Mario Vargas Llosa: "Der Traum des Kelten"

Mario Vargas Llosa: "Der Traum des Kelten"
Der Kongo, Peru, Irland ... der Nobelpreisträger reiste weit für den Roman. Warum nahm er sein Herz nicht mit?

Man ist nahe dran, böse Sätze zu schreiben wie: Mario Vargas Llosa hat die besten Zeiten als Schriftsteller hinter sich, das hätte er mit "Der Traum des Kelten" nicht noch einmal beweisen müssen. Was zwar stimmt. Aber unter anderen Umständen wäre es freundlicher formuliert worden. Der Nobelpreisträger von 2010 fordert jetzt leider dazu heraus. Mag ja durchaus sein, dass der heute 75-Jährige im neuen Roman vor allem am Dokumentieren interessiert war und sich nicht einmischen wollte. Aber es kann nicht sein, dass einer wie er ungestraft festhält, seine Hauptfigur drohe wahnsinnig zu werden - und man hat vorher nichts davon gemerkt. Das ist nur ein Beispiel. "Der Traum des Kelten" ist kein Buch, das man spürt. Man wird von vielen Namen und Jahreszahlen davon abgehalten. Dass Roger Casement in der Stadt Iquitos von einigen Richtern, vom Superior der Augustiner, vom Chef der Zollbehörde, vom Zeitungsherausgeber und und und ... begrüßt wurde, macht Angst vor dem Weiterlesen.

Kontraste

Aber der historische Stoff ist so stark, der trägt Llosa sicher ans Ziel. Deshalb kann man den Roman sogar empfehlen. Roger Casement (1864- 1916): Ein großer, starker Ire war das, der zunächst im Dienste Englands stand und sich dann als irischer Nationalist gegen England wandte. Ein Kämpfer gegen den Kolonialismus und für die Menschenrechte. Und homosexuell war er. Das bringt die katholischen Iren noch heute aus der Fassung. Llosa tut so, als habe Casements Persönlichkeit verblüffende Kontraste gehabt. Er tat, was er tun musste. Als Diplomat der Krone war er im Kongo, den Leopold II. von Belgien für sein Privateigentum hielt. Man ist über die Gier der Europäer immer fassungslos, so oft kann man über sie gar nicht lesen. Den Afrikanern, die nicht parierten, wurden Hände und Penis abgehackt. Sein Bericht machte Casement berühmt. Danach war er in Peru, wo eine englische Kautschukfirma die Kinder der Indios ertränkte, um die Eltern zur Arbeit zu zwingen. Bald drängte sich ihm - verblüfft das? - die Frage auf: Wird nicht auch Irland ausgebeutet? Ist nicht auch Irland von den Engländern seiner Seele beraubt worden?

In der dritten Etappe seines Lebens beschaffte er in Deutschland Waffen für den irischen Unabhängigkeitskampf und wurde in London zum Tod verurteilt. Dass zum Hochverrat auch noch seine - vielleicht gefälschten - Tagebücher mit homoerotischen Fantasien herumgereicht wurden, nahm dem damals 52-Jährigen die letzte Würde.
Als man ihn aufhängte, bekam er den Tipp, die Luft anzuhalten. Dann stirbt man rascher.
100 Seiten weniger und Herzblut statt Zahlen - alle hätten die Luft angehalten. Dann liest man hungriger.

KURIER-Wertung: **** (von *****)

Gratisbuch: Er kommt, liest und signiert

Mario Vargas Llosa: "Der Traum des Kelten"

Heuer wird ein Llosa 100.000-mal als Wiener Gratisbuch verteilt: "Der Geschichtenerzähler" (1987) über die peruanischen Urwaldindianer. Ein Roman, der schon früh die Umweltzerstörung thematisierte und im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Die Aktion des echo medienhauses findet bereits zum zehnten Mal statt, und erstmals wird zeitgleich auch Berlin "Eine Stadt. Ein Buch" sagen und Llosa gratis unter die Leser bringen. Der Peruaner kommt deshalb nach Wien. Am Eröffnungstag, dem 18. Oktober, liest und signiert Vargas Llosa um 19 Uhr in der Fernwärme (Spittelau).

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