Max Raabe im Interview: Heiterer Wohlfühlshowinist

Interview mit Max Raabe, deutscher Sänger und Leiter des Palast Orchesters in Berlin
Max Raabe findet: "Der perfekte Moment ... wird heut verpennt".

Er kann einem leidtun. Aber Max Raabe ist auf Stippvisite in Wien auch noch nach fast einem Dutzend Interviews in Serie noch in Redelaune: "Ich habe immerhin dreieinhalb Jahre an meinem neuen Album gearbeitet. Jetzt will ich auch, dass die Leute etwas davon erfahren. Da werde ich auch nicht müde, etwas darüber zu erzählen." Und wenn er nichts zu plaudern hat, dann hält er eben den Mund. "Dann mache ich auch keine Homestory."

"Der perfekte Moment … wird heut verpennt" besteht aus zwölf neuen Titeln über viele kleine Momente des Alltags und entstand in kreativer Zusammenarbeit mit – wie schon zuletzt – Annette Humpe ("Ich + Ich"), mit den Rosenstolz-Machern Daniel Faust, Peter Plate und Ulf Leo Sommer, außerdem mit dem Musiker Achim Hagemann (u. a. "Die Popolski Show", Hape Kerkelings "Hurz").

Retro, aber mit Ironie

Lieder allein schreiben mag Raabe nicht mehr. "Man kommt mit anderen Leuten auf viel wildere Ideen, musikalisch und textlich sowieso", sagt der Sänger und Entertainer im KURIER-Gespräch.

"Ich mag auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen: Mit Annette Humpe sitze ich am Küchentisch mit dem Ringbuchblock. Während die Jungs von Rosenstolz gleich im Studio nach Harmoniegerüsten und Strukturen suchen, auf denen man dann improvisiert. Oder man sitzt mit Achim Hagemann am Klavier im Wohnzimmer. Jeder hat seinen ganz eigenen Stil."

Auf sie hat sich Max Raabe, der vor wenigen Tagen seinen 55. Geburtstag gefeiert hat, "komplett eingelassen". Und sie wiederum auf ihn: "Es gab hinter dem ganzen Album kein intellektuelles Konzept. Keine große Idee. Wir haben einfach angefangen."

So singt er in "Guten Tag, liebes Glück" beweglich und heiter davon, wie das Glück bei ihm auf der Couch rumlümmelt, aber auch vom aufkeimenden schlechten Gewissen, weil das Glück doch nun andernorts fehle, um zu hoffen, dass es bliebe.

Er gibt den liebeskranken Nörgler in "Côte d’Azur", entstanden aus dem Gedankenblitz "Côte d’Azur ist, wenn du nicht bei mir bist, auch nur ein Strand mit Sand", erzählt Raabe, der zum Nachtschwärmer wird in "Ich sing am liebsten, wenn der Mond scheint" oder zum schwarzhumorigen Hypochonder in "Heut bring ich mich um".

Wohltemperiert geht’s zu im oft erstaunlich sparsam instrumentierten Wohlfühl- und Entschleunigungssound. Ein Anklang ans "Ave Maria" offenbart sein "Faible für Bach, vor allem wenn seine Musik nur von einem Instrument gespielt wird."

Manches kommt auch ohne die für den Bariton im Frack mit Gentleman-Qualität so typische ironische Brechung aus, ohne das Augenzwinkern im Unterton.

Etwa "Willst Du bei mir bleiben". Raabe: "An dem Stück habe ich erkannt, was wir intuitiv immer schon gemacht haben: Ich verbiege mich nicht für die Pop-Musik, sondern ich biege mir die Pop-Musik so zurecht, dass sie auf mich passt."

An den Texten sei zu erkennen, was er an den alten Liedern mag. "Würde ich aber jetzt auch die Musik dazu schreiben, dann klänge das wie ,Rinderwahn‘ oder ,Kein Schwein ruft mich an‘. Da könnte man nicht erkennen, dass das heutzutage entstanden ist. Und dann wäre es ein Etikettenschwindel."

Gute-Laune-Musik

Tradition und Moderne will er im Einklang: "Wichtig ist mir, die Haltung von damals ins Heute zu transportieren, aber die Beats, die müssen modern sein."

Was hat sich in 31 Jahren auf der Bühne mit seinem Palast Orchester geändert?

"Meine Stimme ist schöner geworden." Raabe lächelt. "Nein, Scherz beiseite. Wir sind wirklich besser geworden. Ich möchte, dass die Leute nach einem Konzert sagen: ,Ein toller Abend!‘ So war’s schon immer. Also hat sich eigentlich gar nichts geändert."

Der Frack von damals passt auch noch?

"Der Frack ist ja ein Möbel, das vorne offen ist. Und die Weste hat hinten Gummi. Also der Frack passt immer."

Täuscht der Eindruck, dass Max Raabes Genre, die Schlager der 20er- und 30er-Jahre auch ein bisschen Begleitmusik der heutigen politischen Verhältnisse sind?

"Das wäre zu einfach", sagt der Sänger ernst. "Die Schlange kommt immer in anderen Gewändern. Irgendwo hat man das Gefühl, dass wir wieder in so einer Zeit leben, kurz bevor etwas passiert. Aber es bricht immer anders los, als man es vorher ahnen konnte. Und erst im Rückblick fragen dann alle: Warum hat man das denn damals nicht gesehen? Aber komischerweise spürt man, dass etwas passieren, dass bald plötzlich etwas losbrechen könnte."

Live in Österreich

  • 13. 3. Salzburg
  • 14. 3. Graz
  • 15. 3. Linz
  • 16. und 17. 3. Wien
  • 11. 11. Bregenz

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