Mit ruhiger Stimme spricht er die Geschichte um den Kohlenmunk-Peter aus dem Schwarzwald. Daxer untermalt mit wunderschönen Volksweisen und stimmungsvoller, lautmalerischer Musik – sie spielt etwa ein Gewitter nach.
Der Kohlenmunk-Peter, der für Geld und Erfolg dem bösen, riesenhaften Holländermichl sein Herz verkauft und dafür einen kalten Stein eingesetzt bekommt, begleitet Müller seit dem sechsten Lebensjahr, als er eine „sehr liebevoll und gut gespielte“ Langspielplatte hörte, wie Müller im Gespräch erzählt. Fasziniert war er etwa von der Figur des Glasmännleins: „Es verkörpert nicht nur das Gute, sondern ist auch eine strenge moralische Instanz.“
Gier gestern und heute
Der Holländermichl wiederum sei „eine unglaublich starke, böse Figur. Wenn man alles von ihm wegrechnet, bleibt die personifizierte Gier. Er tut alles nur mehr für kapitalistische Zwecke. Er sagt: ,Hast du Geld, dann geht alles, dafür nehme ich dir aber deine Lebensfreude weg.‘
Es gebe psychologische Abhandlungen über den Stoff. Was dem Peter widerfährt, werde als Depression beschrieben, sagt Müller. Auch eine Art Autismus werde thematisiert, man sei „einfach nicht mehr kompatibel für das Gegenüber. Und du kannst so vieles von dem mit Geld in Verbindung bringen.“
Hauff habe als 25-Jähriger unerhörte Sätze geschrieben. Etwa: „Gib mir das kaum pochende Ding, und du wirst sehen, wie gut du es dann hast.“ Im selben Jahr, 1827, starb Hauff an Typhus. Die Kohlenbrenner, Peters Beruf, gehörten damals zu den Ärmsten, dazu wurde ihr Handwerk durch die Industrialisierung obsolet. „Ausbeutung war ein Riesenthema“, sagt Müller, „ich sehe wirklich erschreckende Parallelen zu unserer Zeit.“
Für die Aufnahme hörte sich Müller in den schwäbischen Dialekt hinein. „Dialekte sind ein Hobby von mir. Manches gelingt relativ leicht, und dann gibt es wieder Dialekte, die schaffe ich überhaupt nicht, wie das Wienerische. Obwohl ich mich hier seit vierzig Jahren so wohlfühle.“
Dialekt als Heimat
Müller stellt klar: „Mein Herz schlägt links, aber Dialekt ist für mich Identität. Es ist ganz wichtig, dass man seinen Heimatdialekt kennt – obwohl Heimat heute ein gefährliches Wort ist, das oft instrumentalisiert wird.“
Er beobachte in München, dass der bayerische Dialekt vielerorts noch verpönt ist. „Dabei ist es wichtig, dass man ein Zuhause hat, und dieses Zuhause klingt ja auch nach etwas.“ Nicht nur als Schauspieler sagt er: „Jeder kann, wenn er will, jeden Dialekt lernen.“
Dies war auch eine Schlüsselkompetenz, die nach der Jahrtausendwende sein Leben veränderte. Müller erzählt immer wieder gern, wie er, der damals gerade der Josefstadt Adieu gesagt hatte, damals nach Bayern fuhr, um am Casting für eine Art „Bulle von Tölz im ZDF“ teilzunehmen, wie er sagt.
Müller hoffte eigentlich auf eine Rolle als hochdeutsch sprechender Kommissar neben Joseph Hannesschläger (gest. 2020), die Agentur gab ihm aber dennoch mit, dass Bayerisch kein Fehler sei. „Ich hatte einen Stoß an Aufnahmen bayerischer Volksschauspieler und Kabarettisten im Auto, den Pumuckl hatte ich sowieso im Ohr. Das Casting lief gut, aber ich habe mir null Chancen ausgerechnet. Gut, mit Joseph war es Liebe auf den ersten Blick, er wurde zu einer der wenigen richtigen Freunde im Leben. Und 14 Tage später kam der Anruf: ,Das mit dem Kommissar ist nix geworden aber es gabert einen blöd’n Polizisten.‘ Ich hab gesagt: ,Danke, gehört schon mir.‘ – Buffo mit Herz ist ein gutes Rollenfach, sage ich immer.“
Märchenpolizei
Der Schauspieler kommt dabei ins herzhafte Schmunzeln – und gibt unumwunden zu: „Michi Mohr ist wirklich das berufliche Geschenk meines Lebens. Und es hat mir Türen geöffnet, wo ich nicht einmal gewusst habe, dass es sie gibt.“
Mehr als 560 Episoden „Rosenheim Cops“ (für ihn eine Art „Märchenpolizei“) wurden ausgestrahlt, erst Mitte November wurde Staffel 24 abgedreht. Obwohl die Quoten phänomenal sind, werde jedes Jahr erst im Jänner bekanntgegeben, ob Mitte März weitergedreht wird. Dies ist auch bei der Jubiläumsstaffel Nummer 25 so. Müller nimmt es mit fast bayerischer Gelassenheit „Piano, piano, schaun’ mer mal!“
Weniger piano beobachtet er die Politik. Was sein „linkes Herz“ betrifft, meint Müller: „Ich vermisse den Kampfgeist bei den Linken, vor lauter Durchlässigkeit.“ Dabei gäbe es viel zu tun: „Wir werden noch ersticken an Plastik und noch mehr an CO2 – aber in erster Linie an Egoismus.“
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