Marisa Merz: Armut, die das Leben bereichert

Marisa Merz: Armut, die das Leben bereichert
Das Salzburger Museum der Moderne würdigt die italienische Künstlerin, die die "Arte Povera" entscheidend prägte.

Auf der Venedig-Biennale 2013 wurde Marisa Merz gemeinsam mit Maria Lassnig für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Während die österreichische Malerin damals schon zu schwach war, um in die Lagunenstadt zu reisen – sie starb elf Monate später – , konnte Merz ihren Goldenen Löwen noch selbst in Empfang nehmen: Es war eine späte Würdigung dafür, dass sie, die lange im Schatten ihres Mannes Mario gestanden hatte, die Kunstrichtung der sogenannten „Arte Povera“ stärker mitgeprägt hatte, als es der männerdominierte Betrieb wahrhaben wollte.

Im Salzburger Museum der Moderne am Mönchsberg lässt sich nun das Werk der Turiner Künstlerin in umfassender Form entdecken. Die Retrospektive, die 2017 bereits im New Yorker Met Museum sowie im Hammer Museum Los Angeles zu sehen war, markiert zugleich das Ende der Leitungsperiode von Sabine Breitwieser – mit September übernimmt der Deutsche Thorsten Sadowsky im Museum das Ruder.

Marisa Merz: Armut, die das Leben bereichert

Spät gewürdigt

Der Schlusspunkt ist passend gesetzt – wird Breitwieser in Salzburg doch stark damit in Erinnerung bleiben, dass sie Künstlerinnen der 1960er- und 70er-Jahre zu späten, aber umfassenden Ehren kommen ließ. Während die Protagonistinnen bisheriger MdM-Retrospektiven – Simone Forti oder Carolee Schneemann, Charlotte Moorman oder Ana Mendieta – allesamt der New Yorker Kunstszene entstammten, ist Merz’ Karriere jedoch untrennbar mit Europa und speziell mit Italien verbunden.

In der Küche ihrer Turiner Wohnung fügte Merz 1966 aus dicker Alu-Folie ein schlauchartiges Gebilde zusammen, das bald wie ein glitzerndes Ungeheuer immer weiter in den Raum wucherte. „Living Sculpture“, lebende Skulptur, nannte Merz das Werk, das sie bereits 1967 in einer Einzelausstellung präsentierte.

Marisa Merz: Armut, die das Leben bereichert

Das fragile Ding, das nun am Ende des verkehrt chronologischen Ausstellungsrundgangs von der Decke hängt, lässt einige Abnutzungsspuren erkennen, die wohl davon erzählen, dass das Werk in der Küche, aber auch in einem Nachtclub präsentiert worden war. Merz sah das künstlerische Schaffen nie als abgehoben vom restlichen Leben an – das alltägliche Nähen und Werken, das die Künstlerin auch in ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau praktizierte, lag für sie auf einer Ebene mit dem Zeichnen und Formen von Porträtköpfen oder der Installation wundersamer Objekte aus Kupferdrähten, Holzrahmen und Wachs.

Derart unedle, „arme“ Materialien waren es, die der „Arte Povera“ ihren Namen gaben. Während der vom Kritiker Germano Celant geprägte Begriff einen Siegeszug durch Galerien und Institutionen antrat, entwickelte Marisa Merz ihr Werk beharrlich weiter: Zu hauchzart aus Nylon und Draht gehäkelten Schuhen und Fahnen gesellten sich dabei Gemälde und Instrumente.

Marisa Merz: Armut, die das Leben bereichert

Poesie in Wort und Bild

Auch wenn sich Motive und Materialien im Werk öfters wiederholen, lässt sich Merz kein „Markenzeichen“ aufdrücken. Dass sie auch Gedichte schrieb, die im Museum nun – anstelle von langen Erklärtexten – einen stimmigen Rahmen für die luftig präsentierten Objekte bilden, weist nur auf den ungebrochenen Schaffensdrang der Künstlerin hin. Die Gelegenheit, sich eine Welt zu kreieren, schien für Merz immer greifbar. Die Ausstellung vermittelt diese in vielerlei Hinsicht reiche Lebenseinstellung auf inspirierende Art und Weise.

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