Macbeth ist "wie eine Figur aus Breaking Bad"

Mitten in der Schlacht: Macbeth (Michael Fassbender)
Regisseur Justin Kurzel über Shakespeare, Fernsehserien und Oper in Wien.

William Shakespeare im Kino ist "in". Gerade erst feierte Benedict Cumberbatch als "Hamlet" Triumphe, als die am schnellsten ausverkaufte Produktion der Londoner Theatergeschichte aus dem "Barbican Centre" in 2000 Kinos weltweit übertragen wurde. In dieser Woche läuft eine Neuinterpretation von "Macbeth" an, die wie geschaffen scheint für die "Game of Thrones"-Generation.

Macbeth ist "wie eine Figur aus Breaking Bad"
epa04763077 Australian director Justin Kurzel poses during the photocall for 'Macbeth' at the 68th annual Cannes Film Festival, in Cannes, France, 23 May 2015. The movie is presented in the Official Competition of the festival which runs from 13 to 24 May. EPA/IAN LANGSDON
Der Australier Justin Kurzel bringt Shakespeares Klassiker über Ehrgeiz und Machtgier als schaurig-schönes Schlachtengemälde auf die Leinwand. Michael Fassbender spielt den wohl bekanntesten Königsmörder der Weltliteratur als Kriegsgeschädigten, der an einer Art "Post-Traumatic Stress Disorder" leidet. Um Macht und Thron geht es ihm erst in zweiter Linie. Die Brutalität der Schlachtfelder, die Macbeth als Wahnvorstellung bis in seine Träume verfolgt, ist – mehr noch als die eigene Machtgier und der Ehrgeiz seiner Frau – die Triebfeder seines moralischen Verfalls. Die Weissagungen dreier Hexen, die ihn als künftigen König sehen, sind eher Trugbilder als Orakel. Marion Cotillard spielt eine humanere Variante der sonst so intriganten Lady Macbeth und Michael Fassbender einen Macbeth, der düsterer und martialischer ist als all seine Vorgänger. Regisseur Justin Kurzel im Gespräch ...

KURIER: Macbeth ist im Kino ein Blockbuster und etwa alle vier Stunden kommt irgendwo auf der Welt eine neue Theaterproduktion. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?

Justin Kurzel: Denken Sie an den Erfolg von "Game of Thrones". Diese TV-Serie kopiert geradezu die Königsdramen von Shakespeare. Er schaffte es, Machtgier und die brutalen Intrigen der Herrschenden in seinen Stücken bloßzustellen. Und wie alle Shakespeare-Stücke lässt auch "Macbeth" jede Form von zeitgenössischer Interpretation zu. Denken Sie nur an Roman Polanskis Version, der den Mord an seiner Frau Sharon Tate verarbeitet hat.

Ihre Interpretation orientiert sich atmosphärisch auch noch an einigen weiteren Kino- und TV-Erfolgen.

Man muss gerade bei der Verfilmung eines klassischen Stoffs auf die Sehgewohnheiten des Publikums Rücksicht nehmen. Und so gibt es tatsächlich Szenen, die an "Goodfellas", "Apocalypse Now", oder "Breaking Bad" erinnern – und das, obwohl ich mich an Shakespeares Textvorlage gehalten habe. Ich habe mir mehrere Folgen von "Breaking Bad" reingezogen, während ich den Film geschnitten habe, und daher gibt es auch einige dramaturgische Ähnlichkeiten. Macbeth erinnert an einen der Charaktere aus "Breaking Bad", der einem Autounfall entgegenrast und dabei noch aufs Gas statt auf die Bremse steigt.

Hat Sie die heutige Weltsituation bei Ihrer "Macbeth"-Inszenierung beeinflusst?

Ja, sehr sogar. Ich habe viele Gespräche mit Kriegsheimkehrern geführt und sie befragt, wie sie mit ihrem posttraumatischen Stress und ihren Psychosen umgehen. Nach diesen Gesprächen kam mir die Idee, dass die Hexen, die Macbeth prophezeien, er sei dazu bestimmt, der nächste König von Schottland zu sein, nur Fantasiegebilde sind. Sie gaukeln ihm vor, dass das Morden letztlich doch Sinn hat. Kein Mensch kommt aus einer brutalen Schlacht so heraus, wie er hineingegangen ist.

Sie haben die inneren Monologe, die in "Macbeth" vorkommen, noch erweitert, indem auch einige der Dialoge als aus dem Off gesprochene Gedanken inszeniert sind.

Für mich sind innere Monologe meistens sogar interessanter als Dialoge, weil sie sind viel intimer und geben einen Einblick in den Gemütszustand der handelnden Personen. Im "Macbeth" sind die "laut gedachten" Monologe Eingeständnisse von Schuldgefühlen und Gewissensbissen. Es sind Gespräche mit Gott, Tod und Teufel und gerade dadurch besonders menschlich.

Sie haben vor Ihrer Karriere als Filmregisseur als Bühnenbildner an Theatern gearbeitet. Wollen Sie auch wieder einmal zur Bühne zurückkehren?

Ja, aber nicht als Set-Designer, sondern als Regisseur. Und lieber noch als ein Theaterstück würde ich eine Oper inszenieren. Wien ist doch berühmt für seine Oper – fragen Sie doch einmal den Direktor dort, ob er mich engagieren will. Und es muss nicht unbedingt "Macbeth" sein.

Von Gabriele Flossmann

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