Wie Pop-Art nach Europa kam

Roy Lichtenstein überführte die Comic-Ästhetik in das Reich der Kunst „Takka-Takka“ , 1962, ist ein Highlight der Ludwig-Sammlung (Ausschnitt)
Die Schau "Ludwig Goes Pop", ab Februar in Wien, dokumentiert einen wichtigen Kulturtransfer.

Nein, Pop-Art wurde nicht von hippen, modischen Menschen in der Welt verbreitet. Der Mann, der für die Bekanntheit des Stils in Deutschland ab den späten 1960er-Jahren vielleicht am meisten leistete, trug in jenen Tagen dicke Hornbrillen und Halbglatze. Er war Schokoladefabrikant und wohnte in einer herrschaftlichen Villa in Aachen, in der wertvolles Porzellan und Barockmöbel, aber keine Campbell’s-Suppendosen und Lavalampen standen.

Gerade weil Peter Ludwig (1925–1996) und seine Frau Irene (1927–2010) so fest in den Fundamenten der deutschen Wirtschaftsmacht verankert waren, konnten sie in der Welt der Kunst einen Einfluss entwickeln, der bis heute nachwirkt: Denn die Ludwigs sammelten Kunst primär für Museen, sie beglückten verschiedene Häuser mit Leihgaben oder ließen sich eigene bauen.

Impressionen der Schau

Wie Pop-Art nach Europa kam

Jasper Johns Zero to Nine, 1959 53,8 x 88,9 cm, …
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Robert Indiana Love Rising / Black and White Love…
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Peter Blake Bo Diddley, 1963/64 122,4 x 76 cm, A…
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Richard Lindner Leopard Lilly, 1966 177,8 x 152,…
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Johns, Jasper Target 1974 Enkaustik und Zeitungs…
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Andy Warhol Portrait of Peter Ludwig, 1980 Siebd…
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Andy Warhol Close Cover before Striking (Pepsi Co…
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Mel Ramos Hippopotamus, 1967 180 x 247 cm, Öl au…
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James Rosenquist Untitled (Joan Crawford Says...)…
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Tom Wesselmann Landscape No. 4, 1965 129 x 159 c…
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ML01166, Tom Wesselmann, Seascape 18, 1968…
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Roy Lichtenstein Takka Takka, 1962 173 x 143 cm,…

New York–Köln–Wien

In Köln steht mit dem "Museum Ludwig" das größte Monument für das Sendungsbewusstsein des Sammler-Ehepaars. Die aktuell dort gezeigte Schau "Ludwig Goes Pop", die ab 13. 2. 2015 im Wiener mumok zu sehen ist, führt auch vor Augen, wie sich Geschmack, Kultur und Konsum in den vergangenen 50 Jahren verändert haben.

Kunst, die ihn interessiere, müsse ein "Zeitzeugnis" sein, sagte Peter Ludwig oft. Die Pop-Art war genau das – das Echo einer Gesellschaft, die von Fortschrittsglauben und Konsum beseelt war.

Die Kölner Ausstellung, die nun erstmals wieder die sonst auf viele Museen und Depots verteilten Pop-Bestände der Ludwig-Sammlung vereint, beginnt genau mit dieser Konsumbegeisterung: Warhols Brillo-Schachteln sind hier ausgestellt, oder Peter Blakes gemalte Hommage an den Rock-Musiker Bo Diddley.

Konsum & Katastrophe

Doch sehr rasch wird klar, dass Pop-Art die Welt nicht nur rosig sah – und auch Ludwigs Blick auf Pop sich nicht in der fröhlichen Konsumfreudigkeit erschöpfte. Dass die Pop-Künstler sich zudem aktiv mit Kunstdiskursen auseinandersetzten, demonstriert eine Sektion zu Roy Lichtenstein, der neben seinen berühmten "gemalten Comics" auch geistreiche Paraphrasen auf Picasso oder Monet schuf. Breiten Raum bekommen dazu Avantgardisten wie Robert Rauschenberg, Jasper Johns und Jim Dine, die abseits der Fixierung auf die Konsum-Ästhetik versuchten, die Grenzen von Bild und Skulptur zu erweitern.

Bei aller Wichtigkeit von künstlerischen Fragestellungen bleibt die Sensibilität für das Zeitgeschehen jedoch eine wiederkehrende Qualität – und sie gibt der Schau mitunter einen düsteren Anstrich. Denn Andy Warhol machte bald Unfälle und Rassenunruhen zum Thema, die hyperrealistischen Skulpturen von Duane Hanson zeigen nicht nur Shopper, sondern auch Obdachlose.

Pop-Art erscheint hier mehr als anderswo als bissige, kritische Kunst: Im Blick des reichen Sammlers nach Amerika lag offensichtlich nicht nur Begeisterung, sondern auch viel Bedauern.

Die Kunstmuseen Österreichs zehren bis heute vom Vermächtnis des Ehepaars Ludwig. In Wien wurden Auszüge ihrer Sammlung erstmals 1977 im Künstlerhaus gezeigt. Im Jahr darauf stellte das Paar dem Staat 130 Werke als Leihgabe zur Verfügung, sie wurden im 20er Haus und im Palais Liechtenstein im 9. Bezirk gezeigt.

1981 entstand die Österreichische Ludwig-Stiftung, in die sukzessive weitere Kunstwerke eingebracht wurden. Seit 2001 hat das „Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien“, kurz mumok, seine Heimat im MuseumsQuartier.

Die Ludwig-Stiftung – laut Kulturbericht 2013 mit einem Kapital von rund 27 Mio. € ausgestattet – fördert nicht nur Kunst-Käufe des mumok, sondern auch jene anderer Museen. Die gekauften Kunstwerke bleiben im Besitz der Stiftung und gehen als Dauerleihgaben an das jeweilige Haus. Die Albertina konnte auf diese Weise etwa ihren Fotografie-Schwerpunkt ausbauen.

Das Ehepaar Ludwig – beide entstammten wohlhabenden Familien und waren studierte Kunsthistoriker – ist für Sammlungen von Picasso, russischem Konstruktivismus und Pop-Art berühmt, sammelte aber u. a. auch Antiken und Porzellan. Neben dem mumok in Wien lagern die Bestände heute in Museen in Aachen, Bamberg, Basel, Budapest, Koblenz, Köln, Oberhausen, Peking, Saarlouis und Sankt Petersburg.

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