Mavi Phoenix vertont das Jahr der Selbstfindung als Mann
Immer wieder taucht in „Boys Toys“, dem Debüt-Album von Mavi Phoenix, die Stimme eines Buben auf. In „Scary Thoughts“ erzählt er, dass er sich nur sicher fühlt, wenn er mit niemandem über seine innersten Gedanken spricht, erklärt, wie einsam ihn das macht.
„Boys Toys“ ist das Alter Ego von Phoenix: „Das bin ich als, sagen wir zehnjähriger Bub, der in jedem Song auftaucht und etwas sagt“, erklärt der 24-Jährige, der seine ersten EPs als Frau veröffentlicht hat, im KURIER-Interview. „Manchmal sagt er nicht viel. Aber es sind immer essenzielle Sachen in Bezug auf das Transgenderthema – weil ich draufgekommen bin, dass es mir leichter fällt, die zu sagen, wenn meine Stimme verfremdet ist.“
„Scary Thoughts“ ist aber nicht der einzige Moment auf der Freitag erscheinenden CD, der tief unter die Haut geht. In den zwölf Songs gibt Phoenix schonungslos Einblick in die Gedanken und Ängste, die mit der Selbstfindung und dem Coming-out als transgender verbunden waren. Musikalisch ist der Rapper mit „Boys Toys“ als Fan von Rage Against The Machine und den Beastie Boys rockiger geworden, in den Texten fast tagebuchartig ehrlich.
So beklagt er in der Single „12 Inches“, dass sich sein Vater eine Woche lang nicht meldete, nachdem Phoenix im November 2019 „die Bombe platzen ließ“ und ankündigte, von jetzt als Mann leben und so angesprochen werden zu wollen.
„Das war halt ein Thema, wo alle überfordert waren“, sagt Phoenix. „Transgender ist sicher noch einmal etwas anderes als schwul oder lesbisch, weil das vielleicht mit Operationen einhergeht, wo sich die Eltern Sorgen machen. Aber im Prinzip verstehe ich mich sehr gut mit meinen Eltern. Sie unterstützen mich zu 100 %.“
Schon als Kleinkind fühlte sich Phoenix, als Marlene Nader in Linz geboren, als Mädchen nicht wohl. „Man hat selbst ein Bild von sich im Kopf, und ich habe mich dabei immer als Bursch gesehen. Ich habe mich in den Spiegel geschaut und gedacht, das passt nicht! Und weil man weiß, dass etwas nicht stimmt, bekommt man eine depressive Grundstimmung. Ich bin aber so lange nicht mit dem Thema Transgender in Berührung gekommen, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass das meine Realität ist.“
Obwohl das Frausein Teil der Karriere war, zögerte Phoenix nicht, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich wollte weiter Musik machen, weil ich gespürt habe, dass ich gerade künstlerisch viel weiterbringe. Gleichzeitig wollte ich das nicht mehr unterdrücken. Und ich hätte in meiner Jugend gerne jemanden gesehen, der sagt, ich will ein Typ sein – und das durchzieht. Diese Leute hat es bestimmt gegeben – aber zu wenig!“
Toxische Männlichkeit
Wie schwierig die Selbstfindung gewesen sein muss, zeigt der Song „Strawberries“. „Dahinter steckt der Gedanke: ‚Bin ich ein richtiger Mann?‘ Ich bin natürlich auch ein Opfer toxischer Maskulinität. Denn ich denke, ich will alles machen, was männlich ist, dass jeder merkt, dass ich ein Mann bin. Was natürlich voll die dummen Gedanken sind. Andererseits bin ich sehr sensibel und weine viel. Früher habe ich mir gedacht, wenn du dann als Mann mit deinem Partner nicht mehr heulen darfst, oder nur mehr der Starke sein musst, will ich dann wirklich ein Mann sein? Ich habe erst lernen müssen, dass jeder Mensch Männlichkeit und Weiblichkeit in sich trägt. Und ich habe – auch wenn mir das schwerfällt, zu sagen – eine ausgeprägte weibliche Seite in mir.“
In dem Song „Player“ träumt Phoenix davon, Herzensbrecher zu sein. „Ich habe, wie man sich vorstellen kann, nie wirklich viele Freundinnen gehabt, weil das für mich nie so einfach war. Aber in dem Song sage ich, ich hole das jetzt nach, ich bin ein fescher Kerl und kann einmal ein ‚Player‘ sein.“
Meint „einmal“ nach einer Geschlechtsumwandlung? „Das ist eine schwierige Entscheidung. Grundsätzlich möchte ich schon Hormone nehmen und auch eine tiefere Stimme haben. Ich finde es extrem schön, zu wissen, dass ich das machen kann. Dass ich alles mache, und niemand wird von außen erkennen, ob ich schon immer ein Mann war oder nicht. Aber natürlich habe ich auch Angst davor.“
Aber wie Phoenix in der Zeit der Selbstfindung auch gemerkt hat: „Es ist nicht gut, so viel über sich selbst nachzudenken.“ Deshalb fasst der kleine Boys Toys die Botschaft des Albums im letzten Song „Who I Am“ zusammen, indem er sagt: „Mach, was zum Teufel du tun willst!“
Der 24-jährige Phoenix formuliert das etwas anders: „Pfeif drauf, lebe einfach!“
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