Marx und Darwin: Sie hatten nicht nur Furunkeln gemeinsam

Denkmal von Karl Marx in London
Zum ersten Mal essen und reden sie miteinander. Im Roman von Ilona Jerger.

Darwin ist ein Gewinn, auch für die Literatur.

Wenn er, schon alt und berühmt, Regenwürmer mit Trillerpfeife, Schubert und Händel testet, schmeißt er einen ganzen Roman ... wie man eine Lokalrunde schmeißt.

Man kann sich Emma, seine christlich gebliebene Ehefrau, vorstellen, wie sie dreingeschaut hat, als er ihr erklärte: Er habe vieles mit seiner Hündin gemeinsam.

Die Intelligenz der Regenwürmer brachte er dann lieber nicht auch noch ins Spiel.

Marx ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt notwendig. Schon deshalb nicht, weil er und Darwin einander nie begegneten ... obwohl sie 1881 in London fast nebeneinander wohnten.

Marx würzt

Aber Marx und Darwin hatten mehr als die langen Bärte gemeinsam: Rabbi wäre der spätere Revolutionär fast geworden, und der Naturforscher wollte zunächst Priester werden. Beide hatten ihre Lieblingskinder verloren, beide litten an Schlaflosigkeit und Furunkeln ...

Marx und Darwin: Sie hatten nicht nur Furunkeln gemeinsam
Ilona Jerger Schriftstellerin

Ilona Jerger – Sachbuchautorin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift "natur" in München (Bild oben) – hat deshalb Darwin und Marx zumindest für ein Abendmahl zusammengebracht.

Aber nicht nur die Streitereien beim Essen, sondern der ganze Roman "Und Marx stand still in Darwins Garten" ist ein intellektuelles und dabei auch wohliges Vergnügen, bei dem Marx nicht viel mehr zu sein braucht als etwas "Würze".

Eine seltsame Würze fürwahr – brummend, schimpfend, hustend, abkühlend.

Der alte Darwin strahlt hingegen Wärme aus. Ilona Jerger mag ihn. Das merkt man. Darwins Kreativität, seinen inneren Kampf mit Gott, seine Hündin Polly sowieso – alles sympathisch.

Ilona Jerger hat wenig erfinden müssen, der gemeinsame (fiktive) Hausarzt Doktor Beckett hilft, Verbindungen zu schaffen:

Darwin erschütterte den Glauben an die Religion – das konnte Marx volley übernehmen: Denn gibt’s kein Paradies nach dem Tod, no, so sorgen wir doch endlich fürs Paradies auf Erden. Und wenn sich alles verändert, dann wird ja wohl auch der Kapitalismus zu überwinden sein.

Feine Philosophiestunden sind das.

Regenwürmer sind blind, aber reagieren auf Licht und graben sich ein – außer sie haben Sex. Beim Sex, der eine ganze Nacht dauern kann, lassen sie sich auch durch grellstes Licht nicht stören.

Nur so nebenbei gesagt. (Danke, Darwin.)

Ilona Jerger:
„Und Marx stand still
in Darwins
Garten“
Ullstein Verlag.
288 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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