Matthias Schweighöfer: "Ich will wieder in die ernste Ecke"
Der 26. Stock ist dann doch zu viel für ihn. Den Blick auf den Boden gerichtet, steht Matthias Schweighöfer im Lift des Berliner Waldorf-Astoria, das Grinsen, das man aus seinen Filmen kennt, fällt ihm schwer. Er hofft auf die Liftfahrt nach unten: Die Höhenangst, ja, die begleite ihn – immer und überall.
"Bei den Dreharbeiten war das anders, da war ich anders konzentriert", sagt er, sichtbar erleichtert, als die Lifttür aufgeht. "Und bei Dreharbeiten kann man ja auch viel nach unten mogeln", fügt er lachend hinzu.
Mehrfachrolle
Hier, in den höchsten Etagen des Nobelhotels, hat Schweighöfer sein jüngstes Projekt gedreht – und "You Are Wanted" ist gleich eine mehrfache Premiere für ihn: Die Geschichte des von Hackern verfolgten Hotelmanagers ist nicht nur die erste deutsche Eigenproduktion von Amazon, sie ist auch die erste Serie, bei der der 36-Jährige selbst Regie geführt hat – und die seine Firma Pantaleon produziert hat.
Angst sei dabei kein Thema gewesen, weder wegen der Dreifach-Rolle noch wegen der düsteren Thematik: "Ich komme ja aus der ersten Ecke. Ich will da auch wieder hin", sagt der sonst auf Komödien abonnierte Sonnyboy des deutschen Kinos. Die Rolle des Lukas Franke, dessen Identität von Hackern gestohlen wird, dessen Leben ihm zu entgleiten droht, steht ihm dann auch gut: Wenn das Geld verschwindet, die Polizei vor der Tür steht, die Ehefrau (Alexandra Maria Lara) ihn verdächtigt, eine Affäre zu haben, wirkt das wie aus einem Guss – ebenso wie das Zusammenspiel mit Karoline Herfurth, die eine zwielichtige, ebenso von Hackern verfolgte Bloggerin gibt.
"Ziel war immer, etwas zu bauen, das nicht neben ,House of Cards‘ und ,Breaking Bad‘ untergeht", sagt Schweighöfer – und zwar von der Optik wie von der Erzählung. Damit der Plot nicht ins Unglaubwürdige abdriftet, hat man gut recherchiert. "Wir haben uns mit Hackern getroffen, die aufgezeigt haben, was im Kleinen geht – und was im Großen gehen könnte. Niemand hat eine Ahnung, wie schnell und wie leicht das ist und wie viel Spaß man damit haben kann", sagt der 36-Jährige, der selbst schon Opfer von Datenklau wurde. Sein Co-Produzent Dan Maag ergänzt: "Wir haben während der Recherche angefangen, unsere Handys auszumachen. Die Gefahr besteht, dass man paranoid wird – es ist ja nichts erfunden in der Serie."
"Unser Flaggschiff"
Genau diese Prägnanz soll auch den Erfolg von "You Are Wanted" garantieren, so die Hoffnung. Die Erzählung ist überall anwendbar und verständlich, die Weltstadt Berlin ein bekannter Hintergrund – wenig Wunder also, dass Amazon seine erste deutsche Produktion ab 17. März in 200 Ländern ausstrahlt. Synchronisiert wird in fünf Sprachen, in den restlichen Ländern laufen Untertitel, so Christoph Schneider, Chef von Amazon Instant Video Deutschland. ",You Are Wanted‘ ist unser Flaggschiff", sagt er, und die Erwartungen sind groß: "Wir werden ,You Are Wanted‘ mit den tollsten Serien vergleichen. Ich bin mir sicher, dass sie ganz oben stehen wird."
Dass er damit den Gegenbeweis zum gängigen Diktum "German content doesn’t travel" antreten will, scheint ihm fast ein Anliegen. "Dass die Serie weltweit läuft, ist auch ein Test für ein deutsches Produkt", sagt er. "Das kann der ganzen deutschen Produktionslandschaft Tür und Tor öffnen." Ähnlich sehen das auch Schweighöfer und Maag, die mit ihrer Firma auf internationale Vernetzung hoffen. Das sei auch der Grund gewesen, warum man mit dem Streamingdienst kooperiert habe und nicht mit dem konventionellen Fernsehen: "Dass die breite Masse über Amazon erreicht werden kann, ist natürlich auch ein großer Faktor."
Wie viel Geld Amazon, Warner Bros. und Pantaleon dafür in die Hand genommen haben, bleibt aber Firmengeheimnis – ebenso wie die Zugriffsraten. Die sieht nicht einmal der Hauptdarsteller: "Die bekommst Du nicht, nicht bei Amazon, nicht bei Netflix oder Maxdome", sagt Schweighöfer. Sicherer ist er sich nur bei einer Fortsetzung: "Die Option gibt es immer."
Neben "You Are Wanted", dem ersten deutschen "Amazon Original", hat sich der Streamingdienst noch andere prestigeträchtige Produktionen gesichert. Seit Kurzem hält man nicht nur die Rechte an "Pastewka", der seit 2005 bei SAT 1 laufenden Comedyserie von Bastian Pastewka, sondern auch jene der RTL-Serie "Deutschland 83" – die neuen Folgen des Vorzeigeprojekts, das auch den Grimmepreis erhalten hat, werden voraussichtlich 2018 auf Amazon zu sehen sein. Parallel dazu hat der Streamingdienst einen Deal mit Komiker Bully Herbig abgeschlossen: Dessen "Bullyparade – Der Film" wird im Sommer im Kino laufen und nur sechs Monate später auf Amazon zu sehen sein – also deutlich früher als im TV.
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