Mama hätte ein großer Planet sein können

Jón Kalman Stefánsson
"Etwas von der Größe des Universums" vom Isländer Jón Kalman Stefánsson: Eine beunruhigend leise Familiengeschichte.

Das wird hart.

Schon auf der zweiten Seite wird versucht, das ganze Unheil der Welt auf einen Stein zusammenschrumpfen zu lassen, um es wegwerfen zu können ... aber das gelingt nicht, und ein achtjähriges Mädchen stirbt.

"Etwas von der Größe des Universums" ist trotzdem ein Roman übers Leben, nicht über das Sterben. Man wird es langsam merken. Man wird überhaupt alles erst langsam merken ... bei voller Konzentration, nur dann macht es Sinn, Jón Kalman Stefánsson zu lesen.

Es ist eine Familiengeschichte über Generationen hinweg – mit Abzweigungen und Umleitungen –, und im Zentrum steht: Ein Sohn, auch schon 50, klopft im Altersheim an die Tür seines sterbenskranken Vaters.

Dann tut der Roman weh und macht Sinn.

Mondschein

In Island ist fast jeder Einwohner ein Dichter, und der 53-jährige Stefánsson ist einer der Allerbesten. Sehr eigen. Beunruhigend leise.

Er war Fischereiarbeiter, Maurer, Polizist. Spätestens fiel er mit "Der Schmerz der Engel" 2011 auf – auch international: Spannende Poesie mit mörderischen Schneestürmen und zarter erster Liebe ("Sie hat Mondscheinschultern!").

Will er sagen, dass zwei Menschen nicht besonders gut zusammenpassen, so beschreibt er das so:

Der Mann, er spielt gern Bridge, sagt: "Zwei Pik."

In diesem Fall antwortet die Frau: "Ich glaube, die Nacht ist ein geheimnisvolles Mädchen aus Afrika."

Noch Unklarheiten?

Und die Landschaft ist dabei nicht bloß das Bühnenbild, der Schnee, das Meer, die Vulkane – sie alle könnten bei Stefánsson jederzeit die Hauptrolle übernehmen.

Etwas von der Größe des Universums, damit könnte "die Familie" gemeint sein, und Mama ist ein Planet.

Aber Mama ist tot. Ari war damals zehn Jahre alt.

Keflavik

Papa hätte auch ein Planet sein können. Aber er hat danach getrunken. Kein Wort mehr hat er über seine Frau, Aris Mutter, gesagt, nur getrunken hat er. Und geschlagen, den Sohn und die neue Lebensgefährtin.

Was waren das einst für Träume und Wünsche an jenem Ort,der bis 2006 ein US-Militärstützpunkt war, auf dem die Soldaten in große Gefahr gerieten, an Langeweile zu sterben.

Keflavik heißt diese isländische Stadt. Fische, Arbeitslosigkeit (und der Rapid-Fußballer Traustason).

Ari klopft beim Vater an. Es ist kein Wunder, dass auch der Himmel über ihnen lieber schweigt.

Jón Kalman Stefánsson:
„Etwas von der Größe des
Universums“ Übersetzt von Karl-Ludwig
Wetzig.
Piper Verlag.
400 Seiten.
24,70 Euro.

Kommentare