Luk Perceval über "Draußen vor der Tür"

Luk Perceval über "Draußen vor der Tür"
„Uns wird mit dem Wort ,Krise‘ Angst gemacht“, so Luk Perceval, der "Draußen vor der Tür“ im Landestheater NÖ zeigt.

Das Stück, rezensierte Die Welt höchst angetan, „ist praktisch für Luk Perceval geschrieben worden.“ Ein Kompliment, dass den Regisseur naturgemäß freut: „Manchmal ist man einfach füreinander bestimmt.“

Der flämische Theatermacher inszenierte Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrerdrama „Draußen vor der Tür“ im April am Hamburger Thalia Theater und zeigt es nun (12./13. 1.) als Gastspiel am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten. 1947, in acht Tagen, schrieb Borchert die Geschichte seines Antihelden Beckmann, der in Stalingrad zum Kriegsgefangenen wurde, nach seiner Heimkehr keinen Platz im Leben mehr findet – fremder Mann im Ehebett, fremde Leute im Elternhaus – und ergo aus diesem scheidet.

Einen „Herzschrei“ nennt Perceval Borcherts Werk. Der Autor erlebte die Uraufführung seines seltsamen Mix aus Realismus, Allegorie und Traum (es kommen Gott, Tod und Mutter Elbe vor) nicht mehr. Er starb am Tag davor. Mit 26 Jahren. Die mehrfache Inhaftierung durch die Nazis wegen „Wehrkraftzersetzung“ hatte seine Gesundheit zerstört.

Ein Gedicht

„Draußen vor der Tür“, erzählt Perceval, sei das erste Theaterstück gewesen, das er je gelesen habe. Er fand das Buch mit 17 in einer Antwerpener Bibliothek.

Nun, 37 Jahre später, beim Wiederlesen, beim Auf-die-Bühne-Heben, entdeckte er darin „ein Gedicht“. Und machte sich genüsslich daran, dessen Verse durcheinander zu wirbeln. Sein Beckmann stand nicht mehr in Russland an der Front, sondern war „auf Friedensmission“ in Afghanistan. „So nennen Politiker und Medien den Einsatz dort doch“, ereifert sich Perceval. „Und verschleiern per Wortwahl, dass es immer noch deutsche Kriegsheimkehrer, schwer traumatisierte, zerstörte Existenzen gibt.“

Seinen Beckmann spielt Felix Knopp, hauptberuflich Sänger der Band „My Darkest Star“. Deren Musik in Hardrock-Lautstärke bestimmt den Abend. Borcherts durchaus pathetischer Text lässt sich schöner singen als sprechen. Mit Knopp agieren Barbara Nüsse – „in allen autoritären Rollen“ –, Burgstar Michaels Vater Peter Maertens und acht Darsteller vom Thalia-Behindertentheater-Projekt „Eisenhans“.

Vor Borchert inszenierte Perceval Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun?“. Als nächstes ist eine Dramatisierung von dessen neu aufgelegtem Widerstandsroman „Jeder stirbt für sich allein“ dran.

Solidarität

Was ihn an dieser Literatur aus den 40er-Jahren interessiert? „Wie die Autoren die Hilflosigkeit des Einzelnen im Getriebe der Geschichte beschreiben“, so Perceval. „Das hat viel mit uns zu tun. Uns wird ständig mit dem Wort ,Krise‘ Angst gemacht. Ratingagenturen bestimmen über Sein oder Nichtsein. Dagegen muss man sich solidarisieren, muss Mittel suchen, damit das sozial gesinnte Europa nicht abgebaut wird.“

Am Theater, sagt er, wird er die Lösung nicht finden. Aber er kann doch die Frage danach stellen.

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