"Ein Teufelsstück – ein böses Stück!"

Dramatischer Konflikt zwischen zwei Königinnen in Schillers Trauerspiel: Martina Stilp (li.) und Andrea Eckert.
Schillers "Maria Stuart" mit Andrea Eckert und Martina Stilp hat am Freitag Premiere.

Zwei Damen im Versuchslabor der Machtpsychologie: Und beide nicht zum ersten Mal. Martina Stilp war schon 2005 Maria Stuart in Graz und spielt die Titelrolle in Schillers Drama nun erneut im Volkstheater.

Auch Andrea Eckert war vor 20 Jahren schon einmal die schottische Königin in dem ewigen Bühnen-Klassiker und ist nun in der Inszenierung des Schweizers Stephan Müller als englische Königin Elisabeth zu erleben.

Neu und anders

Aber Stilp, im Volkstheater zuletzt u. a. als Titelfigur in der Bühnenfassung von Tolstois „Anna Karenina“ zu sehen, hat bei den Proben zu „Maria Stuart“ das Gefühl: „Als hätte ich das noch gar nicht gemacht. Das ist eine komplett eigenständige Arbeit.“

Andrea Eckert war zuletzt als die Wiener Diseuse Greta Keller in Rupert Hennings Revue „Bon Voyage“ zu erleben. Sie erinnert sich, als sie in Felix Mitterers „Du bleibst bei mir“ die Rolle der großen Couragierten Dorothea Neff gespielt hat: „Während des Unterrichts kam sie immer wieder darauf zu sprechen, wie lieb und wie nahe ihr die Elisabeth war.“

Eine spannende historische Figur, die unter denkbar schlechten Voraussetzungen begann, alle – die Kirche, Spanien, Frankreich – gegen sich hatte und mit 25 Jahren auf den Thron kam im völlig abgewirtschafteten England.

Machtkritik

Schiller schrieb sich mit dem Stück vom Duell zweier Königinnen seine Enttäuschung über den Wandel der Französischen Revolution zur Schreckensherrschaft von der Seele. Alles dreht sich um die widerlichen Geschäfte der Macht. Und wie sie den Geist und die Seele der Beteiligten zerstören.

Im Volkstheater ist alles reduziert auf eine leere Bühne. Es gibt Kostüme, sonst kein Requisit. Alles ist Sprache. Über Hass, die Angst und die Gier der Mächtigen, den Verrat und die Intrige.

„Die Sprache ist zunächst Gegner, solange man sich daran die Zähne ausbeißt“, sagt Martina Stilp im KURIER- Gespräch. „Aber irgendwann beschenkt einen die Kraft, die Wucht und Aussagekraft der Schiller’schen Spache.“

„Ich suchte meinen Ort auf der Bühne, wünschte mir irgendein Möbelstück, das mein Thron sein könnte, meine Zuflucht“, so Eckert: „Aber dann zwingt einen diese entsetzliche Spartanik, alles aus sich und dem Text zu holen. Und die Schiller’sche Sprache ist ein leuchtender Wegweiser in das Gefühlsuniversum der Rolle.“

Wie eignet man sich die Attitüde einer Monarchin an? „Es geht nicht um Attitüde, sondern um Haltung. Man sucht sie in sich. Und mit derGnade eines guten Probengottes wird man im Laufe der Wochen fündig. Tatsächlich helfen kann einem dabei niemand, so wie einem niemand helfen kann, plötzlich Maria Callas zu werden.“

Hätte sie gern gelebt in jenen turbulenten Zeiten, die heute gern glorifiziert werden? „Nur in einer privilegierten gesellschaftlichen Situation. Elisabeth war eine große, eigenwillige Frau, die ein selbstbestimmtes Leben geführt und wenig Konzessionen gemacht hat. Faszinierend und beeindruckend.“

Maria Stuart“ – ein Politthriller? Jedenfalls ein Lehrstück über „Macht, Intrigen und Politik ohne jede Moral“, sagt Stilp. „Ein Teufelsstück – ein böses Stück, das uns glaube ich auch körperlich und seelisch sehr anstrengt“, so Eckert. Aber wenn’s vorbei ist, will sie wieder einen Dokumentarfilm machen wie über „Die Lebensreise des Frederic Morton“ oder ihr Porträt des jüngst verstorbenen Schauspielers Walter Schmidinger.

Filmprojekt

Es gibt die Idee, einen Film über eine Person zu machen. Oder mehrere Personen, gerade weil ich dem Volkstheater sehr verbunden bin. Da gibt es so wunderbare Menschen, die der Theaterbesucher nie sieht: Garderoberinnen, Maskenbildnerinnen, Bühnentechniker ... Sie alle haben die unglaubliche Fähigkeit, sich mit uns, die wir dann draußen stehen und uns verbeugen dürfen, zu freuen und mit uns zu zittern. Vielleicht kann ich über diese Menschen einen Film machen. “

Anna Badora übernimmt im September 2015 von Michael Schottenberg die Direktion des Volkstheaters: Stilp hat die Leiterin des Grazer Schauspielhauses als „sehr, sehr gute Managerin“ kennengelernt. Auf die große Aufgaben zukommen. „Das Volkstheater ist mit mehr als 900 Plätzen ein sehr großes Haus und hat keine alternative Spielstätte, wo man Experimente und schwierige Uraufführungen machen kann“, sagt Eckert. Und das Haus muss täglich gut gefüllt sein. Da muss man sich den Spielplan sehr genau überlegen. Aber es ist ein wunderbares Theater.“

Premiere

„Theater hat politisch zu sein“, betonte Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg bei der Spielplan-Präsentation für 2013/’14. Das Motto der Saison: „Die Droge Macht“.

Stück

Andrea Eckert und Martina Stilp spielen in Friedrich Schillers Drama „Maria Stuart“ die Kontrahentinnen (Regie: Stephan Müller): Elisabeth I. und Maria Stuart, die schottische Königin. Die eine hat Macht, die andere will Macht. Dieses Streben bestimmt alle persönlichen Verhältnisse: ein Klassiker als Lehrstück über Politik ohne jede Moral.

Wann & Wo

Ab 20. Dezember im Volkstheater, www.volkstheater.at

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