, weil Bildqualität und Reichweite geringer sind.
Solche Produktionen in den Bergen sind auch extrem wetterabhängig. Zangerl: „Wir hatten heute sehr viel Glück, dass die Wand trocken blieb und nur wenig Nebel war. Es war wirklich ein kleines blaues Fenster über uns. An den Bergen rundherum hat’s ständig geregnet.“
„Das ist Bergfilm. Du weißt nie, ob’s funktioniert“, sagt Filmemacher Gerald Salmina („Streif“, „Mount St. Elias“) der immer wieder für „Bergwelten“ dreht. „Das Ganze ist nur was wert, wenn du die Bilder auch nach Hause bringst und alle gesund sind. Der eigene Ehrgeiz darf nicht mit dir durchgehen. Es ist nur ein Bild, nicht mehr.“
Anruf bei Mateschitz
Sendungschef Hans-Peter Stauber ergänzt: „Die tollste Action und die schönsten Bilder bringen nichts, wenn ich den Menschen keine Geschichte erzähle.“ Das wolle er mit „Bergwelten“ erreichen. Gern erinnert er sich an die Anfänge. Nachdem das legendäre ORF-Bergmagazin „Land der Berge“ 2004 eingestellt wurde, war er wieder ausschließlich Sportreporter und sehnte sich zurück zu Dokuformaten – und in die Berge. Ein nächtlicher Anruf bei Dietrich Mateschitz habe dann alles in Gang gebracht. Auch der Sendungstitel gehe auf den "Chef" zurück.
Damals war der Privatsender aus dem Hause Red Bull noch in Aufbau. Mittlerweile spricht ServusTV mit „Bergwelten“ ein bergbegeistertes Publikum an – und ist Ankerplatz für viele Kletterer im Alpenraum, wie auch der rege Besuch der Szene beim Jubiläumsevent auf dem Winterstellgut in Annaberg zeigt.
Stauber möchte auch die Auswirkungen des Klimawandels zeigen, „aber nicht mit erhobenem Zeigefinger“. Ein Projekt mit den Huberbuam an der Eiger Nordwand wurde aus Sicherheitsgründen schon mehrmals verschoben, berichtet er. „Die Berge zerbröselt es derzeit.“
Es gelte, sie zu beschützen, und gleichzeitig die Faszination zu erhalten. Stauber: „Die Berge haben etwas Erhebendes, geben Weitblick. Wir wollen die Menschen dazu animieren, höher hinaufzugehen und weiter zu schauen.“
970 Gipfel
wurden in zehn Jahren „Bergwelten“ erklommen, rund eine Million Höhenmeter zurückgelegt. 1 Petabyte (1.000 Terabyte) an Rohmaterial wurde gedreht. Oder: Zwei Jahre Fernsehen am Stück
Abenteuer
Die 211 Sendungen führten von Grönland über Island nach Sibirien, von Yosemite Valley, über Mount Kenya bis in die Antarktis. Für Reinhold Messners Mount-Everest-Doku gab es 2019 die ROMY.
Ein Schwerpunkt liegt dennoch auf dem Alpenraum. Erfolgreichste Episode war jene übers Ausseerland mit im Schnitt 232.000 Zusehern und 6,8 Prozent Marktanteil im Lockdown
Jubiläumssendung
„10 Jahre Bergwelten ... hinter den Kulissen“: Montag, 24. Oktober, 20.15 Uhr, ServusTV
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