Hier sind die Namen, die er sich gemerkt hat

Noch ist nicht alles ausgepackt: Reich-Ranicki (1920 – 2013)
Zum ersten Todestag von Marcel Reich-Ranicki erscheint "Meine Geschichte der deutschen Literatur".

Wie lange wird man seinen Namen noch kennen? So fragt man selbst in der Deutschen Verlagsanstalt, die zum ersten Todestag Marcel Reich-Ranickis das Buch "Meine Geschichte der deutschen Literatur" (DVA, 27,80 Euro) veröffentlicht.

Hier sind viele versammelt, deren Namen er sich gern merkte: von Walther von der Vogelweide über Goethe, Schiller, Kleist, Büchner zu Thomas Mann, Lenz, Kafka, Bachmann, Bernhard ...

Die anderen nannte Reich-Ranicki gern Liebste oder Lieber oder Liebling. Nicht weil er solch ein Liebender war. Sondern weil er sich die Namen seiner Gesprächspartner nicht merken wollte.

Mit Krawatte

Hier sind die Namen, die er sich gemerkt hat
Marcel Reich-Ranicki
In ersten, aber bestimmt nicht letztenBuch seit seinem Tod, 93-jährig in Frankfurt, fuchtelt Reich-Ranicki auch posthum mit dem Zeigefinger. Das Gesetz, wonach nichts sicher ist, missfiel ihm offensichtlich. Das Rechthaberische war sein Ausdruck für die Wertschätzung, die er – immer mit Sakko und Krawatte lesend – derLiteraturentgegenbrachte.

Im neuen Sammelband ist auch sein legendärer Verriss aus dem Jahr 1960 von Grass’ "Blechtrommel" abgedruckt ("… ist kein guter Roman") – plus die Selbstkritik von 1963: "So muss ich gestehen, dass meine literarkritische Methode … Irrtümer keineswegs ausschließt."

Zu finden ist weiters sein Lob für Martin Walsers "Ein fliehendes Pferd". Die Feindschaft, die später entstand und 2002 in Walsers schrecklichem Roman "Tod eines Kritikers" mündete (ein jüdischer Literaturkritiker kommt zu Tode, man erkennt ihn sofort), blieb bis zuletzt bestehen.

Obwohl Marcel Reich-Ranicki im hohen Alter eine Versöhnung begrüßt hätte.

Das Buch erscheint am Montag. Herausgegeben hat es der Germanistikprofessor Thomas Anz. Er verwaltet große Teile des Nachlasses. Viele Kisten, sind noch gar nicht ausgepackt. Aber an eine Werkausgabe wird schon gedacht, um Reich-Ranicki in eine Reihe mit den großen Kritikern Alfred Kerr und Alfred Polgar zu stellen.

Der letzte Dreck

Im Vorjahr wurden im deutschsprachigen Raum mehr als 90.000 Neuerscheinungen katalogisiert.

Es gibt also schon noch genügend anderes zu lesen. Davon abgesehen: Hat man denn schon alles von Dostojewski ..?

Der ehemalige FAZ-Redakteur Franz Josef Görtz erinnert an eine Jubelschrei Reich-Ranickis:

"Ich will nicht verheimlichen, dass mich in meinem ganzen Leben kein Romancier so beeindruckt hat wie Dostojewski. Ich habe mal einen amerikanischen Film gesehen, ,Die Brüder Karamasow‘ mit Maria Schell und Yul Brynner. Der Film ist abscheulich, der letzte Dreck. Ich saß zwei Stunden im Kino und war glücklich. Denn der Dostojewski ist so stark, dass er jeden Kitsch durchbricht."

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