Mayer designiert Bachmann: „Damit die Burg wieder gestürmt wird“
Größer hätte die Schmach nicht sein können: Martin Kušej schaffte es nach den Hearings nicht einmal in den Vorschlag, den die Findungskommission Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer unterbreitet hat. Die Performance des Burgtheaterdirektors muss desaströs gewesen sein: Statt über seine Vorhaben ab dem Sommer 2024 zu reden, soll er nur über den unwürdigen Umgang mit ihm geklagt haben. Also: Er konnte „den Startvorteil, den er als amtierender Direktor hatte, nicht nutzen“, so Mayer.
Die Kommission – unter anderem mit Iris Laufenberg (Schauspiel Graz), Ensemblesprecher Philipp Hauß und Christian Kircher, dem Chef der Bundestheater – nannte ihr also nur zwei Personen, die zu beeindrucken vermochten. Und eine war Stefan Bachmann, seit 2013 Intendant am Schauspiel Köln.
Der Schweizer, 1966 geboren, wurde tatsächlich gefunden, angerufen von Deloitte. Ob er noch nicht auf die Idee gekommen sei, sich zu bewerben. Bachmann dachte einen Tag lang nach – um zu antworten: „Ich habe Lust.“ Dieses Sich-Einlassen „auf die Burg“ habe ihm viel Spaß gemacht.
Ja, Bachmann redet von der „Burg“. Kušej hatte die Abkürzung auf den Index gesetzt, denn das Haus sei ein Theater, keine Burg. Bachmann sieht es ganz anders. Im Zuge seiner Recherchen hätte jemand zu ihm gesagt: „Das ist eben die Burg.“ Und dieser Begriff sei der Aufhänger für seine Überlegungen geworden. „Ich bin vom Wort ’Burg’ nicht losgekommen. Es ist eben die Burg. Was heißt das? Sie sieht ja aus wie eine Burg. Ist sie verschlossen? Oder schützt sie etwas? Und wenn ja: Wogegen? Ich finde es inspirierend und toll, mich an dem Begriff abzuarbeiten. Für mich ist es die Burg.“
Wie eine Rückkehr
Stefan Bachmann redet mit einem Enthusiasmus, der ansteckt. Mayer wusste bereits nach der ersten Begegnung: „Er ist der Richtige. Er geht mit Freude an die Sache heran.“ Sie halte – wie auch Bachmann – nichts von den Hiobsbotschaften, dass die Besucher nicht mehr ins Theater kommen würden. Und der Regisseur vermittelte ihr glaubhaft, dass er alles tun werde, „damit die Burg wieder gestürmt wird“.
Auch er hat einen Startvorteil: Er kennt die Burg gut – aus der Ära von Klaus Bachler, in der nicht nur Kušej legendäre Inszenierungen stemmte. Denn er war vier Jahre lang Hausregisseur. Bachmann sagte daher bei der Pressekonferenz, dass es sich „ein bisschen wie eine Rückkehr“ anfühle. Und das sei ein gutes Gefühl. Vermisst hätte er, wie er im Gespräch erklärte, zum Beispiel das Wiener Lebensgefühl. Das sei „so was Schwarzhumoriges. Man lacht im Angesicht des Todes, das ist manchmal hilfreich, auch im Alltag.“
Aus Deutschland bringt er reichlich Erfahrung mit, wie man in der heutigen Zeit ein Theater zu führen hat. „Ich bin noch in einer Zeit sozialisiert, in der das Vorbild eines Intendanten aus dem brüllenden, herrschenden Machtmenschen bestanden hat.“
Er hätte damit schon immer Schwierigkeiten gehabt, sein Umdenken hin zu flachen Hierarchien wurde aber durch einen Vorfall in Köln beschleunigt: Ihm wurde 2018 vorgeworfen, auf Mobbing durch seine als Schauspielerin engagierte Frau Melanie Kretschmann ungenügend reagiert zu haben. „Das war sehr schmerzhaft“, sagte Bachmann. „Ich habe die Vorwürfe ernst genommen.“ Es gab Mediation, Coachings und Weiterbildung für Führungskräfte. „Ich bin sehr sensibel geworden, was meine Wirkung anbelangt.“ Mayer gewann jedenfalls den Eindruck, dass Bachmann aus den Vorfällen gelernt habe, dass es sich nicht um Worthülsen handle, wenn sich Bachmann für einen Transformationsprozess ausspricht.
Eine Regie pro Saison
Gelernt haben auch die Bundestheater. Bachmann erhält einen Fünf-Jahres-Vertrag, in dem eine Regiearbeit pro Saison ausdrücklich gewünscht ist. Jede weitere Inszenierung ist genehmigungspflichtig – und es brauche auch das Okay von Kircher, falls Bachmann seine Frau zu verpflichten gedenke.
Bachmann erklärt sich einverstanden. „Natürlich ist meine Frau Schauspielerin. Und die wird nicht hier rumsitzen und Däumchen drehen.“ Er arbeite mir ihr seit mehr als zwei Jahrzehnten zusammen. Also: „Ich kann mir vorstellen, dass sie an der Burg spielt. Wenn das mit der Holding besprochen ist und offen gehandhabt wird: Dann ist das nicht allein meine Entscheidung – und gut.“
Es ist zudem zu erwarten, dass er seine „Truppe“ mitbringt. Denn er arbeitet erfolgreich mit Olaf Altmann (Bühne), Sven Kaiser (Musik), Jana Findeklee und Joki Tewes (Kostüme) sowie Sabina Perry (Choreografie, Bewegungsarbeit) zusammen.
Er wisse aber, was er am Ensemble hat: „Es ist einzigartig, es ist das Herz! Es macht den Kern des Burgtheaters aus!“ Bachmann vermittelte bei der Vorstellung nicht den Eindruck, dass er dieses komplett umzubauen gedenke. Und er bekennt sich auch dazu, täglich den Lappen hochgehen zu lassen: „Wenn man ein so großes Ensemble hat, dann verpflichtet das einen auch dazu.“ Obwohl es anders einfacher wäre. Denn eine Reduktion der Vorstellungen schont bekanntlich das Budget.
Über seinen Spielplan will er noch nichts verraten. „Die Ideen sollen nicht wegschimmeln!“ So bleiben ein paar programmatische Sätze – inklusive Bekenntnis zu klassischen Stoffen: „Theater ist Erneuerung, Entwicklung, Avantgarde, es kann aber auch ein bisschen Museum sein. Dass die Klassiker überleben können, ist genauso wichtig. Ich setze mich sehr für den Artenschutz ein.“
Mit dem Begriff Nationaltheater tue er sich etwas schwer, aber österreichische Dramatik werde es geben – er selbst hat ja mehrfach Wolfgang Bauer oder Elfriede Jelinek inszeniert. Und: „Ich bin eine humorvolle Person. Man soll auch lachen dürfen im Theater.“ Das hat er mit seinen Inszenierungen hinlänglich bewiesen.
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