Koketterie mit Nostalgie und Ironie

Max Raabe singt vom „ewigen Durcheinander menschlicher Beziehungen“ 
Kritik: Max Raabe war mit Palastorchester und seiner Show "Eine Nacht in Berlin" in der Wiener Stadthalle.

Ein Lockruf ins Land des Lächelns und in die Welt der Nostalgie. Max Raabe ist wieder mit seinem Palastorchester auf Tournee mit einem neuen Programm vor allem immergrüner deutscher Schlager der 1920er- und 1930er-Jahre: Mit "Eine Nacht in Berlin" zauberte der Sänger zwei Abende lang Tanzcafé-Atmosphäre in die Wiener Stadthalle.

Ob Foxtrott, Paso Doble, Tango oder eine Rumba aus Kuba mit Vogelgezwitscher. Da "tun kleine Lügen nicht weh". Da laust der Gorilla in seiner Villa im Zoo seine Gorillagattin. Und ein launiges "Ich steht mit Ruth gut" macht schmunzeln wie viele andere Fundstücke und Schätze der Schellack-Zeit.

Potiphars Weib entflieht ihrem alten Gatten, um "In der Bar zum Krokodil" zu feiern. Und bei "Dort tanzt Lulu" von Will Meisel spielt das 12-köpfige Orchester mit verschieden gestimmten Glocken.

Zwischendurch herrlicher Unsinn vom Chansonnier, der – im schwarzen Smoking und mit weißer Fliege adjustiert – die Tanzsaal-Eleganz längst vergangener Zeiten verkörpert.

Spitzbübisch

"Wenn ein kleiner Zufall will" von Walter Jurmann, dessen Witwe im Publikum sitzt, leitet er mit Überlegungen zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung ein: "Ich bin mit der Liebe durch: Ich mach’ es wie der Lurch!"

"Du hast mich nie geliebt" erzählt von Herzschmerz, enttäuschter Liebe und verletztem Ego. Mittendrin eine kurze Generalpause. Das Publikum tappt in die Falle und klatscht voreilig. Und Raabe antwortet trocken: "Ist gleich vorbei."

Ins Schlager-Bukett gemischt sind Poplieder der Alben, die mit Annette Humpe entstanden sind und nicht weniger ins Gemüt gehen als die Oldies aus der Großväterzeit: "Küssen kann man nicht alleine" und "Für Frauen ist das kein Problem".

Ohne charmant servierte kleine Witze und Scherze geht’s nicht. Einmal verlässt Max Raabe unauffällig die Bühne, singt plötzlich vom Rand des Parketts zum Streichquartett auf der Bühne. Dann geht das Licht aus und ein Spot an – auf Raabe als Pappfigur, die mitten im Orchester steht. Sie wird via Filmprojektion lebendig und dankt den Solisten. Und natürlich gibt’s als Zugabe noch das Lied vom kleinen grünen Kaktus, ohne das keiner nach Hause gehen will.

KURIER-Wertung:

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