Manchmal schreibt sie sich selbst eine SMS
Sie ist noch immer da, im Regen, nur manchmal scheint die Sonne. Maria bemüht sich, im Zentrum des Geschehens zu bleiben – etwa, indem sie sich auf die Bank vor der zentralen Kirche setzt. Dann hört sie zu, notiert Sätze der Menschen, die wirklich mitten im Leben stehen. Ein Mann sagt zu seiner Bekannten: „Auf Wiedersehen und schönes Wochenende, auch Ihren Tieren.“
Das gefällt Maria. Maria hatte auch ein Tier daheim. Einen Frosch. Er erfror während des Winterschlafs in der Gemüselade ihres Eiskastens. Der Frosch, Otto, war der bisher Letzte, der sie verlassen hat. Maria ist um die 50; und verwitwet; und arbeitslos. Manchmal schreibt sie sich selbst eine SMS.
Von hinten
Eintönig? Für die alleinstehende Maria, die kein Geld hat und keinen Job findet, bestimmt. Für Leser bestimmt nicht. Anna Weidenholzers Roman „Der Winter tut den Fischen gut“ ist nicht nur erfüllt von gut beobachteten, behutsam eingebauten Details der Innen- und Außenwelt und vielen kleinen großen Bemerkungen.
Der Roman der gebürtigen Linzerin vom Jahrgang 1984 ist in einem besonderen Muster gestrickt. Maria sitzt beim Arbeitsmarktservice und erzählt dem Beraterschnösel, wer sie ist – und zwar so: „Fangen wir von hinten an.“ Deshalb kommt rasch die Kündigung im Modesalon, wo der Chef immer auf gutes Benehmen aus war; und dann warf er Maria nach 20 Jahren mit der Bemerkung raus, so ein Neuanfang, haha, der sei doch was Positives. Danach kommt der Tod ihres Mannes, der gesoffen hat und in Bierzelten Elvis imitierte, bis er von den Bühnen vertrieben wurde. Dann erst die traurige Jugendliebe. Zuletzt die Kindheit.
Aber immer hält sich Weidenholzer nicht an ihren Retourgang; was noch mehr Bewegung bringt. Die Autorin hat sich in Marie Jahodas Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ eingelesen; und deshalb konnte überhaupt nichts schiefgehen.
KURIER-Wertung: **** von *****
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