Marc Almond in Wien: Begeisterndes Finale nach holprigem Beginn
„Es kommt mir vor, als wäre das alles ewig lang her“, seufzt Marc Almond. Der Brite, der mit der Synthie-Pop-Band Soft Cell und üppig arrangierten Balladen wie „Something‘s Gotten Hold Of My Heart“ berühmt wurde, steht auf der Bühne des Wiener Volkstheaters und kündigt damit nach fast einem Drittel der Show den Song „Hollywood Forever“ an. Er erzählt, dass der aus seinem Solo-Album „Chaos And A Dancing Star“ stammt, das Ende Jänner 2020 erschienen war und diese Tour, die ihn hierher führt, schon für damals geplant war.
Nicht dazu sagt er, was danach passierte: Im März 2020, damals als das Virus noch so neu und aggressiv war, erkrankte an Covid. Er musste nicht ins Spital, hatte aber noch Monate danach Probleme zu singen, dachte, er würde dieses auch in den höchsten Tönen kraftvolle und klare Timbre in seiner Stimme, sein Markenzeichen, für immer verlieren.
Was im Volkstheater schon in dieser Anfangsphase seiner Show zu hören ist: So selbstverständlich und mühelos wie in seiner Jugend, hat Almond seine Stimme heute nicht mehr im Griff. Das kann auch am normalen Alterungsprozess liegen, aber manchmal, wenn er lange hohe Töne singt, wirkt er angestrengt. An anderer Stelle, beim Song „Golden Light“ zum Beispiel, klappt das aber wieder wunderbar.
Dazu kommt, dass die sechsköpfige Band nicht perfekt eingespielt klingt. Der Gitarrist war kurzfristig eingesprungen, hatte die über 20 Songs des Programms in Rekordzeit lernen müssen. Vielleicht, um das auszugleichen, legt Almond in diesem ersten Teil extra viel Drama in seinen Gesang. Das wirkt aber bemüht, irgendwie unnatürlich und bewirkt, dass er in der Tonhöhe nicht immer auf dem Punkt ist.
Sofort ansprechend aber ist der Humor, mit dem der 65-Jährige zwischen den Songs mit seinen Fans plaudert, aber vor allem die musikalische Vielfalt, die Almond und seine Band bieten: Bei „Trashy“, einem Cover von Rod McKuen, swingt er zu einem jazzigen Rhythmus aus Drums und Kontrabass, Bongos spielen die Hauptrolle im bewegten „My Love“ und rockig wird’s beim T-Rex-Cover „By The Light Of The Magical Moon“.
Dann kommt auch schon „Something‘s Gotten Hold Of My Heart“, das Almond mit Gene Pitney Ende der 80er-Jahre aufgenommen und zu einem weltweiten Hit gemacht hatte. Auch hier spürt man noch ein wenig die Unsicherheit bei Band und Frontmann. Almond animiert das Publikum zum mitsingen, lässt ganze Teile der anspruchsvollen Hymne aus, hält das Mikro in den Zuschauerraum. Von da kommt aber nicht viel Hörenswertes.
Trotzdem ist dieser Song wie ein Eisbrecher. Almond wirkt danach entspannter, singt ein paar Songs alleine mit dem Pianisten, mit dem er schon seit 32 Jahren zusammenarbeitet, was deshalb naturgemäß perfekt klappt. Und aus dem im Original treibenden „Purple Zone“, das Soft Cell mit den Pet Shop Boys aufgenommen haben, macht er eine Ballade, die unter die Haut geht.
Danach kommen mit „A Lover Spurned“ und „The Days Of Pearly Spencer“ weitere unvergessene Hits und die Stimmung steigt schnell. Nach dem Jacques-Brel-Song „Jacky“ ist Almond dann so begeistert vom Wiener Publikum, dass er den Jubel mit dem Handy ausgiebig filmt, und sich das Abgehen vor der Zugabe spart.
„Ihr wisst ja, dass ich wiederkomme, also können wir das auch lassen“, sagt er, bevor er mit den Soft-Cell-Hits „Tainted Love“ und „Say Hello, Wave Goodbye“ das anfangs leicht holprige Konzert zu einem begeisternden Finale führt.
Kommentare