Im Atelier im 20. Wiener Bezirk, das Vukoje scherzhaft ihre „Renaissance-Werkstatt“ nennt, erhält die Künstlerin nur Hilfe von ihrem Mann, einem Architekten, und ihren Eltern. Die Bilder die dabei entstehen, sind extrem durchdacht, aber nicht theoretisch verkopft: Nachdenken über Kunst ist bei Vukoje aufs Engste mit Arbeit am Material verbunden. So entstehen etwa Blumenbilder mit elaborierten Bleichtechniken. In einer anderen Werkserie ist eine exotische Drachenfrucht so wiedergegeben, dass die im weißen Fruchtfleisch eingefassten Kerne förmlich zu glänzen scheinen. Aber es sind eben nicht nur Bilder von Früchten oder von Blumen, es ist Malerei über Malerei.
„Mich hat immer schon interessiert, dass man die Malerei schon in ihrem Entstehen reflektiert und nicht theoretisch von außen her“, sagt Vukoje, die 1969 in Düsseldorf geboren wurde, in Belgrad aufwuchs und 1988 nach Wien kam, um bei Maria Lassnig und dann bei Christian Ludwig Attersee an der „Angewandten“ zu studieren.
Eine Hinwendung zur gegenständlichen Malerei sei durch diese Ausbildung angelegt gewesen, sagt sie. „In den 90er-Jahren habe mich Marlene Dumas oder Luc Tuymans beeinflusst, die die Malerei selbstreflexiver machten und wo ein politisches Denken wieder möglich wurde.“
Vukoje beherrscht den täuschenden Realismus der „Trompe L’oeil“-Malerei und machte sich auch als Porträtistin (u. a. mit dem Bildnis der Schauspielerin Maria Happel für die Burgtheater-Galerie 2008) einen Namen. Aufbauend darauf ging es ihr aber immer stärker darum, über ihren Werkstoff selbst Geschichten zu erzählen und Fragen zu stellen.
Ein Bindeglied in der Belvedere-Schau ist etwa das Bild eines Glitzerhandschuhs, dessen täuschend echt wirkende Anmutung nur durch den Auftrag von Glitter in verschiedener Dichte entsteht. „Die Logik des Materials gibt dem Bild ein Eigenleben und verführt uns dazu, Dinge auszuprobieren“, sagt Vukoje.
2012 entdeckte die Malerin industriell vorgefertigte Jute als Material, seit 2014 arbeitet sie ausschließlich damit. Die grobe Struktur lässt sich von beiden Seiten bemalen, was die Basis für viele Überlegungen zur Durchlässigkeit und Welthaltigkeit von Malerei und Kunst an sich gibt (ist ein Bild tatsächlich ein „Fenster zur Welt“?).
Doch Jute ist eben auch der Stoff, aus dem Säcke für Kaffee und andere „Kolonialwaren“ genäht werden: Für Vukoje eine Möglichkeit, eine politisch wache Malerei zu schaffen. „Viele Theoretiker der Moderne hatten einen Autonomieanspruch an die Malerei, der die gesellschaftlichen und historischen Bedingungen vernachlässigt, unter denen Malerei entsteht“, erklärt die Malerin.
Ein typisches „autonomes“ Werk ist die Serie „Homage to the Square“ von Josef Albers – eine Verschränkung verschieden großer Quadrate, in denen es scheinbar nur um die Interaktion von Form und Farbe geht. Vukoje kaperte das Konzept – und malte die Quadrate mit Zucker, Kakao und Kaffee auf ausrangierte Transportsäcke.
Von hier spinnt sich der Faden weiter in die Geschichte: Basierte der Reichtum der Niederlande im „Goldenen Zeitalter“ nicht auch auf dem Handel mit kolonialen Waren? Sind Vukojes Zuckerbilder oder die Serie mit „Porträts“ von exotischen Früchten, die eine Ecke der Schau im Belvedere 21 einnehmen, dann nicht Verwandte von holländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts?
Malerei ist, wie gesagt, ein altes Medium, doch bei Virtuosen wie Vukoje kann jedes neue Bild unzählige andere enthalten. Dass dem Publikum die „Lesekompetenz“ für eine derart reflektierte Malerei fehlen könnte, quittiert die Künstlerin eher gelassen: Gerade weil sie über die Materialqualitäten kommuniziere, spreche ihre Kunst auch zu Leuten, die es sonst nicht so mit der Theorie haben. Und eine der herausragenden Qualitäten der Malerei sei ja, dass sie hier und jetzt im Augenblick erfasst werden könne, sagt die Künstlerin. „Ich glaube, dass wir Wissen auch sehr intuitiv absorbieren. Schon Schauen ist eine Art von Reflexion.“
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