Mario Adorf: "Böse sind die dankbareren Rollen"

Der Schauspieler Mario Adorf.
Begegnung mit einem sympathischen Film-Bösewicht – Mario Adorf, der am Dienstag 85 wird.

Hotel Villa Kennedy. In der Suite 251 sitzt entspannt Deutschlands beliebtester Schauspieler: Mario Adorf wirkt wie ein Mittsechziger und feiert doch am 8. September seinen 85. Geburtstag. Er begann als Vierjähriger "in einem Kostüm mit roter Zipfelmütze und einem langen weißen Wattebart" als siebter Zwerg in "Schneewittchen" auf der Kinderbühne und spielte später vorzugsweise Mörder und Schurken.

"Schauen Sie mal böse" ist der Titel seines neuen Buches. Und mit diesen anekdotischen Geschichten aus seinem Schauspielerleben ist Adorf auf Lese-Tournee am 2. und 3. November auch live im Wiener Konzerthaus.

Raubeinige Fassade

Schauen Sie mal böse. "Das sagte Robert Siodmak 1957 in München zu mir", erinnert sich Adorf. Er erhielt damals prompt die Rolle des Serienmörders in "Nachts, wenn der Teufel kam" – und war daraufhin jahrelang auf die Darstellung von Böslingen und Ganoven festgelegt.

"Man hat mich lange beschimpft, weil ich als Santer Winnetous Schwester Nscho-Tschi erschossen habe", erzählt er im KURIER-Gespräch. "Aber nur Filmbösewichte wollte ich sowieso nicht spielen. Obwohl natürlich die Bösen dankbarere Rollen als die Guten sind."

Gerade stand er in Kroatien wieder vor der Kamera: im "Winnetou"-Remake – diesmal als Santers Vater, der sich um seinen Sohn Santer Junior (Michael Maertens) sorgt.

Warum ist er überhaupt Schauspieler geworden? "Um Menschen zum Lachen zu verführen. Um Menschen zu unterhalten. Das ist mein Beruf."

Er sei kein Selbstdarsteller, sondern liebe Charaktere mit Saft und Kraft. So war er der ergraute Firmenpatriarch in "Der große Bellheim" und unglaublich komisch in der Münchner Schickeria-Serie "Kir Royal" (1986) von Helmut Dietl.

"Er war mein Lieblingsregisseur. Ihm habe ich viel zu verdanken", so Adorf. Die beiden haben zwei unvergessliche Figuren kreiert – den geltungssüchtigen Klebstofffabrikanten Heinrich Haffenloher, der seinen Willen zur Korruption und seine Überzeugung von der Korrumpierbarkeit eines jeden gegenüber Baby Schimmerlos mit dem Satz deutlich macht: "Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld."

Und den Promiwirt in der bitterbösen Gesellschaftssatire "Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" (1996).

Er habe stets versucht, "auch aus der kleinsten Charge ein Schmuckstück zu machen". Adorf, das ist der Melancholiker im unbeschwert Heiteren, der Komödiant in der Tragödie, der Gentleman im Boxer.

Etwa als er auch für Dieter Wedel in "Der Schattenmann" (1996) der Böse war: "Warum leckt sich ein Rüde die Eier?", fragt Adorf alias Mafioso Herzog da Heiner Lauterbach – und gibt sich die Antwort gekonnt großkotzig selbst: "Weil er’s kann!"

Er hatte schon vor Jahren einen kritischen Blick auf TV-Serien wie "Derrick", deren Erfolg er damit erklärte, dass "kontinuierlicher Schwachsinn mit der Zeit nicht mehr als solcher erkennbar" sei.

Mario Adorf: "Böse sind die dankbareren Rollen"
Adorf Cover
Sein eigener Erfolg ist ihm trotzdem nie zu Kopf gestiegen: "Einen Höhenflug habe ich bei mir nie zugelassen. Ich sagte mir immer: Bleib auf dem Teppich, schau, wer du bist, schau, wie du aussiehst, und macht das Beste daraus. Mehr wollte ich nie."

Langzeitliebe

Keine Kurzgeschichte ist Adorfs Liebe zu seiner Frau, der Französin Monique – einst angeblich als Nackt-Double von Brigitte Bardot zu Po-pularität gelangt. "Nein, das stimmt nicht ganz", korrigiert Adorf. "Sie war eine enge Freundin der Bardot und wurde gelegentlich als Licht-Double eingesetzt."

Seit 1985 sind die beiden verheiratet und noch viel länger – seit fast 50 Jahren – ein Paar. Und was ist das Geheimnis für eine jahrzehntelange gute Beziehung?

"Monique ist schön, klug und hat mich nie eingeengt", sagt Adorf. "Und wir können viel miteinander lachen. Sie ist mein guter Geist, manchmal auch mein Quälgeist."

Das Altern empfindet er als einen "langsamen und kaum merklichen Prozess". Und seine gute körperliche Verfassung sieht er nicht als sein Verdienst: "Das schreibe ich meinen guten Genen zu. Mal sehen, wie lange es noch gut geht. Ich wünsche mir noch ein paar gute Rollen. Aber irgendwann muss die Show zu Ende sein. Dann wird’s wohl einen Schlag oder ein Unglück geben. Dann ist eben Schluss."

INFO: Mario Adorf: „Schauen Sie mal böse“; Kiepenheuer & Witsch 17,99 €, Lesungen: 2. und 3. 11. Wiener Konzerthaus.

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